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Ordnung. Wo auf eine Verengerung des Körpers eine Erweiterung folgt,
die das Herabfallen des Scbmuckes verhindert, dort entwickelt sich eine
charakteristische Schmuckform.
So erhält das Haupt seine Bekrönungen verschiedenster Art, dann
kommt der Hals, die beliebteste Stelle für allerlei Schmuck, da die
Schultern der Schmuckentwicklung reichsten Spielraum gönnen, es folgt
der Einschnitt an den Hüften, ebenfalls eine von jeher bevorzugte Stelle,
und endlich gelten die Verengerungen an Hand- und Fußgelenken schon
in frühesten Zeiten als prädestinirte Schmuckträger. Hiezu kommt noch
der schwellende Muskel des Oberarmes, wo durch leichten Druck eine
künstliche Verengerung herbeizuführen ist, und endlich werden auch
die Finger, allerdings, wie es scheint, erst in historischer Zeit, an der
Stelle, wo unterhalb der Gelenke eine Einschnürung vorhanden ist,
geschmückt.
Bei aller sonstigen Verschiedenheit ist es fast durchwegs ringförmiger
Schmuck, der, entsprechend dem menschlichen Körperbau, sich an den
bezeichneten Stellen entwickelt. Eine ziemlich bescheidene Rolle spielt
daneben der Steckschmuck und der Behang. Bei allen diesen Schmuck-
arten entwickeln sich bereits unter den primitivsten Bedingungen die
Grundsätze der Symmetrie und Enrhythmie. Die Symmetrie entsteht
unter dem Einfluss des menschlichen Körperbaues gleichsam von selbst.
Die Natur zwingt den Menschen, die Gesetze, die für sie selbst maßgebend
waren, auch im Körperschmuck zum Ausdruck zu bringen. Wie der
Körper durch eine verticale Trennungslinie in zwei gleiche Hälften getheilt
wird, so folgt auch die Ausbildung des einzelnen Schmuckgegenstandes,
der sich, wie z. B. eine Federnkrone, eine Halskette, ein Gürtel oder ein
Ohrgehänge zu beiden Seiten einer Mittellinie gleichmäßig entwickelt,
denselben Gesetzen.
Gleichzeitig mit der Symmetrie entsteht der R bythmus; ergibt sich
dieSymmetrie aus dem Bau des menschlichen Körpers, so folgt der Rhythmus
aus der Natur der zum Schmuck verwendeten Objecte. - Gleichmäßige
Aneinanderfügung ein und derselben Elemente erzeugt die einfachste
rhythmische Reihe. Die Ungleichartigkeit der Schmnckbestandtheile in
Form oder Farbe oder nach beiden Richtungen führt dahin, aus zwei
oder mehreren Elementen rhythmiScheLEinheiten zu formiren, die sich
wie wirkliche Einheiten wiederholen, so oft es die Form des Schmuck-
gegenstandes verlangt. Durch Combinationen und Complicationen wird
bereits in frühester Zeit die Zahl der Varianten in's Unübersehbare
vermehrt, und es entsteht jener Codex rhythmischer Ordnung, der die
Grundlage bildet für die Entwicklung des Ornamentes. Symmetrie und
Rhythmus verbinden sich alsbald derart, dass innerhalb des symmetrisch
angeordneten Ganzen der Rhythmus in wechselvollem Spiel das Detail
anmuthig belebt.