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Internationale Sammler-Zeitung
Nr. 7
aus den Archiven stammten, und es wurde auch fest
gestellt, daß er in Berlin einen Safe bei einer Bank
besaß, in dem gleichfalls gestohlene Dokumente ge
funden wurden.
Ein Großteil der entwendeten Papiere stammte aus
dem Wiener Staatsarchiv und auch bei verschiedenen
Sammlern wurden gestohlene Schriftstücke sicherge
stellt. ln dem Banktresor fand man eigenhändig ge
schriebene Briefe der Hohenzollern von Friedrich
dem Großen bis zu Wilhelm II., ferner eine
Krönungsurkunde aus dem elften Jahrhundert,
eine eigenhändige Aufzeichnung der Königin Louise
über ihren Haushalt, Briefschaften und andere Schrift
stücke von Bismarck, ferner eine Kielfeder, mit der
Friedrich der Große geschrieben hat.
Seit mehr als zwei Monaten sind nun die Berliner
und die Wiener Kriminalpolizei damit beschäftigt, so
weit als möglich die entwendeten Unika wieder zur
Stelle zu schaffen. Bei den in Wien durchgeführten
Erhebungen wurde nun festgestellt, daß Dr. Hauck bei
einer dortigen Großbank gleichfalls einen Safe gemietet
hat. Der Schlüssel hiezu war aber nicht zu finden,
weshalb von der Tatsache dem Berliner Polizeiprä
sidium Mitteilung gemacht wurde. Dieses stellte fest,
daß in dem in Berlin beschlagnahmten Safe des Doktor
Hauck ein Schlüssel verwahrt war, der das Banksafe
sperrte. Das Berliner Polizeipräsidium hat nun den
Kriminalkommissär T r e 11 i n mit dem Safeschlüssel
nach Wien entsendet, um die Oeffnung des Safes durch
zuführen. Hier wurde nun in Gegenwart des Polizeirates
Maurer vom Wiener Sicherheitsbureau, des Berliner
Kommissärs Trettin und des Vertreters des Staatsarchivs
Archivars Dr. R e i n ö 1 das Safe kommissioneil geöffnet.
Das Ergebnis war überraschend. Etwa 125 Schrift
stücke, meist Handschriften aus dem sech
zehnten, siebzehnten und achtzehnten
Jahrhundert waren enthalten. Sie sind in der
Ueberzahl von hohem Seltenheitswert. Soweit festgestellt
werden konnte, stammt der Großteil dieser beschlag
nahmten Schriftstücke aus dem Wiener Staatsarchiv.
Dr. Hauck hat das Archiv 1918 in Wien angeblich
zu Studienzwecken benützt. Es ist klar, daß er bei seinen
Studien aus den einzelnen Faszikeln die gestohlenen
Schriftstücke heimlich an sich nahm.
Mitteilungen des Ministerialrates Bittner.
Der Vizedirektor des Wiener Staatsarchivs Ministerial-
rat Bittner machte einem Berichterstatter folgende
Mitteilungen: Die entwendeten Objekte stammen aus
der Zeit vom sechzehnten bis achtzehnten Jahrhundert.
Es handelt sich im wesentlichen um Briefe von Habs
burgern an ausländische Herrscher und umgekehrt,
ferner um Autogramme von Staatsmännern und Prozeß
akten. So viel mir über die bisherigen Ergebnisse der
Untersuchung bekannt ist, hat Hauck, der 1918 bis 1921
im Wiener Archiv gearbeitet hat, seine Diebstähle nicht
ausschließlich aus gewinnsüchtigen Motiven, sondern
zum Teil in einer fetischistischen Veranlagung
begangen, die ihm für einzelne Handschriften eine
krankhafte Leidenschaft einflößte. So galten ihm die
Unterschriften von Eduard VII., Wilhelm von
Oranien und des Fürsten Gortschakow als
heilig und es bereitete ihm ein eigentümliches Glücks
gefühl, sich mit diesen Dokumenten beschäftigen zu
können. Er hat ja auch bei seinem Verhör angegeben,
daß er eine rätselhafte Lust empfand, wenn er die
Stellung einnehmen konnte, in der Friedrich der Große
nach der Ueberlieferung seine Schriftstücke und Akten
zu unterfertigen pflegte.
