DAS PORZELLANKABINETT
IM ÖSTERREICHISCHEN MUSEUM FÜR ANGEWANDTE KUNST IN WIEN
FRANZ WINDlSCH-GRAETZ
Die folgenden Erläuterungen sollen einige Hinweise zum Ver-
ständnis des Dekorationssystems und der Möbclformcn des
„Dubsky-Zimmers" gehen. Das hicbei verwendete Porzellan
stammt aus den Jahren 1725-35, - der ersten großen Blüte-
zeit der Wiener Manufaktur, als sie unter der Leitung des Hof-
kriegsagenten Claudius Innocentius Du Paquier noch ein privates
Unternehmen war. Auf das Porzellan selbst soll nicht weiter ein-
gegangen werden. Darüber wurde an anderer Stelle bereits alles
Wissenswerte grundsätzlich dargelegt; 2 nur insoweit es ein Mittel
der Dekoration an Wänden und Möbeln ist, sei hier davon die
Rede.
Die Idee, derartige Kabinette zunächst mit chinesischem Por-
zellan zu dekorieren, kam im 17. jh. in Holland auf. Durch die
Handelsbeziehungen der Ostindischen Compagnie trafen jährlich
ganze Schiffsladungen dieses kostbaren Materials, das damals in
Europa noch nicht erzeugt werden konnte, in den holländischen
Häfen ein. Wer etwas auf sich hielt, sammelte Porzellan,
schmückte damit seine Zimmer und bewies dadurch seinen guten
Geschmack und seinen Reichtum. Der aus Frankreich gebürtige
Architekt und Innendekorateur Daniel Marot (1663-1752), der
den größten Teil seines Lebens in Holland zubrachte, hat -
angeregt durch die neue holländische Mode - eine Anzahl sei-
ner Ausstattungsentwürfe der dekorativen Einrichtung solcher
Kabinette gewidmet.
Sein Hauptaugenmerk richtet er dabei auf den Kamin und die
Rahmung des dazugehörigen Spiegels, wofür er ein reiches Arran-
gement von Porzellangefäßen aufKonsolen vorschläigt. Diese Art
von Kaminen bezeichnet er als „Cheminees a la Hollandoise".
Aber auch andere Stellen des Raumes stattet er in ähnlicher
Weise mit Gruppen oder Reihen von Porzellanen aus; so z. B.
das Kranzgesims am oberen Abschluß der Boiserie oder die
Supraporten. Marots in Kupfer gcstochene Entwürfe fanden wei-
teste Verbreitung und waren von größtem Einfluß.
Nicht so sehr Frankreich als vielmehr Deutschland nahm die
Anregungen mit Begeisterung auf. Diesem Umstand verdanken
wir die große Zahl deutscher Porzellan und Spiegclkabinettc,
wobei es sich um zwei Dekorationsprinzi en handelt, die sowohl
parallel - also in verschiedenen Räumen - wie auch miteinan-
der verbunden - also im gleichen Raum - Anwendung finden
konnten.
So entstanden jene köstlichen Schöpfungen der deutschen Innen-
architektur des 18. ]h., welche uns heute wie Zimmer aus Wirk-
lichkeit gewordenen Träumen oder wie Riittme aus miirchen-
haften Irrgärten anmuten. Immer war es eine Herzensangelcgen-
hcit der deutschen Kunst gewesen, dem freien Spiel des Orna-
mcnts und der phantasievollen Erfindung weitesten Raum zu
geben. So wird also hier alle Vorstellungskraft aufgeboten, jede
ausdcnkbare Möglichkeit prächtiger Verzierung ausgenützt, um
aus edlen Hölzern, reichgeschnitztem, vergoldetem oder versil-
hertem Dekor, kostbarsten Möbeln, Porzellan, Spiegeln, Stuck
' Das Porzellankabinett befand sich vormals im Palais der Grafen.
Dubsky in Brünn, von wo es im Jahre 1912 für das Österreichische
Museum in Wien angekauft und hier unter Wahrung der früheren Pro-
rtioncn und Maße in seiner Gesamtheit eingebaut wurde. Über die Ge-
schichte des Zimmers siehe Julius Leisehing. Das Porzellanzimmer aus
Dubskyschem Besitze, „Kunst und Kunsthandwerk", Wien, XVI. Jg.
1913, S. 281 ff.
2 Josef Folnesies, Das Porzellan im Zimmer aus dem Dubskyschcn
Palais, a. a. O., S. 300 ff.
Wilhelm Mrazek, Wiener Porzellan aus der Manufaktur Du Paquiers
(1718-1744), Wien 1952, Verlag des Österreichischen Museums für an-
gewandte Kunst.
Abbildung 2
Pßrzellan- und Splcgllltablnlll im Sehanbemkehun Glmmpllm
In Wlun Iliigonßssllchlr Stiel: um 1715
und Fresken ein Gebilde zu schaffen, das alle bisherigen Raum-
erfindungen und Ausstattungen bei weitem übertraf und in die-
sern Reichtum nirgends sonst anzutreffen ist.
Es ist bezeichnend und ganz folgerichtig, daß ein aus Süddeutsch-
land stammender Grandseigneur und großer Bauherr, der Reichs-
vizekanzler Graf Friedrich Karl von Sehönhorn, eines der ersten
Porzellankabinette in Wien errichten ließ. Ein zeitgenössischer
Kupferstich (Abb. 2) überliefert uns das Aussehen dieses längst
nicht mehr bestehenden Gemachs im Wiener Gartenpalast des
Grafen. Dieser Landsitzß nahe vor den Mauern der Stadt,
wurde durch Umbau und Ausgestaltung eines älteren Bestandes
in den Jahren 1706-11 durch Lucas von Hildcbrandt errichtet.
Die wenig später entstandene Innenausstattung des Kabinetts, zu-
mal die dekorative Anordnung des Porzellans, ist in manchem
von dcn erwähnten Stichen D. Marots angeregt; so z. B. die Auf-
stellung der Schalen und Vasen auf dem Kranzgesims, wo sie als
plastischer Dekor heiter und farbig belebt vor dem konkaven
Raum der Hohlkehle stehen. In der Gesamtkomposition freilich,
in der starken Plas tät und bewegten Architektur des Raumes
kommt jener höfischc, tmiversal-kaiscrliche Stil zur Geltung,
welcher Italienisches und Westeuropäischcs verbindend den
Höhepunkt des Wiener Barock - des großen Stils der Haupt-
und Residenzstadt bedeutet.
Es ist anzunehmen, daß der XVunsch, derartige Porzcllankahi-
nette einzurichten, nicht nur auf den engsten Kreis um den Hof
beschränkt blieb. jedenfalls stellt das Dubsky-Zimmer eine An-
lage dar, wie sie in einfacherem Rahmen und mehr als drei jahr-
zchnte später ausgeführt wurde. Die Formen des Dekors und die
Art seiner Anbringung zeigen einen Stil, der knapp vor Beginn
des Rokokos anzusetzen ist. Zum Vergleich können die ausge-
zeichneten Boiserien des Sehönborn-Palais in der Renngasse dic-
nen, die 1750 ausgeführt wurden (wofür sie allerdings etwas
3 Heute Österreichisches Museum für Volkskunde, Wien VIIL, Lau-
dongasse 15[19.