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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 3)

de concentration" (Mathieu) - ist, der hier wirkt, wird diese Räumlichkeit illusionär. 
Daher stammt auch die naturalistische Wirkung der tachistischen Bilder, deren Funktion 
nur darin besteht, die sogenannte „persönliche Handschrift" ad absurdum zu führen. 
Kann also bei der gegenstandslosen Malerei nicht von einer Raumgestaltung und schon 
gar nicht von „neuen Räumen" gesprochen werden, so ist nun zu fragen, ob und wo in 
der Malerei des 20. Jahrhunderts angedeutete oder durchgeformte neue Raumvorstellun- 
gen auftreten. Nach den vorher entwickelten Gesetzlichkeiten ist die Antwort leicht zu 
erteilen. Lediglich der Kubismus und seine Weiterentwicklung hat konsequent eine neue 
Raumvorstellung geschaffen und zur Darstellung gebracht. In der Deformation der Natur- 
form, die bei ihm nicht willkürlich ist, sondern einem Anschauungsgesetz entspricht, wird 
versucht. die Komplexität der Zusammenhänge eines Gegenstandes mit dem Raum zur 
künstlerischen Anschauung zu bringen. Die Totnlität seiner räumlichen Erstreckung soll 
verdeutlicht werden. Dabei müssen in der Darstellung eines Objektes die Raumebenen 
bruchlos ineinander übergehen und selbst wieder geschlossene Form werden. Der Tiefen- 
raum des Bildes selbst muß in einen logischen Zusammenhang, zu einer neuen Formu- 
lierung gebracht werden, die weder perspektivisch noch aperspektivisch ist, sondern die 
Vielfalt der Tiefenebenen auf der Fläche anschaulich realisiert. Der Multiplanperspektive, 
die bei dem abgebildeten juan Gris-Bild aus dem Jahre 1918 sehr rein in Erscheinung 
tritt, entspricht im Formalen das Streben nach einem möglichst totalen Erfassen und 
Darstellen der Wirklichkeit und im psychischen Bereich die Hereinnahme der Erfahrung, 
der Erkenntnis, als Form der zeitlichen Dimension, die damit konkrete Anschaulichkeit 
gewinnt. Aus dem dreidimensionalen Raum der klassischen Malerei ist bei Wahrung 
der klassischen Formanschauung, der geheimen Geometrie, des Maßes und der Plastizität, 
ein wirklich neuer Raum entstanden, der die bisherigen Raumvorstellungen als Sonder- 
formen in sich birgt und sie gewissermaßen üherwölbt. Die Raumvorstellung des Kubis- 
mus ist die einzige neue Raumvorstellung, die die Malerei des Zfljahrhunderts aufzu- 
weisen hat, auch die einzig ausbau- und erwciterungsfiihige in dem Sinne, daß hier noch 
eine verfeinerte Gestaltung einsetzen kann. Alle anderen Formen der Malerei dieses 
Jahrhunderts arbeiten entweder mit dem traditionellen dreidimensionalen Tiefenraum, 
einem reduzierten historischen Raumschema (Beckmann, Chagall, Matissc) oder sich 
willkürlich ergebenden aperspektivischen Bruchstücken dieser beiden Komponenten, ohne 
bewußlc Gestaltung. 
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