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Volltext: Alte und Moderne Kunst I (1956 / Heft 2)

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gewöhnlich vor dem Tanze thun, singt vor und beginnt einen „Kleinen". Endlich sind alle 
nacheinander in den Kreis gelonnnen und „da", wie sich derselbe Autor aiwdrückt, welcher 
den „Kleinen" beschrieben hat, „da beginnt eine Art Raserei, ein Tanz von Verrückten 
und Besessenen, in welchem auf dem Hintergründe eines allgemeinen, bestimmten Rhythmus, 
jeder Einzelne seinem Temperament und seiner rhythmischen Begabung entsprechende 
Bewegungen und Sprünge verschiedener Art improvisirt. Dieser, ein sanfter Blonder, 
schlank und geschmeidig, schließt die Beine, hält sich die Seiten, wirft sich, gestreckt, in 
die Luft und läßt sich seitwärts auf die Erde fallen wie ein ungeheurer Nagel. Jener 
mächtige Kerl mit dem rothen, in Schweiß gebadeten Gesichte, wirft sich klafterhoch in 
die Luft, zieht die Kniee ein, klatscht im Fluge mit den Händen an die Fersen und stürzt 
polternd nieder. Jener andere trippelt, an seiner Stelle bleibend, mit außerordentlicher 
Eleganz und Zierlichkeit herum, vorgebeugt, als sei er von den eigenen Füßen entzückt. 
Ein anderer schlägt wüthend mit dem Fuße auf den Fußboden, als wollte er damit ein Loch 
in denselben schlagen, oder die eigene Ferse zerschmettern. Jener läßt seinen ganzen Körper 
schwer zur Erde niederfallen und schnellt sich plötzlich in die Luft, wie eine Rakete. Der 
andere dort reibt sich die verwirrt blickenden Augen, die Haare stehen ihm zu Berge, er 
fuchtelt mit den Händen über dem Kopfe und scheint verrückt, von irgend einer Tollheit 
berauscht zu sein; seine Füße aber bewegen sich, ohne sein Wissen und Wollen an Ort und 
Stelle zitternd in blitzartigen zickzackmüßigen Schwingungen. Alle schreien auf, reißen sich 
herum, stampfen, schlendern Hände und Füße um sich, scheinen die Zähne eines Rades zu 
sein, das sich in rasendster Schnelle dreht. Dann wieder läßt die Musik etwas nach, die 
Geberden werden etwas langsamer, die Tanzenden ergreifen ihre Ciupagi (Beilstöcke), 
haken die Schneiden aneinander, indem sie sie hoch in der Luft halten und tanzen 
langsam in der Runde, gleichsam als wollten sie ausruhen. Allein plötzlich zieht der 
Geiger die buschigen Brauen über die tiefliegenden, von dem wie eine Dachtraufe 
hervorstehenden Stirnbein beschatteten Augen, drückt wie convulsivisch die Geige an sich 
und geigt in noch rasenderem Tempo drauf los, während die ganze Bande der ganzer 
mit noch größerer Unbändigkeit zu tollen und zu wüthen beginnt. Hände, Beine fliegen 
in der Luft, der Stahl der Beile wirft Blitze, alles mischt sich und brodelt durcheinander 
wie ein Chaos. Es ist offenbar, daß, wenn Hände und Füße so wirr in der Luft herum 
fliegen sollen, jenes leidenschaftliche und stürmische Temperament sie tragen muß, welches 
in den Goralen lebt. Die Raserei, welche sie bei diesem Tanze ergreift, ist so gewaltsam, 
daß, wenn sie sich vor den Geiger hinstellen, auch die festesten Kerle mit krebsrothcn 
Lippen vor Erregung kreidebleich werden." 
Der Obertas ist, wie der „Kleine" beim Volke, nur ein in schnellerem Tempo 
getanzter Maznr. Er wird auch, ähnlich dem Maznr, im Kreise getanzt. Die Musik dazu
	        
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