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in Österreich
ANNA CORETH
Innerhalb des Reichtums katholischer Frömmigkeitsfor-
men gibt es solche, die bestimmten Epochen, aber auch
bestimmten Nationen und Gebieten eigen sind. Man kann
von religiösen Kulturkreisen sprechen, die darauf zu-
rückzuführen sind, daß Menschengruppen und ganze
Völker sich besonderen religiösen Impulsen gegenüber
aufgeschlossen haben. Ganz gewiß ist die Zeit des Barock
für Österreich eine Epoche, die eminent empfänglich für
religiöse Anregungen und deren Ausdrucksformen war,
und dadurch einen Iirömmigkeitsstil geschaffen hat, der
noch heute spürbar ist.
Diese Frömmigkeit wurde nicht zuletzt vom Herrscher-
haus, das sich seiner religiösen Mission im Rahmen der
katholischen Kirche sehr bewußt war, getragen und er-
hielt durch dieses spezielle Akzente. Es gab damals eine
für die Mitglieder der Casa de Austria verpflichtende
Haltung, die als „Pietas Austriaca" bezeichnet wurde.
Sie besagt zunächst, daß die Religiosität an sich die erste
und wichtigste der Herrschertugenden sei. In jenem
kleinen Schriftchen, das unter dem Titel „Princeps in
compendio" für den jungen Ferdinand III. verfaßt wor-
den ist und später noch „diejenige Richtschnur" war,
nach der „alle österreichischen Prinzen in der Regie-
rungskunst unterwiesen" wurden, ist diese Haltung um-
rissen. Der Fürst ist Gott verpflichtet, bekommt von ihm
seine Macht und dient ihm als dem König der Könige.
Diese Gesinnung beherrscht auch die unter Leopold I.
errichtete Pestsäule am Graben in Wien: der Kaiser liegt
vor der heiligsten Dreifaltigkeit auf den Knien und opfert
ihr im Symbol der Krone seine Reiche auf. Durch sein
Gebet, durch den „sieghaften Glauben" wird
die Pest gestürzt.
Über diese grundlegende Einstellung des christlichen
Monarchen hinaus waren es vor allem drei Glaubens-
geheimnisse, die für die Mitglieder des Hauses Habsburg
in besonderer Weise verpflichtend waren: die Verehrung
des Altarsakramentes, des heiligen Kreuzes und der jung-
frau Maria, insbesondere unter dem Symbol der Unbe-
fleckten Empfängnis.
Zur Zeit der Gegenreformation, da die katholische
Kirche ein verstärktes Gewicht auf die Anbetung der in
der E u c h a r i s t i e verborgenen Gegenwart Christi
legte, die von den Reformatoren geleugnet worden war,
ging darin das Herrscherhaus bald allen voran. Man
wurde sich jener in mittelalterlichen Chroniken über-
lieferten Erzählung wieder bewußt, wonach Rudolf von
Habsburg angesichts eines Priesters, der auf einem Ver-
sehgang das Allcrhciligstc trug, von seinem Pferde ge-
stiegen sei und dieses dem Priester überlassen habe. War
schon im Mittelalter diese Tat des Glaubens mit der
darauf folgenden Königswahl Rudolfs in Zusammenhang
gebracht worden, so wurde späterhin die Verehrung des
1
Sakramentes als Bedingung für die Weltherrschaft des
Hauses angesehen. Von früher Kindheit an, so heißt es in
barocken Ruhmestverken, wiire das Haus Habsburg durch
die kräftigende XVirkung des göttlichen Brotes für die
hohe Sendung als Stütze der Kirehe befähigt worden.
Tatsächlich wurde das Beispiel Rudolfs, des königlichen
Stammvaters, in ganz konkreter Weise nachgeahmt. Lis
wurde im llattse Sitte, einen Priester, der einem Kranken
die XVegzehrung hraeltte, zu begleiten. So heißt es von
Ferdinand 11., wenn er dem Venerabilc begegnete, „fol-
gete er allezeit nach dem löblichen Exempel Rudulplti
des Ersten. Alsbald sprangc er mit lihrerbiettung aus
dem YVagen, boge sein Knye auf kothiget" Erden, bettet
an seinen Haylandt" und begleitete den Priester zum
Kranken. Es wurde auch der Kranke, wenn er aus niedri-
gem Stande oder notleidend war, fürstlich beschenkt.
Yon Karl U. von Spanien wird berichtet, daß er im
jahre 1685 vor dem Stadttor von Madrid einem Priester
mit dem Sakrament luegegnete, diesem seine Karosse an-
hot, und selbst nebenher ging, die Pferde lenkend, eine
Szene, die auf einem Stich von R. van llooghe festge-
halten wurde. lis liellen sich zahlreiche ähnliche Bei-
spiele aniühren, bis selbst zum jungen Kaiser liranz
Joseph, der 1852 auli einer Prateritthrt mitten unter der
Menge einen Priester mit dem (Iiborium sah, aus dem
Wagen ausstieg und sein Knie beugte.
(Üleichzeitig, als die prächtigen Fronleiehnamsprozesr-
sionen gleichsam als katholische Protestkundgebungen
zugunsten des eueharistisehen Glaubens Wieder in I" bung
kamen, wurde es für die Mitglieder des Kaiserhauses
Pflicht, diesen Triumphzug zu begleiten. Hiebei wurde
auf höchste persönliche Schlichtheit Wert gelegt. Sie