schiffen der Spittalcr Kirche erscheint, taucht dann noch spät
im Ocuvre Fischers auf, nämlich bei der Karlskirche, und zwar in
der ausgeführten, von der Abbildung der historischen Architek-
tur abweichenden Lösung des Altarraumes; diese wird ja neuer-
dings von Popelkam noch Fischer d. Ä. zugeschrieben.
Ein weiteres österreichisches Bauwerk des 16. Jahrhunderts, das
für die Arbeiten Fischers wichtig wurde, war das Neugebiiude
bei Wien." Dieses 1569 von Maximilian II. begonnene und nie
vollendete Lustschloß vertritt dcn in Mitteleuropa im 16. Jahr-
hundert seltenen Typus der Villa Suburhana. Es war für die Un-
terbringung von Kunstsammlungen, als Jagdhaus und Tier-
zwinger eingerichtet und fand im ausgehenden 17. und Anfang
des 18. Jahrhunderts wiederholte Beachtung. In der vom älteren
Fischer inauguricrten Serie von Darstellungen von Gebäuden
rund um Wien wurde es von Fischer d. und Delsenbach ge-
stochen und Josef I. dachte an eine Restaurierung des Objektes."
Für Fischer wichtig ist daran zunächst die Lage, welche geschickt
einen kleinen Berghang für die Ausführung von Terrasscngär-
tcn ausnütztc, also für jene hängenden, mit Brunnen gczierten
Gärten, die ihn wiederholt beschäftigt haben (siehe etwa die
Rekonstruktion von Babylon oder die Borromäischcn Inseln in
der Historischen Architektur), und die er in dem großen Entwurf
für das kaiserliche Schloß Schönbrunn I in monumentalstar
Form auswertete. Hier am Neugebäude war unmittelbar vor den
Toren Wiens dieser Gedanke schon im 16. Jahrhundert ver-
wirklicht worden. Es gab vielleicht sogar in Wien für solche
Anlagen gewisse Vorbilder, wofür die Nachricht spricht, daß
Matthias Corvinus in der Wiener Burg hängende Gärten, ähnlich
Basilika von Maritizell. Kuppelrnum von Domenico Sciassia 1654.
I" L.l'u])clk11, Studien zur Wiener Knllxkltlthe, Alle irrrrt Neue Kunst, 1955, s. 75.
11 A. llg, Das Nriigrliaiitis llrl Wien. Jb. d. kll. Satllmlungeu d. Allcrh. Kalser-
hnutieit xvi. was, s. iii ii. - n. Rieger, Du: Wiener Neugehäude, Miti. d. IIISK. I.
um". Cetltbichtslursrhtlng ux, 1951, s. 75.
Klosterkirche St. Barbara, Matitern in der Steiermark, von Dome.
nico Sciassia, 1669-1676. Südöstlicher Vierungspfciler.
wohl wie etwa in Visegrad, anlegen ließ." llicr war also der An-
schlufS an eine ältere kaiserliche Tradition möglich, was wohl
für einen historischen Interessen so aufgeschlossenen Künstler
wie Fischer von Erlach sicherlich nicht bedeutungslos war. Neben
den zahlreichen anderen Momenten, die ihn bei der Gestaltung
des Planes Schönbrunn I inspirierten," dürfte also das Neuge-
bäude eine nicht unbeträchtliche Rolle gespielt haben. Dieses
Lustschloß mit seinen offenen Arkaden, Spaziergängen und XVm-
delhallen ist überdies in dem gleichen fvlaßc ein „unrealisti-
sclter" Bau, wie die Fischerschen Entwürfe für Lustgchäude un-
realistisch gedacht sind. Ihre flachen Dächer und offenen Loggizn
standen mit den Gegebenheiten des rauhen Klimas ebcnsowenig
in Einklang wie die luftige Arkatur des Neugrbäudes, das ja
auch bald in Verfall geriet und nur in einem entstcllenden Um-
bau erhalten ist. Zu Fischers Zeiten war jedoch noch die ur-
sprüngliche Anlage zu erkennen und cin Einfluß auf seine
Ideen und Gestaltungen liegt wohl im Bereiche der Wahr-
scheinlichkeit.
Wenn auch Fischer von Erlach dic bedeutendsten Anregungen
aus den Spitzenleistungen des architektonischen Schaffens nahe-
zu aller Völker und Zeiten bezogen hat, so ist doch auch die
künstlerische Umwelt seiner engeren fleimat für ihn nicht ohne
Bedeutung geblieben. Darauf hinzuweisen erscheint nicht un-
wichtig, denn der Umstand ist wesentlich dafür mitverantwort-
lich, daß Fischer in der Entwicklung des österreichischen Barock
nicht isoliert steht, wie es durch die starke Betonung der fremden
Einflüsse fast erscheinen könnte, sondern dall er sie vielmehr in
genialer Weise zu ihrem Höhepunkt führen konnte.
11 srriiiiiiryr, S. 4a.
1' Geschichte der Stadt Wien iv. s. 2x5.
H Etwa ("G Anlage des Belveileres lu Rein. J. s. arkr-rmririn, The Uelvctlerl: a: a
clnsslenl Villa, Jimrriiii o! tlte wiirbtrrg llhtl eutrrtiiuiii Instltutes, XIV, 1951, s. 70.
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