Am 14. April 1751 wurde im Stift Seitenstetten, zu
dem die Sonntagberger Kirche auch heute noch
gehört, der „HauptcontracW zwischen dem Bau-
herrn, Abt Dominicus Gußmann, und dem „kunste
reichen Herrn Melchior Häferle (Hefele),
nehmen Architektisten in Wien, wegen des Gnaden
Hochaltar am Sonntagberg beschlossen" l). Als
Vertragsunterlage diente, wie das in solchen Fällen
üblich war, ein VOm Architekten ausgeführtes
Modell (Abb. 6). Dieses höchst reizvolle Werk der
Kleinplastik ist bis heute erhalten geblieben und
beiindet sich in den Kunstsammlungen des Stiftes
Seitenstetten. Melchior Hefele (i716?98) betonte
in einem späteren Zusammenhang mit nicht geringem
Stolz, daß er „nicht allein der Verfertiger dieses
Modell, sondern auch der einzige Erfinder dieses
kunstreichen Werkh" sei.
Bauherr und Architekt waren sich der Bedeutung
ihres Vorhabens wohl bewußt, sollte doch der
Altar den würdigen Rahmen für das (inadenbild
der Hl. Dreifaltigkeit bilden, dem in jener Epoche
hohe Verehrung entgegengebracht wurde. Das Volk
nahm zu ihm besonders in Türkengefahr und Pest,
den beiden größten Nöten der damaligen Zeit,
seine Zuflucht, errichtete ihm zahllose Gedenk-
säulen in Stadt und Land und veranstaltete große
Wallfahrten auf den Sonntagberg, deren Stand
bereits an den von Mariazell heranreichte. Nach
dem Entwurf des Architekten sollten die Gläubigen,
am Ziele ihrer Andacht angelangt, zu einem
mächtigen, goldüberglänzten Marmortempel empor?
blicken, dessen Pracht und künstlerische Aus-
stattung wohl den Vergleich mit den schönsten
VOI-
Altarschöpfungen des Landes aufzunehmen, ja sie,
wenn möglich, zu übertreffen vermochte. Also
wurde im Vertrag in Aussicht genommen, die
Plastiken und sämtliche Ornamente in Blei-Zinn mit
„gelösten Beysatz" zu gießen und zu vergolden.
Mit diesem Vorhaben wurde nun tatsächlich der
Altar von Sonntagberg, was das für den plastischen
Schmuck vorgesehene Material betraf, über die
anderen Altarwerke des Landes herausgehoben, bei
denen die Plastiken und Dekorationen entweder in
Holz oder in Stein ausgeführt worden waren, und
in eine Reihe mit den berühmten Meisterwerken
Raphael Donners in den Domkirchen von Preß-
burg (1733v35) und Gurk (l740!41) gestellt.
Die Kosten, die der Architekt für dieses große
Werk veranschlagte, waren allerdings dement-
sprechend hoch: „in Summa 22.560 H." Vorsichtse
halber wurde darum dem Vertrag ein Alternativ-
vorsehlag hinzugefügt, wonach, falls man zu dem
Beschluß käme, die Hguralen Plastiken nicht in
Metall, sondern in Holz auszuführen, die Gesamt-
kosten nur 16.960 fl. betragen sollten.
Dabei berücksichtigte dieser Vertrag noch mit
keinem Wort die umfangreichen Marmor- und
Silberarbeiten für den Tabernakelaufbau (Abb. 5)
und das Gnadenbild (Abb. 1): die beiden Seraphim,
die zwei großen Engel, die das Gnadenbild tragen
sollten, das Tabernakel selbst, den Rahmen und den
Strahlenkranz um das .Gnadenbild - wie sie
Hefeles Modell vnrsah. Darüber wurden erst 1756
separate Verträge abgeschlossen.
Nun wäre also anzunehmen gewesen, daß man sich
sogleich an die Arbeit gemacht hätte. Anstatt dessen