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dienfahrt Alexanders sich anknüpfende Naturgeschichte floss durch den
Alexanderroman, aber auch durch des Megasthenes Werke in des Plinius
Naturgeschichte, der im VI. Buch 187, x95) und im VII. Buch
(ää. ro und 15) von Völkern zu berichten weiß, die geradezu wunderbar
sind. Nun freilich war Megasthenes von König Seleukos nach Pali-
bathra gesendet worden zum Großvater des Königs Asoka (siehe ausführ-
lich in Fragmenta historicorum Grecorum ed. Müllerus, II, 398 fg., 41g)
und hat sicher in seiner indischen Beschreibung nur dasjenige gebracht,
was er gesehen oder von den Brahmanen geh ört hatte. Und diese dürften
allerdings dem Griechen manche abenteuerliche Geschichte angehängt
haben 4), die ihm umso glaubwürdiger erscheinen mochte, wenn er die
indischen Götzenbilder mit den vielen Armen u. s. w. sah. Aber schon
Strabo (II, p. 70) hat die Unglaubwlirdigkeit der Angaben des Megas-
thenes (und Deirnachos), soweit sie die phantastischen Menschenformen
betreEen, ausgesprochen. Aber er führt doch dieselben an zwei ver-
schiedenen Stellen seines Werkes an, so wie es Plinius thut. Und der
Einfluss dieser phantastischen Angaben des Letzteren wie des Solinus
ist durchs ganze Mittelalter hindurch geblieben, sodass selbst erfahrene
Männer, wie Marco Polo sich nicht freihalten. Wir finden diese monströse
Naturgeschichte beispielsweise bei einem sehr tüchtigen Schriftsteller, bei
Jacobus de Vitriaco (ed. Bongars, Gesta Dei per Francos p. nxo sq.),
der nicht allein den Brief des Brahmanenkönigs Dindymus an den Äle-
xander, sondern auch die Arimaspen u. s. W. wieder anführt und die
ganze Naturgeschichte der drei Reiche behandelt, wie sie seinerzeit ver-
breitet war.
Eine besondere Vorliebe hat diese Naturgeschichte für Schlangen,
Drachen, Basilisken und anderes Gewürm. Die Amphisbaenaä) ist eine
Schlange mit zwei Köpfen, einem vorn, einem am Hinterende des Körpers.
Schlangen gibt es in Indien, welche Edelsteine am Kopfe tragen, sie
liefern sich alljährlich Schlachten und bringen viele ihresgleichen um.
Auch den Phönix schildert er ausführlich und erzählt die Geschichte vom
Pelikan, der seine Jungen tödtet, aber doch wieder betrauert und sich
an der Brust eine schwere Wunde beibringt, um mit dem Blute die
Jungen zum Leben zurlickzurufen. Noch 1350 kennt ein Indienfahrer,
Johann von Marignola, die phantastische Naturgeschichte; kein Wunder,
dass das vielgelesene, in alle Sprachen der gebildeten Völker übersetzte
Volksbuch des x4. Jahrhunderts, das Pilgerbuch des Ritters John de
Mandeville (ca. 1'536), all' die Sachen wiederbringt, freilich noch mit Er-
') Vergl. die bezüglichen indischen Angaben bei Müller, Fragm. bist. graec. p. 41.7,
Mahäbhärnza. - p. 434 der goldsammelnden Ameisen.
') Das in der Revue de l'un chrät. 1891, p. III, abgebildete phnatnslische Thier
ist demnach keine Amphisbaena, sondern ein Basilisk. (Apokalyptische Fauna. S. Jean zu
Perpignan.)