JOSEF NIGG
l EIN WIENER
BLUMENMALER
Von WILHELM MRAZEK
Im Jahre 1770 schreibt Jean Jacques Rousseau: „Indem ich her-
borisiere, denk' ich mehr mich zu vergnügen und zerstreuen als
zu unterrichten." Aber schon im darauffolgenden Jahre 1771 ist
er bereits von der Botanik so eingenommen, daß er „Lettres
elementaires sur la botanique a Madame de Lessert" richtet, in
denen er, wie Goethe meint, „diese Wissenschaft auf das faß-
liehste und zierlichste einer Dame verträgt".
In der „Geschichte meines botanischen Studiums" erwähnt
Goethe Rousseau ausdrücklich als einen Vorläufer, der nicht ohne
Bedeutung für ihn gewesen ist. Denn auch in seinen naturwissen-
schaftlichen Schriften nehmen gerade die Beiträge zur Botanik
eine zentrale Stellung ein. Gleich Rousseau folgt er der herr-
schenden Zeittendenz, die Karl von Linne mit seinen „Funda-
menta botanica" im Jahre 1736 eingeleitet hatte, und die in der
zweiten Jahrhunderthälftc die Beschäftigung mit Pflanzen und
Blumen zu einem bevorzugten Vergnügen von Kennern und Lieb-
habern in adeligen und bürgerlichen Kreisen gemacht hatte.
Diese Vorliebe mußte auch ihren Niederschlag in den bildenden
Künsten finden. 1m eben erfundenen Porzellan hatte man einen
idealen Malgrund, der die darauf gemalten Blumen unverändert
frisch und leuchtend erscheinen ließ. Es gibt keine Porzellan-
manufaktur, die nicht ihre Geschirre und Geräte mit Blumen
geschmückt hat. Auch in der Wiener Manufaktur des Claudius
Innocentius Du Paquier (1718-1744) gehören sie zu dem präch-
tigsten und beliebtesten Dekor. Auf den Geschirren der Frühzeit
erscheinen sie, kräftig und schwungvoll gemalt, als sogenannte
„deutsche Blumen" (Abb. 1). Um die Jahrhundertmitte sind sie
dann mehr naturalistisch dargestellt (Abb. 2). In den Sechziger-
jahren sind sie mit leuchtenden Farben flott und virtuos über
die Geschirrflächen verstreut (Abb. 3). Um 1770 wird dann der
Schritt zur völlig naturalistischen Wiedergabe vollzogen. Deut-
lich läßt sich erkennen, dall ein intensives Studium nach der
Natur vorausgegangen ist (Abb. 4).
Im Gleichklang mit der allgemeinen Entwicklung der botani-
schen Wissenschaft und Liebhaberei, der „Blumistik", der Garten-
bauvereinigungen und Gartenbaugesellschaften in den ersten
Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts, gewinnt auch die Blumen-
malerei innerhalb der Wiener Porzellanmanufaktur immer mehr
an Bedeutung. In dem dritten und vierten Jahrzehnt erreicht sie
ihren unbestrittenen Höhepunkt. Wie die Personalverzeichnisse
zeigen, sind zwischen 1795 und 1805 mehr als S0 Blumenmaler
tätig. Diese Zahl erhöht sich in den folgenden Jahren sogar auf
67 Maler, die alle dem Korps der Blumenmaler angehören.
Unter dieser großen Zahl von Malern, die die Erzeugnisse der
Manufaktur mit Blumen schmückten, verdient einer besondere
Beachtung. Es ist dies der Blumenmaler Josef Nigg. Am 23. Ok-
b.
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