Teilgebieten, insbesondere dort, wo auch das Ausland interes-
siert ist, heute viel schwieriger geworden als früher, wo genü-
gend Material vorhanden war (die alte Monarchie war ein riesi-
ges Reservoir, nicht zuletzt durch die allüberall aus der Erde
gehobenen Münzfunde) und überdies die gesunden Wirtschafts-
verhältnisse und unangetasteten Vermögen die Bildung groß-
artiger und reichhaltiger Sammlungen begünstigten, wie z. B.
die Sammlung des verstorbenen Hauptmannes Karl Hollschek,
von der die beiden ersten Teile 1956 durch das Wiener Doro-
thcum versteigert wurden (die Gesamtzahl der Sammlung wird
auf mehr als 200.000 Stück geschätzt), eine war. Es ist gewiß
noch sammelwürdiges Material vorhanden, wie das die Händler-
kataloge der ganzen Welt beweisen, aber leider nicht in Oster-
reich. Die ausländischen Preise sind aber im allgemeinen für die
heutigen österreichischen Sammler unerschwinglich geworden,
abgesehen von den sonstigen Schwierigkeiten (Zoll, Einfuhr-
bewilligung). Die Aufnahmsfähigkeit des Marktes ist dabei so
günstig wie noch nie, und die Konjunktur dürfte noch weiterhin
andauern, ja sogar noch gesteigert werden. Denn insbesondere
die Vereinigten Staaten haben eine vorbildliche Organisation
ihrer Münzsammler geschaffen, die heute ungefähr 26.000 Mit-
glieder umfaßt, worunter sich aber eine ganz bedeutende Anzahl
lokaler Vereine befindet, die der American Numismatic Associa-
tion korporativ angehören, so daß die Mitgliederzahl also indi-
rekt noch viel höher ist.
Das ist ein erfreulicher Aufstieg, der bedauerlicherweise in
Österreich nicht zu verzeichnen ist, obwohl dessen Numismati-
sche Gesellschaft in wenigen jahren ihr neunzigjähriges jubi-
läum wird feiern können, weil hier der Sammlernachwuchs, die
jungsammler, nahezu gänzlich fehlen, während es in den Staaten
eine ganze Reihe von Jugendorganisationen gibt, die das Sam-
meln ebenso leidenschaftlich wie ernsthaft betreiben.
Die Numismatik oder Münzkunde gilt zwar gemeinhin als Hilfs-
wissenschaft der Geschichte; genauer betrachtet aber ist sie
deren am weitesten gespannte Sparte. Um ein richtiger Nurnis-
matiker, also nicht bloß Sammler zu sein, muß man eine ganze
Menge wissen, um sein Fach, und wäre es nur ein zeitlich und
räumlich begrenztes Gebiet, wirklich zu beherrschen.
Ich gebe zu, daß diese Forderungen unter Umständen den An-
fänger abschrecken könnten. Sie gelten aber nicht für den, der.
nur aus reiner Freude am Sammeln selbst Stück auf Stück in
seinen Münzkasten einlegt. Man braucht dazu für den Anfang
weder große Barmittel noch vertiefte Kenntnisse in den erwähn-
ten historischen Sparteni. Diese Kenntnisse kommen nämlich mit
der Zeit von selbst. Denn auch ein wissenschaftlich arbeitender
Numismatiker fällt ja nicht vom Himmel; selbst" historisch Ge-
schulte müssen sich in die Münzkunde erst gründlich einarbeiten,
gar nicht zu reden von einem „Amateur". Aber die Geschichte
der numismatischen Forschung lehrt, daß oft gerade solche Ama-
teure wissenschaftliche Arbeit von überragender Bedeutung ge-
leistet haben, obwohl sie als_Autodidakten angefangen hatten.
Ich erinnere da an einen der berühmtesten österreichischen For-
scher, den Oberstleutnant Otto Voetter (T 1926, 86jährig, wie
denn die Numismatik überhaupt lebensverlängernd zu sein
scheintl), der nicht nur eine riesige Sammlung zusammenge-
bracht, sondern auch grundlegende Werke über die Münzen der
spätrömischen Kaiserzeit, insbesondere über die Kupferprägung
der Diokletianischen Tetrarchie, verfaßt hat.
Über die Münzkunde als Wissenschaft sei hier vor allem hervor-
gehoben, daß sie in zahllosen Fällen einzig und allein imstande
ist, dort, wo die schriftliche oder bildliche Überlieferung versagt,
empfindliche Lücken auszufüllen. Ohne die griechischen Mün-
zen (die infolge ihrer großartigen, nie wieder erreichten Stil-
blüte ein Kapitel für sich sind) wüßten wir z. B. nicht, wie die
berühmte Statue des Zeus von Phidias ausgesehen hat, von der
wir nur aus der Beschreibung bei Pausanias (dem antiken „Bac-
deker") dürftige Kenntnis haben. Auch die Kuh des Myron ist
nur durch einen Denar des Kaisers Augustus bekannt geworden.
