UNSERE AUSSTELLUNGSBERICHTE:
DAS OSVFERREICH-"FEAM
FÜR SAO PAULO
Die Meinungen darüber, wozu eigentlich Biennalen und andere unt-
fassendc internationale Ausstellungen der Kunst von heute da sind,
gehen anSChCinend leider auseinander und das nicht nur in Österreit
Gerade für Österreich aber ist diese Frage von weittragendcr Bedeu-
tung, da Österreich so ziemlich am Rande des europäischen Kunstge-
sehehens liegt. Es hat infolgedessen das denkbar größte Interesse
daran, die besagte Randlage und deren ung stige Folgen für die öster-
reichische Kunst der Gegenwart so weit wic möglich auszuschalten oder
doch wettzumachen. Daß hierzu die Beteiligung an internationalen
Ausstellungen und Biennalen ein wichtiges Mittel liefert, muß wohl
kaum erst noch bewiesen werden.
Wenn sie aber ein solches Mittel sind, so ist es wohl ein Unterschied,
ob man sie nach kunsthistorischen oder nach aktuellen Gesichtspunkten
in lir iigung zieht und die Beteiligung entsprechend abstimmt. Den
kunsthistorischen Gesichtspunkten entspr" ht eine „Team"-Zusammcn-
stcllung, die entweder über inneröster ichischc oder auch über grö-
fierriiumige Entwicklungsabläufc Aufschlufl gibt. Stimmen aber der-
artige Aufschlüsse mit dem Geist und Charakter der betreffenden
Veranstaltungen überein?
Eine Reihe von Biennalen in Venedig stellten sich unter ein gewisses
Motto, und selbstverständlich richteten sich die Liinderauswahlen nach
diesem Motto, wenn sie etwas dazu zu sagen hatten. Auch zeigte jede
venezianische Biennale seit 1948 eine bestimmte wichtige Epoche der
Moderne scit 1905 oder auch schon seit dem lmpressionismus in
einer geschlossenen Schau, wodurch dem Besucher gewisse historische
Zusammenhänge teils neu erschlossen, teils ins Gedächtnis gerufen
wurden. Kein Mensch aber wird deshalb schon behaupten wollen, daß
die betreffenden Biennalen etwa kunsthistorische Veranstaltungen ger
wesen seien, sondern jedem ist es klar, daß sie in der Hauptsache
aktuelle Übersichten über Ausschnitte aus dem gegenwärtigen bildneri-
schen Schaffen in den einzelnen Ländern und damit eben über dieses
Schaffen Auskunft geben wollen. Das ist ihr wesentlicher Sinn und
Zweck, und hier liegt auch der Angelpunkt des Interesses gerade derer,
die über die Zusammenhänge der Kunstcntwieklung in den letzten
50 jahren einigermaßen orientiert sind.
Aus diesem Grunde kommt es gerade einem Lande wie Österreich mit
seiner eingangs erwähnten Randlage zu, sich bei solchen Gelegenheiten
so aktuell, so gegenwartsnah wie möglich zu präsentieren und bewullt
den gesamten zur Verfügung stehenden Platz entsprechend auszu-
nützen. Das mag für kunst- und kulturhistorisch geeichte und ver-
wöhnte Auffassungen brutal, ordinar und oberflächlich klingen, aber
erstens ist aktuell kein Pseudonym für qualitfitslos und umgekehrt,
und zweitens kommt es in diesem Falle nicht auf Kunst- und Kunst-
historie, ihre Möglichkeiten und Verdienste, sondern auf den Charakter
der Veranstaltung an, an denen sich zu beteiligen man die Absicht hat.
Diese aber haben offenkundig mehr mit „Mustermessen" als mit
Muscalkongressen zu tun, was man vielleicht bedauern, aber nicht
ändern kann, sondern das denkbar Beste für die lebende Kunst des
eigenen Landes herauszuholen hat.
Von diesem Gesichtspunkt ging die diesjahrige Auswahl für die fünfte
Kunst-Biennale in Brasilien, in Sao Paulo 1959 aus. Es galt, einige
attraktive oder, falls das Wort zu sehr an Aufmachung denken lassen
sollte, einige besonders starke und eben hierdurch Aufmerksamkeit
heischende Akzente zu setzen und sie der Qualität nach gut, aber zu-
gleich auch sozusagen entlastend und entspannend zu umrahmen, zu
ergänzen, weil auf diese Weise beide Gruppen zur denkbar besten
Wirkung kommen.
Drei Gobelins bilden gewissermaßen den Auftakt. Es handelt sich zu-
nächst einmal um den sogenannten „Teppich des Lebens" von Herbert
Boeckl, der hier bereits ausführlich besprochen wurde und infolge-
dessen als bekannt vorausgesetzt werden darf. Er ist für den Vorraum
zur Bundespräsidentenlnge in der Stadthalle bestimmt und stellt mit
seinen 2,60m Höhe und 1210m Länge, sowohl dem geistigen Gehalt
als auch der Formgestaltung, der fitrbigen Modulierung und der Webart
nach ein bedeutendes Werk dar. Zwei weitere Gohelins stammen von
Maria Biljan-Perz. Der eine aus dem B der Zentralsparkasse der
Gemeinde Wien ist eine bildneriseh reizvolle und fast kindlich-ein-
fache, hauptsächlich auf Grau gestellte und farbig akzentuierte Dar-
stellung zum Thema „Altes und neues Wien". Ein zweiter dunkel und
geradezu glasfensterartig gestimmter Teppich zum Thema „Technik",
der der Firma Gebr. Böhler S: Co., A. (3., Wien, gehört, wird gleich-
sam durch das schwarze Gestänge technischer Anlagen und Förder-
bahnen strukturiert. Beide Teppiche pritgen sich nicht zuletzt durch
ihren ebenso persönlichen wie gediegenen Erfindungsreichtum ein.
Für die Malerei zeugt in erster Linie eine Kollektion von rund zehn
Bildern Fritz Hundertwassers aus den Jahren 1956-59. Es sind Bil-
der, die die glossenartigen Repliken zur Zeitgeschichte wie auch die
skurrilen Figurationen Hundertwitssers aus seiner „Strohkoffetß-Zeit
und zum Teil auch schon die spiraligc Labyrinthik in seiner Bildge-
Staltungsweise hinter sich gelassen haben, sich also öffnen und Flä-
Rudolf lloflchncr, .,Figur 3". Eisen, massiv. 1956.
llöhe 2m.
chen oder, wenn man es mehr vom Wesentlichen her sagen will, breit
angelegte Zonen und Bereiche sichtbar machen, in denen oft sonder-
bare farbige und manchmal auch nur poetische Weltvorstellungs-
tluume hausen. An der nicht selten jtiwclcnbztften Behandlung der
Farbe und einer gewissen Ornamentik spürt man noch immer die
allerdings völlig frei und selbständig gewordene „l-lerkunft" von
Klimt heraus. Es ist ein gutes Stück Orient in diesen Bildern. Ihr
llauptrei. besteht jedoch in der auf ihnen zutage tretenden Harmonie
zwischen einer völlig problemlosen und eigenwilligen Unbekümmert-
heit sowohl in der Themenfindung als auch in der Gestallgebarung
auf der einen und einem durchaus differenzierten Farb- und Form-
geschmack auf der anderen Seite.
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