MAK
Seite 52 
Internationale Sammler-Zeitung 
Nr. 7 
aus den Archiven stammten, und es wurde auch fest 
gestellt, daß er in Berlin einen Safe bei einer Bank 
besaß, in dem gleichfalls gestohlene Dokumente ge 
funden wurden. 
Ein Großteil der entwendeten Papiere stammte aus 
dem Wiener Staatsarchiv und auch bei verschiedenen 
Sammlern wurden gestohlene Schriftstücke sicherge 
stellt. ln dem Banktresor fand man eigenhändig ge 
schriebene Briefe der Hohenzollern von Friedrich 
dem Großen bis zu Wilhelm II., ferner eine 
Krönungsurkunde aus dem elften Jahrhundert, 
eine eigenhändige Aufzeichnung der Königin Louise 
über ihren Haushalt, Briefschaften und andere Schrift 
stücke von Bismarck, ferner eine Kielfeder, mit der 
Friedrich der Große geschrieben hat. 
Seit mehr als zwei Monaten sind nun die Berliner 
und die Wiener Kriminalpolizei damit beschäftigt, so 
weit als möglich die entwendeten Unika wieder zur 
Stelle zu schaffen. Bei den in Wien durchgeführten 
Erhebungen wurde nun festgestellt, daß Dr. Hauck bei 
einer dortigen Großbank gleichfalls einen Safe gemietet 
hat. Der Schlüssel hiezu war aber nicht zu finden, 
weshalb von der Tatsache dem Berliner Polizeiprä 
sidium Mitteilung gemacht wurde. Dieses stellte fest, 
daß in dem in Berlin beschlagnahmten Safe des Doktor 
Hauck ein Schlüssel verwahrt war, der das Banksafe 
sperrte. Das Berliner Polizeipräsidium hat nun den 
Kriminalkommissär T r e 11 i n mit dem Safeschlüssel 
nach Wien entsendet, um die Oeffnung des Safes durch 
zuführen. Hier wurde nun in Gegenwart des Polizeirates 
Maurer vom Wiener Sicherheitsbureau, des Berliner 
Kommissärs Trettin und des Vertreters des Staatsarchivs 
Archivars Dr. R e i n ö 1 das Safe kommissioneil geöffnet. 
Das Ergebnis war überraschend. Etwa 125 Schrift 
stücke, meist Handschriften aus dem sech 
zehnten, siebzehnten und achtzehnten 
Jahrhundert waren enthalten. Sie sind in der 
Ueberzahl von hohem Seltenheitswert. Soweit festgestellt 
werden konnte, stammt der Großteil dieser beschlag 
nahmten Schriftstücke aus dem Wiener Staatsarchiv. 
Dr. Hauck hat das Archiv 1918 in Wien angeblich 
zu Studienzwecken benützt. Es ist klar, daß er bei seinen 
Studien aus den einzelnen Faszikeln die gestohlenen 
Schriftstücke heimlich an sich nahm. 
Mitteilungen des Ministerialrates Bittner. 
Der Vizedirektor des Wiener Staatsarchivs Ministerial- 
rat Bittner machte einem Berichterstatter folgende 
Mitteilungen: Die entwendeten Objekte stammen aus 
der Zeit vom sechzehnten bis achtzehnten Jahrhundert. 
Es handelt sich im wesentlichen um Briefe von Habs 
burgern an ausländische Herrscher und umgekehrt, 
ferner um Autogramme von Staatsmännern und Prozeß 
akten. So viel mir über die bisherigen Ergebnisse der 
Untersuchung bekannt ist, hat Hauck, der 1918 bis 1921 
im Wiener Archiv gearbeitet hat, seine Diebstähle nicht 
ausschließlich aus gewinnsüchtigen Motiven, sondern 
zum Teil in einer fetischistischen Veranlagung 
begangen, die ihm für einzelne Handschriften eine 
krankhafte Leidenschaft einflößte. So galten ihm die 
Unterschriften von Eduard VII., Wilhelm von 
Oranien und des Fürsten Gortschakow als 
heilig und es bereitete ihm ein eigentümliches Glücks 
gefühl, sich mit diesen Dokumenten beschäftigen zu 
können. Er hat ja auch bei seinem Verhör angegeben, 
daß er eine rätselhafte Lust empfand, wenn er die 
Stellung einnehmen konnte, in der Friedrich der Große 
nach der Ueberlieferung seine Schriftstücke und Akten 
zu unterfertigen pflegte. 
