MITTHEILUN GEN
DES
K. K. OESTERREICH. MUSEUMS
KUNST UND INDUSTRIE.
Monatschriifg xillxralnstgewerbe.
Herausgegeben und redigirt durch die Direction des k. k. Oenlerr. Museums.
im Commissionsverlag von Carl Geroldä Sohn in Wien.
Abonnementspreis per Jahr G. 4.-
Nr. 73. (316). 7 WIEN, Januar 1892. N. F. VII. Jahrg.
Inhnlt: Deutscher Rexuisunceschmuck. Von B. Bucher. - Ueber den Eiulluss der Nalurliebe auf die
Entwickelung den Flnreuüuer Reliefornarnentes im 15. Jahrhundert, Von J. Folnesicl - Ange-
legenheilen du Oenerr. Museums und der mit deunelben verbundenen lnuixure. - Lirteralur-
hericht. - Bibliographie des Kunngewerbes. - Notizen.
Deutscher Renaissanceschmuck.
Von B. Bucher.
Vor ungefähr elf Jahren gelangte das Oesterr. Museum in den Besitz
dreier kirchlicher Gegenstände von ungewöhnlichem Werthe. Die Aller-
heiligenkirche zu Hall in Tirol hatte bei Aufhebung des dortigen
Fräuleinstiftes (1783) zwei davon, sogenannte Marienkronen, über-
nommen, der dritte, ein goldener Kelch, war der genannten, 1610 gegrün-
deten Kirche von zwei Schwestern des Kaisers Ferdinand ll., den
Erzherzoginnen Marie Christine und Eleonore, gewidmet worden;
um Baukosten zu decken, hatte man sich zur Veräußerung der drei Stücke
entschlossen, und Baron Karl Rothschild in Frankfurt a. M., bekanntlich
einer der bedeutendsten Sammler von deutschen Goldschmiedearbeiten,
war als Käufer aufgetreten. Glücklicherweise konnte der Kauf, da die
Sachen zum Religionsfonde gehörten, nicht ohne Genehmigung des Mini-
steriums für Cultus und Unterricht abgeschlossen werden; die Central-
commission für Erforschung und Erhaltung der Kunst- und historischen
Denkmale und durch diese die Direction des Oesterr. Museums wurden
zur Begutachtung aufgefordert und das Museum zögerte nicht, denselben
Preis zu bieten wie Baron Rothschild, so dass die drei Stücke dem Lande
erhalten werden konnten.
Der Kelch nebst Patene und Löffel trägt keinerlei Zeichen an sich,
das über die Werkstätte Auskunft gäbe. Doch weisen zwei von den
Jahrg. 1892. I