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Volltext: Monatsschrift für Kunst und Gewerbe IV (1889 / 2)

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den bildenden Meißel, den polychromirenden Pinsel; man incrustirte die 
WandHächen echt mit kostbaren, bunten Steinarten, man malte in 
echter Enkaustik die kunstreichen Bilder in der Mitte der Wandspiegel 
oder oben in den Attiken, man sculpirte auch echt die decorativen 
Karyatiden und Hermen. Oder schnitzte man sie vielleicht gar zierlich 
aus Elfenbein; wir dürfen nicht vergessen, dass wir das Zeitalter der 
Cameen-Glyptik besuchen, welches ebensowohl das Verfeinerte und Zier- 
liche, wie das materiell Kostbare in den Kunstbetrieb einführte. 
Die italischen Decoratoren waren die späteren Kunsterben jenes 
Verzierungssystems. Aber theils aus Sparsamkeit, theils wegen der Fülle 
der Aufträge verzichtete man fortan auf die Echtheit und Verschiedenheit 
des Materials, und begnügte sich mit dem blos gemalten Gesammt- 
bild der ursprünglich ebenso architektonisch wie plastisch und malerisch 
in gesonderter Weise durchgebildeten Decoration. 
Die Wände der Casa Farnesina und mit denselben das herrliche 
vTablinumu des palatinischen Hauses weisen am deutlichsten auf dieses 
supponirte Urbild zurück. 
So hätten wir denn hier das Abbild einer früher in stoiflieber 
Realität ausgeführten Decoration vor uns: gemalte Zierarchitektur, gemalte 
Zierplastik und eigentliche Bilder dazu treten jetzt zu einem einheitlichen 
Totaleindruck zusammen. Künstlerisch ist dadurch - indem dies alles 
gemalt wurde - eine Harmonie der Haltung gewonnen, die bei der 
Verschiedenheit des Stoffes und der formellen Behandlung früher trotz des 
reicheren musivischen Prachteindruckes nicht so zu erzielen war. Freilich 
stellte sich andererseits die Gefahr der Willkür ein, indem alles zusammen, 
die architektonischen und die plastischen Elemente, an den improvisirenden 
Pinsel ausgeliefert wurde. Anfangs hielt das Band des Stilgefühls noch 
fest - und dies ist das schönste, reinste Stadium der decorativen Com- 
position. Bald lockerte sich aber das Band und löste sich endlich ganz 
- doch da kann man noch immer staunend sehen, welch' ein Reichthum 
von Erfindungen und Impromptus in üppig blühender Fülle sich zerstreut 
und auseinanderfällt. Der gelöste Kranz zeigt erst recht, wie viel des 
Blüthenreizes er enthielt. 
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Nach dieser allgemeinen Betrachtung hätten wir nun auf das Detail 
einzugehen, um das in der Casa Farnesina durchgeführte Decorations- 
system in seinen Besonderheiten kennen zu lernen. 
Wir ziehen zuerst die Mit telpartie in Betracht, die einen mäßig 
großen Salon mit dem früher erwähnten Fries der Gerichtsscenen (3) 
und beiderseits - weiter vorangerückt - zwei länglich schmale 
Zimmer (2 und 4) enthält. Davor legt sich in der ganzen Breite (wie 
aus dem Grundriss ersichtlich) ein größerer Vorraum, der eine freie 
Durchsicht in jene drei lnterieurs gewährt. Die abgestufte Perspective 
und der mit einem Blick überschaubare Farheneffect der drei Gemächer
	        
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