Stellt man nun einmal die Klosterneuburger Madonna
f die das Kind links tragt f spiegelverkehrt neben
die Madonna Colli, so stellt man überrascht fest,
daß der Faltenaufbau im Grundsätzlichen große
Ähnlichkeit aufweist, wenn auch die Zahl der
Schüsselfalten größer, die Ausarbeitung im einzelnen
unendlich viel feiner ist. Trotzdem gehen viele
Übereinstimmungen der Anlage bis in die Details;
ein Beispiel für viele sei der schleifenartige Auslauf
der Schleppfalte „rechts" unten. Die Quellen für
diesen Faltenaufbau liegen noch weiter zurück;
es ist auf die Figuren der Wehinger Kapelle in
Klosterneuburg (um 1397) zu verweisen, was hier
aber nicht näher ausgeführt werden kann.
Zwei mögliche Schlüsse lassen sich aus den genannten
Beobachtungen ziehen. Entweder: bereits gegen
oder um 1400 sind Faltensysteme in der Kloster-
neuburger Art im Kunstkreis der Schönen Madon-
nen möglich; denkbar ist ein verlorenes Werk von
ähnlicher Qualität wie die Pilsener Madonna, im
Aufbau des T ypus Louvre-Colli und vom Reich-
tum der Pilsener bzw. Klosterneuburger Madonna.
Die Louvre- und die Colli-Madonna sowie die
hl. Margaretha in Vigaun wären dann Reduktionen
dieses verlorenen Werkes. Oder aber: die älteste
dieser drei Figuren stellt eine Reduktion des Pil-
sen:r Typus dar, der jedoch nach dem Kloster-
neuburger Typus hin abgewandelt wurde. Die
Gruppe Louvre-Colli belegte dann Wiener Einfluß
auf eine Salzburger Werkstätte 7 eine Annahme,
die viel für sich hat.
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Dieser Versuch, die Entstehung des Types Louvre-
Colli der Schönen Madonnen zu erklären, befindet
sich allerdings im Widerspruch zu der Zuweisung
und Datierung beider Madonnen durch Springerl-l).
Er schreibt beide Werke dem Meister der Madonna
von (iroßgmain zu, datiert die Madonna Colli
kurz vor 1400 und die Louvre-Madonna gegen
1415. (Kieslinger hingegen datiert die Madonna
Colli auf ca. 1415 14).) Die Zuweisung an den Meister
der Großgmainerin ist aus Qualitätsgriinden völlig
unhaltbar; sie mag hier übergangen werden. Aber
auch die frühe Datierung der Madonna Colli Endet
in unseren bisherigen Überlegungen keine Stütze.
Die mehrfach gekennzeichnete Umwandlung räum-
licher Motive in Hächenhafte Bezüge spricht nicht nur
für eine Posteriorität der Madonna Colli und der
Louvre-Madonna, sondern auch für deren nicht
allzu frühe Entstehung an sich. Vor dem zweiten
Jahrzehnt des 15. jahrhunderts möchte ich alle diese
Figuren nicht einreihen, sondern als ungefähren
Entstehungszeitraum etwa das jahrfünft von 1415
bis 1420 vorschlagen. Dabei scheint mir ein Qualitäts-
vergleich innerhalb der Gruppe zugunsten der
Louvre-Madonna auszufallen; manche Argumente
hierfür waren schon genannt, hinzu kommen der
lebendigere Ausdruck des Gesichtes, die lebhafte,
besser durchgeformte Gestaltung des Kindes.
Nimmt man die Kopfweh-Variation bei der Madonna
Colli als bewußten Versuch, eine genaue Kopie
des schon einmal vorhandenen Typus zu vermei-
den, so erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, daß die
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