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Volltext: Alte und Moderne Kunst V (1960 / Heft 5)

LORENZO MATTIELLI 
und die Plastik 
der Zeit Prandtauers 
Zur Zeit Prandtauers, rund das volle erste Viertel des 
18. Jahrhunderts, gibt es in Wien unter vielen anderen 
drei Namen für die Plastik: den 1663 in Venedig ge- 
borenen Giovanni Giuliani, also einen Generationsge- 
nossen Prandtauers, der am Beginn der neunziger Jahre 
nach Wien kam, den in der „Venediger Mark", in Vi- 
eenza 1688 geborenen Lorenzo Mattielli, dessen erstes 
Zeugnis für den Aufenthalt in Wien von 1712 stammt 
(dem Jahr der Vollendung des letzten Werkes der beiden 
Strudel: der Altar mit den Klagefiguren in der Kapu- 
zinerkirche) und den größten Namen der österreichi- 
schen Barock-Plastik überhaupt, Raphael Donner, den 
Schüler Giulianis (1693 im Marchield geboren), der im 
Tbdesjaht- Prandtauers sein erstes bedeutendes Werk, 
den Paris des Mirabell-Stiegenhauscs vollendet (Abb. 9). 
Mattielli ist ihm später beim Wettbewerb um den Markt- 
hrunnen unterlegen, eine Niederlage, die ihn bewog nach 
Dresden zu gehen. Für die Zeit bis 1726, die zugleich 
Mattiellis iruehtbarste war - als Hauptwerke entstehen 
die sechs Raptus-Gruppen, Vasen und nicht mehr er- 
haltenen Fontänen des Schwarzenberggartens, die Engel- 
Reihe um den Karlskirchen-Tambour und die Michael- 
Gruppe der Michaelerkirche- steht er im Zentrum der 
Betrachtung. 
Nach dem Frühwerk, den Putten in Hirsehstetten, erhält 
 
er den ersten größeren Auftrag für das Stiegenhaus in 
Melk: Constantia und Fortitudo, flankiert von den Ni- 
schenfiguren, jugendlicher Genius (Fama, Ruhm) und 
bekränzter Greis (Merito, Verdienst), ferner die „knäbl 
mit Adlern", wie sie in den Rechnungen genannt wer- 
den, an den Rampenpfeilern der Treppenabsätze (Abb. 5). 
Dieses Putten-Thema war Mattielli wie auch Giuliani 
(in den Liechtenstein-Palästen) besser als Donner gele- 
gen. Der Genius (Abb. 8), dessen Kopf nicht die von 
Santino Bussi zu schwer gestaltete Nischenkuppel er- 
reicht, wirkt etwas befangen. Die Faltenbildung des 
wehend geschürzten Gewandes war schon in der derben 
Arbeit des Koloman (Tor-Einfahrt) gegeben. Etwas wie 
von Fahnen Verhängtcs, Loses bleibt charakteristisch. 
Die Figur ist in ihrer leisen Verträumtheit, dem tänze- 
risch Weichen und Zarten sicher den besten Anlagen 
Mattiellis entsprungen und wird als Typus im späteren 
Oeuvre fortentwickelt. Im Apollo der ersten Gruppe des 
Schwarzenberggartens ist er gereifter sofort zu erkennen 
(Abb. 3). Die Bewegung ist schwingend geworden. Der 
Rhythmus der Glieder Apollos und Daphnes ist Raum- 
fangend, aus dessen dämmernder Tiefe er mit besonderer 
Zartheit, nahezu schwebend, wächst. Die letzte Entfal- 
tung zeigt der Typus dann im Michael (Abb. 6) über dem 
Vorbau der Wiener Michaelerkirche. 
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