Allerdings war diese krankhafte Veranlagung bei
Hauck offenbar mit gewinnsüchtigen Motiven kombi
niert, da er ja einen großen Teil der gestohlenen Briefe
und Autogramme verkauft und von dem Erlös gelebt hat.
Der Diebstahl wurde dadurch entdeckt, daß vor
einigen Monaten Briefe Friedrichs des Großen und
Franz Stephans von Lothringen, die sich im Besitze des
Wiener Haus- und Staatsarchivs befunden hatten, im
legalen Handel auftauchten. Das Staatsarchiv in Char
lottenburg setzte sich mit uns in Verbindung und wir
stellten den Abgang dieser Briefe fest. Anfang Dez.
ergab eine Revision der seinerzeit von Hauck benützten
Faszikel, daß eine Reihe von Dokumenten vorwiegend
aus dem achtzehnten Jahrhundert stammend, abgängig
waren. Mehrere dieser Briefe, die zum Teil in einein
Berliner Autographenkatalog angekündigt worden waren,
sind damals bereits verkauft worden, davon einer zum
Beispiel um 200 Goldkronen.
T)er STfiier gesiorßen.
Mit Max Thier, der, 74 Jahre alt, in Berlin'
starb, verliert der internationale Briefmarkenhandel und
die wissenschaftlich betriebene Philatelie ihren besten
und auf der ganzen Welt akkreditierten Kenner. Das,
was etwa Bode für den Kunsthandel und die Kunst
wissenschaft bedeutet, war Thier im internationalen
Postwertzeichenwesen: der unbedingt zuverlässige Ex
perte, dessen Attest der seltenen Briefmarke erst den
Wert der Echtheit verlieh. Die hochnotierte Briefmarke
galt im letzten halben Jahrhundert nicht von vornherein
für echt, sofern sie nicht das Beglaubigungszeichen Thiers
aufzuweisen vermochte. Es war ein mit einem kleinen
Gummistempel auf die Rückseite der Marke aufgeprägtes
„T“ oder „Th", das jedem Sammler unbedingt geläufig
war.
Thiers Kenntnisse auf philatelistischem Gebiete
erstreckten sich nicht wie bei den übrigen Experten
auf ein einzelnes Spezialsammelgebiet, er galt vielmehr
als der größte Sachverständige für Briefmarken aller
Länder und Epochen. Nur auf dem Spezialgebiet früh
italienischer Marken (Toskana, Neapel, Sizilien, Sar
dinien) hatte er in einem Italiener, sowie in dem in
Berlin wirkenden Dr. Munk Rivalen. Trotzdem wurde
er auch für die Marken dieser Gebiete als Experte
vielfach herangezogen. Aus dem ganzen Erdenrund
wurden ihm von Sammlern und Händlern fortlaufend
die kostbarsten Raritäten zur Prüfung anvertraut, und
immer wieder konnte man in den philatelistischen Fach
zeitungen Anzeigen finden, in denen Thier mitteilte, daß
seine Prüfungsanstalt „für die nächsten sechs Wochen“
keine weiteren Aufträge übernehme. So sehr über
schwemmte man Thier mit Prüfungsgesuchen.
Die Feststellung der Echtheit durch Aufdrücken
seines Stempels ließ sich Thier prozentual nach dem
Katalogwert der betreffenden Marke bezahlen. Erwies
sich die ihm vorgelegte Marke unecht, so kostete die
Prüfung nichts. Thier besaß das denkbar größte Material
an echten und gefälschten Briefmarken, um an der Hand
dieses Materials eine einwandfreie Prüfung vornehmen
zu können. Sie erstreckte sich auf Papier, Druck, Farbe,
Wasserzeichen, Zähnung, Stempel und andere Merkmale.
Auf vielen internationalen Kongressen wurde der
sachverständige Rat Thiers herangezogen, ebenso bei
Veranstaltung der großen Briefmarken-Ausstellungen, in
deren Material Thier Spreu von Weizen zu sondern
hatte.