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theilweise auch im 2ivot Xrista ?aua (Das Leben Jesu Christi), einer Bearbeitung der
ülackitaliones vitaa Ollristi des heiligen Bonaventura, die zur Zeit Karls IV. verfaßt
wurde und in sprachlicher Hinsicht wie auch der Art der Erzählung nach zu den Zierden
altböhmischer Literatur gehört. Die eigentlichen Legenden wurden in der zweiten Hälfte des
XIV. Jahrhunderts in zwei Sammelwerken vereinigt, »knZsioiral« und „^ivotovä
n roei 8V. Otcüv 6F^pt8Ü;>oir« (Leben und Reden der heil, egyptischen Väter).
Das erste ist eine freie Bearbeitung der »llsFsncka nrirea" des Dominicaners Jakobus
de Voragine, wobei die Nachrichten über die heiligen einheimischen Patrone hinzugefügt
wurden; die Grundlage des zweiten bildeten die „Vitaa pntrnm" des heiligen Hieronymus.
Die wissenschaftliche Prosa hatte in der lateinischen Sprache, welche damals
in Kirche, Schule und Wissenschaft ebenso herrschte wie in den Acten der politischen
Verwaltung und des öffentlichen Lebens, eine mächtige Gegnerin; es war freilich nicht
leicht, ihre Positionen zu erobern. Ein wichtiger Fortschritt geschah erst unter Karl IV.
durch die Gründung der Prager Universität. Diese hatte zwar einen internationalen
Charakter und vertheidigte das Privilegium der lateinischen Sprache in der Wissenschaft
mit zünftiger Eifersucht, dennoch bot sie die unschätzbare Gelegenheit zur Vertiefung und
zum Austausch der Kenntnisse, was auf das einheimische Schriftthum nicht ohne Einfluß
blieb. Daneben wirkte überaus wohlthätig die Gunst des erlauchten Herrschers, der nicht
blos die böhmische Sprache vollkommen beherrschte, sondern auch zur literarischen Thätig-
keit eifrig aufmnnterte.
Namentlich war es derthealogische Wissenszweig, der nach mannigfaltigen früheren
Versuchen und Vorbereitungen (wie z. B. Gebete, Psalter, Evangelien und überhaupt
Übersetzungen von biblischen Büchern) damals zu voller Blüte gelangte. Es stimmt dies
vollkommen überein mit den Anforderungen der damaligen Richtung der Kultur, deren
wichtigster, ja vielfach einziger Repräsentant eben der geistliche Stand war. Directen Anlaß
dazu boten die Bestrebungen religiöser Eiferer, die sich in der zweiten Hälfte des XIV. Jahr
hunderts mit elementarer Leidenschaft theils gegen den allgemeinen sittlichen Verfall, theils
gegen den entarteten geistlichen Stand erhoben. Berühmte Prediger, wie Konrad Wald-
hanser, ein Deutscher, den im Jahre 1358 Karl IV. aus Österreich nach Prag berief, und
sein Zeitgenosse Johann Milic aus Kremsier, ein Mährer, der, um das Wort Gottes frei
predigen zu können, der Würde eines Erzdiacons bei der St. Veits-Kirche entsagte, riefen
in allen Schichten der Bevölkerung eine bis dahin nicht gesehene Begeisterung hervor und
erweckten eine flammende Sehnsucht nach Sittenreinheit und Wahrheit. Auf literarischem
Gebiete erlangten sie freilich nicht jenen Erfolg, dessen sie sich als Prediger rühmen
durften; in dieser Hinsicht zeichneten sich erst ihre Anhänger und Nachfolger M. Mathias
von Janov (gestorben 1394) und Thomas von Stitnö (von 1331 bis 1402) aus.