Die Beispiele ließen sich vermehren. Ebenso wie verschollene
Werke der Bildhauer- und der Baukunst zeigen uns die Münzen
durch die Umschriften auch gesicherte Porträts, die Wandlun-
gen der Mode in Kleidung, Haar- und Barttracht, dann die Ge-
brauchsgegenstände der antiken Welt wie der neueren Zeit, vom
Weinkrug bis zu den Opfergeräten, Musikinstrumente, Uhren
und optische Apparate, Verkehrsmittel aller Art, technische An-
lagen, berühmte Bauwerke, so den Apollotempel zu Delphi, von
dem nur mehr die Fundamente, und den des Bacchus zu Baal-
beck, von dem nur mehr, wenn auch prachtvolle, Ruinen er-
halten sind. Dann die großartige Brücke, die Kaiser Trajan im
Kampfe gegen die siebenbürgischen Daker bei Turn-Severin
über die Donau schlagen, aber einer seiner Nachfolger wieder ab-
reißen ließ, um den Dakern den Zugang zum Balkan zu ver-
wehren oder doch zu erschweren. Auch den Circus Maximus in
Rom, das heutige Colosseum, sehen wir auf Münzen in seiner
ganzen Pracht. Ferner zeigen Münzen und noch mehr Medaillen
(Gedenkstücke in Münzform, die jedoch keinen Kurswert haben)
Tiere und Pflanzen (hier das verschwundene Silphium), Städtc-
ansichten, religiöse und andere Handlungen, z. B. den skurrilen
Brauch des jährlichen Umganges der Venusjungfrauen zu Magde-
burg, Waffen aller Art, Belagerungen, Seeschlachtcn usw. Auch
Satire und Astrologie haben sich der numismatischen Erzeugnisse
bemächtigt, wie denn die bildlichen Darstellungen auf Münzen
und Medaillen ein wahres kulturgeschichtliches Kompendium
darstellen. Daß schließlich der Heraldik oder Wappenkunst aller
Zeiten, Länder und Völker hier ein ergiebiges Feld der Dar-
stellung eingeräumt ist, liegt auf der Hand. Viele Wappen konn-
ten erst auf Grund von Münzen gedeutet werden!
Kurz: die Numismatik ist für den, der sich in sie vertiefen will,
eine unerschöpfliche Fundgrube des Wissens. Die Medaille aber
kann man insbesondere in der Barockzeit als ein bis in die unter-
sten Volksschichten hinein verbreitetes metallenes Flugblatt
nennen, durch das die Potentaten die öffentliche Meinung ebenso
zu beeinflussen suchten, wie heutzutage die Presse.
Was schließlich die Medaille anbelangt, so ist sie - besonders
in ihren ältesten Erscheinungsformen - ein eigenes und nicht
das letzte Kapitel der bildenden Kunst. Was zuerst die italieni-
schen Künstler des Quattrocento, an ihrer Spitze der Initiator
der Medaillistik und zugleich ihr nie mehr erreichter Gipfel,
Antonio Pisano, genannt Pisanello, und nach ihnen die deutschen
Künstler der Renaissance bis zur Mitte des 16. jahrhunderts
auf diesem Gebiete geleistet haben, gehört ebenso in den Bereich
der ganz großen Kunst, wie z. B. die Plastiken des Donatello.
Daß auch ein Benvenuto Cellini sich hier mit größtem Erfolg
betätigt hat, zeigt die Wertschätzung, deren sich die Medaille
bei den Künstlern wie beim kunstsinnigen Publikum der Renais-
sance erfreute. Und daß es unter diesem in älteren Zeiten wahre
und echte Kenner gegeben hat, weiß jeder, der sich je mit der
Geschichte der bildenden Künste beschäftigt hat.
Somit sind Münzen und Medaillen ein Sammelobjekt, das zu
allen Zeiten die edelsten Geister in seinen Bann geschlagen hat.
Kaiser Maximilian I., der letzte Ritter, hat sie ebenso gesammelt
wie mehrere seiner Nachfahren, unter ihnen vor allem Franz I.,
der Gemahl Maria Theresias. Und unter den privaten Sammlern,
denen es nicht so wie den Fürsten um die Anlage und Bereiche-
rung ihrer Kunst- und Raritätenkammern und um die Aufbe-
wahrung ihres eigenen Ruhmes in dieser metallenen Kleinkunst
ging, ist an erster Stelle wohl kein Geringerer als Goethe zu
nennen. Er sagte einmal, daß die Betrachtung einer Medaille
gewissermaßen ebenso zu den täglichen Pflichten eines Gebilde-
ten gehöre, wie die Beschäftigung mit Bibel, Homer und Musik.
Zwar hat Goethe in diesem Zusammenhange das Wort „gebil-
det" nicht ausgesprochen, aber es ist gleichsam zwischen den
Zeilen zu lesen. In unserer entgötterten Zeit aber ist die Numis-
matik eines der wenigen, jedermann zugänglichen Gepieäe, wo
diese Bildun ohne Aufwand und Mühe, gleichsam s ie en , und
gleichzeitig init höchstem Genuß erworben werden Pkann.