Allerdings war diese krankhafte Veranlagung bei 
Hauck offenbar mit gewinnsüchtigen Motiven kombi 
niert, da er ja einen großen Teil der gestohlenen Briefe 
und Autogramme verkauft und von dem Erlös gelebt hat. 
Der Diebstahl wurde dadurch entdeckt, daß vor 
einigen Monaten Briefe Friedrichs des Großen und 
Franz Stephans von Lothringen, die sich im Besitze des 
Wiener Haus- und Staatsarchivs befunden hatten, im 
legalen Handel auftauchten. Das Staatsarchiv in Char 
lottenburg setzte sich mit uns in Verbindung und wir 
stellten den Abgang dieser Briefe fest. Anfang Dez. 
ergab eine Revision der seinerzeit von Hauck benützten 
Faszikel, daß eine Reihe von Dokumenten vorwiegend 
aus dem achtzehnten Jahrhundert stammend, abgängig 
waren. Mehrere dieser Briefe, die zum Teil in einein 
Berliner Autographenkatalog angekündigt worden waren, 
sind damals bereits verkauft worden, davon einer zum 
Beispiel um 200 Goldkronen. 
T)er STfiier gesiorßen. 
Mit Max Thier, der, 74 Jahre alt, in Berlin' 
starb, verliert der internationale Briefmarkenhandel und 
die wissenschaftlich betriebene Philatelie ihren besten 
und auf der ganzen Welt akkreditierten Kenner. Das, 
was etwa Bode für den Kunsthandel und die Kunst 
wissenschaft bedeutet, war Thier im internationalen 
Postwertzeichenwesen: der unbedingt zuverlässige Ex 
perte, dessen Attest der seltenen Briefmarke erst den 
Wert der Echtheit verlieh. Die hochnotierte Briefmarke 
galt im letzten halben Jahrhundert nicht von vornherein 
für echt, sofern sie nicht das Beglaubigungszeichen Thiers 
aufzuweisen vermochte. Es war ein mit einem kleinen 
Gummistempel auf die Rückseite der Marke aufgeprägtes 
„T“ oder „Th", das jedem Sammler unbedingt geläufig 
war. 
Thiers Kenntnisse auf philatelistischem Gebiete 
erstreckten sich nicht wie bei den übrigen Experten 
auf ein einzelnes Spezialsammelgebiet, er galt vielmehr 
als der größte Sachverständige für Briefmarken aller 
Länder und Epochen. Nur auf dem Spezialgebiet früh 
italienischer Marken (Toskana, Neapel, Sizilien, Sar 
dinien) hatte er in einem Italiener, sowie in dem in 
Berlin wirkenden Dr. Munk Rivalen. Trotzdem wurde 
er auch für die Marken dieser Gebiete als Experte 
vielfach herangezogen. Aus dem ganzen Erdenrund 
wurden ihm von Sammlern und Händlern fortlaufend 
die kostbarsten Raritäten zur Prüfung anvertraut, und 
immer wieder konnte man in den philatelistischen Fach 
zeitungen Anzeigen finden, in denen Thier mitteilte, daß 
seine Prüfungsanstalt „für die nächsten sechs Wochen“ 
keine weiteren Aufträge übernehme. So sehr über 
schwemmte man Thier mit Prüfungsgesuchen. 
Die Feststellung der Echtheit durch Aufdrücken 
seines Stempels ließ sich Thier prozentual nach dem 
Katalogwert der betreffenden Marke bezahlen. Erwies 
sich die ihm vorgelegte Marke unecht, so kostete die 
Prüfung nichts. Thier besaß das denkbar größte Material 
an echten und gefälschten Briefmarken, um an der Hand 
dieses Materials eine einwandfreie Prüfung vornehmen 
zu können. Sie erstreckte sich auf Papier, Druck, Farbe, 
Wasserzeichen, Zähnung, Stempel und andere Merkmale. 
Auf vielen internationalen Kongressen wurde der 
sachverständige Rat Thiers herangezogen, ebenso bei 
Veranstaltung der großen Briefmarken-Ausstellungen, in 
deren Material Thier Spreu von Weizen zu sondern 
hatte.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.