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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 1

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Bruder Josefs I., wollte den Frieden. Sowohl der Wunsch seines sterbenden Bruders als 
auch die politische Klugheit bewogen ihn, den Szathmärer Frieden, der ohne sein Wissen 
geschlossen wurde, zu bestätigen und aufrecht zu halten. Und damit begann die Periode 
friedlicher Entwicklung, welche die seit 185 Jahren vielfach geprüfte Nation so sehr 
benöthigte. 
In Bezug auf den Umfang unterschied sich das ungarische Reich des Jahres 1711 
kaum von dem heutigen. Was davon noch fehlte, das sogenannte Banat und ein Theil 
Syrmiens, wurden nach einigen Jahren durch die siegreichen Waffen Eugens von Savoyen 
und durch den Friedensschluß von Passarowitz (1718) zurückgewonnen. Aber wie ganz 
anders war alles Übrige gestaltet! Das Land zerfiel in zwei sehr ungleiche Theile. Nicht 
derjenige war der reichere und cultivirtere, welchen die Natur begünstigte, sondern der 
jenige, den die Türken verschont hatten. Siebenbürgen mit den Nebengebieten, das 
stiefmütterlich bedachte Obernngarn am Abhange der Karpathen, die von der Waag, vom 
Bakonyer Wald und vom Plattensee westwärts gelegenen Theile sowie das kleine Kroatien 
am Rande von Steiermark und Kram waren zwar gleichfalls verarmte, ansgesogene, 
erschöpfte Gebiete nach so vielen jahrhundertelangen Leiden, doch waren sie lange nicht in 
dem Grade verheert wie die große ungarische Tiefebene und die östlichen Theile des 
Gebietes jenseits der Donau, sowie zwischen der Save und Drau. Die großen ungarischen 
Städte der Jazygier und Kumanier, des Pester und Csongrader Comitats überdauerten 
zwar die traurige Zeit der Türkenherrschaft, dagegen boten die übrigen Gegenden von 
Debreczin, Waitzen und Erlau südwärts das Bild nahezu gänzlicher Verwüstung. Nur 
hier und da waren einige Überreste der alten magyarischen Bevölkerung zurückgeblieben, 
zu denen sich, wie wir sahen, die Serben und endlich zur Zeit des Karlowitzer Friedens 
an größeren Orten einige kleinere deutsche Colonien gesellten. Wir charakterisircn die 
Lage zur Genüge, wenn wir erwähnen, daß bei Gelegenheit der Landesconscription vom 
Jahre 1715 in Pest nur 188 Häuser gefunden wurden und daß man zur selben Zeit 
das Gesammteinkommen des Kalocsaer Erzbisthums auf 2.500 Gulden schätzte. Das 
arme Land blieb übrigens auch in anderer Beziehung hinter der europäischen Entwicklung 
zurück. Während die ungarische Nation im Laufe des XVI. und XVII. Jahrhunderts um 
ihre Existenz kämpfte, traten große Veränderungen im Westen Europas ein. Unter der 
Einwirkung der Renaissance wurde die neue Staatsidee geboren und in Verbindung mit 
derselben auch die neue Staatsorganisation. In dieser Beziehung ging Frankreich voran, 
wo Colberts Genie seine Aufmerksamkeit bereits bewußt und systematisch auch auf das 
wirthschaftliche Leben ausgedehnt hatte. In ganz Europa war das Mittelalter im Erlöschen 
begriffen oder schon ganz erloschen, in Ungarn aber herrschte es noch vollständig. Aus dem 
Mittelalter sich herauszuwinden, das Land aus constitutionellem Wege dem Rahmen der
	        
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