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gewöhnlich vor dem Tanze thun, singt vor und beginnt einen „Kleinen". Endlich sind alle
nacheinander in den Kreis gelonnnen und „da", wie sich derselbe Autor aiwdrückt, welcher
den „Kleinen" beschrieben hat, „da beginnt eine Art Raserei, ein Tanz von Verrückten
und Besessenen, in welchem auf dem Hintergründe eines allgemeinen, bestimmten Rhythmus,
jeder Einzelne seinem Temperament und seiner rhythmischen Begabung entsprechende
Bewegungen und Sprünge verschiedener Art improvisirt. Dieser, ein sanfter Blonder,
schlank und geschmeidig, schließt die Beine, hält sich die Seiten, wirft sich, gestreckt, in
die Luft und läßt sich seitwärts auf die Erde fallen wie ein ungeheurer Nagel. Jener
mächtige Kerl mit dem rothen, in Schweiß gebadeten Gesichte, wirft sich klafterhoch in
die Luft, zieht die Kniee ein, klatscht im Fluge mit den Händen an die Fersen und stürzt
polternd nieder. Jener andere trippelt, an seiner Stelle bleibend, mit außerordentlicher
Eleganz und Zierlichkeit herum, vorgebeugt, als sei er von den eigenen Füßen entzückt.
Ein anderer schlägt wüthend mit dem Fuße auf den Fußboden, als wollte er damit ein Loch
in denselben schlagen, oder die eigene Ferse zerschmettern. Jener läßt seinen ganzen Körper
schwer zur Erde niederfallen und schnellt sich plötzlich in die Luft, wie eine Rakete. Der
andere dort reibt sich die verwirrt blickenden Augen, die Haare stehen ihm zu Berge, er
fuchtelt mit den Händen über dem Kopfe und scheint verrückt, von irgend einer Tollheit
berauscht zu sein; seine Füße aber bewegen sich, ohne sein Wissen und Wollen an Ort und
Stelle zitternd in blitzartigen zickzackmüßigen Schwingungen. Alle schreien auf, reißen sich
herum, stampfen, schlendern Hände und Füße um sich, scheinen die Zähne eines Rades zu
sein, das sich in rasendster Schnelle dreht. Dann wieder läßt die Musik etwas nach, die
Geberden werden etwas langsamer, die Tanzenden ergreifen ihre Ciupagi (Beilstöcke),
haken die Schneiden aneinander, indem sie sie hoch in der Luft halten und tanzen
langsam in der Runde, gleichsam als wollten sie ausruhen. Allein plötzlich zieht der
Geiger die buschigen Brauen über die tiefliegenden, von dem wie eine Dachtraufe
hervorstehenden Stirnbein beschatteten Augen, drückt wie convulsivisch die Geige an sich
und geigt in noch rasenderem Tempo drauf los, während die ganze Bande der ganzer
mit noch größerer Unbändigkeit zu tollen und zu wüthen beginnt. Hände, Beine fliegen
in der Luft, der Stahl der Beile wirft Blitze, alles mischt sich und brodelt durcheinander
wie ein Chaos. Es ist offenbar, daß, wenn Hände und Füße so wirr in der Luft herum
fliegen sollen, jenes leidenschaftliche und stürmische Temperament sie tragen muß, welches
in den Goralen lebt. Die Raserei, welche sie bei diesem Tanze ergreift, ist so gewaltsam,
daß, wenn sie sich vor den Geiger hinstellen, auch die festesten Kerle mit krebsrothcn
Lippen vor Erregung kreidebleich werden."
Der Obertas ist, wie der „Kleine" beim Volke, nur ein in schnellerem Tempo
getanzter Maznr. Er wird auch, ähnlich dem Maznr, im Kreise getanzt. Die Musik dazu