MACHT - Äsiheiischer Belon
WILHELM MRAZEK
Obwohl der Beton bereits den alten Kulturvölkern bekannt war, geriet sein Herstellungs-
verfahren im Mittelalter völlig in Vergessenheit. Bauherren und Baumeister bevorzugten
die Jahrhunderte hindurch die Baustoffe natürlichen Ursprungs, vor allem bei den reprä-
sentativen Bauwerken der sakralen und profanen Architektur. S0 stammen z. B. die
Steine des Domes zu St. Stephan in Wien alle aus den vielen Steinbrüchen südlich und
nördlich der Stadt, ja, als diese nicht mehr ergiebig genug waren, wurde das Baumaterial
selbst noch aus den Orten des ungarischen Grenzgebietes bezogen.
Zu Ende des 18. Jahrhunderts proklamiertcn die französischen Revolutionsarchitekten
eine neue Auffassung vom Wesen der Baukunst. Diese ersten Ansätze einer neuen Archi-
tektur wurden dann im 19. Jahrhundert in mehreren Anläufen weitergetriehen und
haben schließlich mit der autonomen Architektur des 20. Jahrhunderts ihr vorläufiges
Zicl erreicht. Hand in Hand damit wurden auch neue Baumaterialien eingeführt und
bevorzugt, so die Werkstoffe Eisen und Glas, die in den Glashäusern der englischen
Parkanlagen und in den Kristallpalästen der Weltausstellungen ihre erste Verwendung
fanden. Als dann aber mit dem Jahre 1870 nach mehreren Vorstufen der Eisenbeton
erfunden wurde, war für die Ideen einer „reinen" Architektur endlich auch jenes adäquate
Material gefunden, in dem sie sich vollauf verwirklichen ließen. Doch erst dem 20. Jahr-
hundert war es vorbehaltcn, alle Eigenschaften des künstlichen Baustoffes Beton zu
erschließen und in einem interessanten Phasenablauf der Architektur dienstbar zu machen.
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