zeigt. Der Florentiner Maler war 1260 als Kriegsgefangener nach Siena
gekommen, wo er einige Jahre arbeitete. Zu nennen ist vor allem die
(durch spätere Übermalung veränderte) sogenannte „Madonna del
Bordone" in der Kirche S. Maria dei Servi in Siena. Dieses Bild soll
eine (nicht mehr erhaltene) Signatur „MCCLXI Copus de Florentia me
pinxit" getragen haben (Coletti). Eine zweite ähnliche Arbeit Coppos
ist die thronende Madonna in der Servikirche zu ()rvieto, wobei die
eigentliche Figur und das Kind der vorigen fast spiegelbildlich gleich
sind. Die beiden Kronen auf diesen Bildern (übrigens nach Felicetti-
Liebenfels, S. 60, später aufgemalt) sind eindeutig das Vorbild der
Krone am Oberrande unserer Ätzung; dazu kommt noch, daß bei der
Madonna von Siena die Krone trotz des geneigten Hauptes vollkommen
waagrecht liegt (bei jener von Orvieto ist sie geneigt). Die Falten-
streifen wiederum erinnern stark an die von der Rückenlehne des
Thrones der Madonna von Orvieto.
Daß unser Bild nicht einfach eine Kopie der beiden genannten Ver-
gleichsbilder ist, geht ja schon daraus hervor, daß die Jungfrau kein
Kind hält. Der Verfertiger muß aber doch solche Vorbilder vor Augen
gehabt haben und hat seine Darstellung, sei es von einem ähnlichen,
nicht mehr erhaltenen genommen, sei es aus mehreren kombiniert
und dabei wohl auch Einzelheiten mißverstanden, was ja bei Über-
tragungen in eine andere Technik vorkommen kann.
Die Schrift. War es nun schon klar, daß sowohl der Text als die ver-
mutlichen Bildvorlagen weitaus alter sind als die Entstehungszeit
unseres Stückes, so blieb als letztes Zeitkriterium die Schrift. Leider
liegen für die in Frage kommenden Jahrhunderte des spätesten Mittel-
alters noch wenig zusammenfassende Paläographien vor. Herr Prof.
Dr. Fichtenau zeigte mir eine Reihe von vergleichbaren Schriften.
Seiner Meinung nach ist die Kursivschrift des Textes als eine „Bastarde"
vermutlich des 15. Jahrhunderts anzusprechen, wofür z. B. die geradezu
an Integralzeichen erinnernde Form der langen s mit ihren Unter-
längen, die offenen Schlingen der g und andere Merkmale sprechen.
Auf alle Fälle aber ist die Schrift unvergleichlich altertümlicher als
alles, was wir auf den bisher bekannten Steinätzungen sehen.
Vnlkrleulzdlirlle Belnzrbluzzkg. Eine weitere Spur wurde dahin ve
ob nicht zwischen dem weißen Stein mit der Mariendarstellun
gewissen uralten volkstümlichen Vorstellungen von der Milt
Jungfrau Maria ein Zusammenhang bestehen könne. Schon
Antike (z. B. bei Galenus) galt ein weißer „Milchstein" (Galt
als ein Mittel zur verstärkten Milchbildung bei Frauen und bei lN
tieren. Sehr früh erfolgte die Umdeutung solcher weißer Steini
Erclarten zur heilkräftigen Milch der Jungfrau Maria. Aus l
Glauben heraus entstanden sehr viele Reliquien von einer ang
vergossenen Marienmilch, die als Heilmittel gegen zu geringe
bildung und auch gegen Augenkrankheiten dienen sollten. F. dt
hat sehr viele einschlägige Literaturstellen zusammengetragen.
richtet auch, claß die Ritenkongregation im Jahre 1603 die Bezeic
als Reste vergossener Milch Mariens dahin verbesserte, daß c
um eine Erdprobe der Gegend, in welcher Maria ihr Kind
(also die Grotte von Betlehem), handle („de terra uhi lactavit B.
Maria Filium suum Jesum Christum"). Auf diese XXieise wurd
bisher als besonders wertvolle Reliquien geltenden Stücke zu l
XlCallfahrerandenken aus dem Heiligen Lande abgewertetl). ÜE
wurde der Milchstein nicht nur von dort bezogen, sondern dil
bei Mely zitierten Autoren (z. B. Boetius) sprechen von v
anderen Fundorten aus den verschiedensten Ländern. Der (
an die Heilwirkung auffällig weißer Steine und Erden hat si
bäuerlichen Biederglauben erhalten. So gilt (nach Grosz) eine
kalkmilchartige Ausscheidung in der Potocnikhöhle in der Us
(Karawanken) als „Marienmilch" (Marijsko mleko) als Arzne
für Mensch und Tier; in anderen Alpengegenden wird eine äl
kreidige Kalkablagerung als „Nix" (nihilum album) für ein
gegen Augenkrankheiten gehalten. Es ließ sich kein Anhalt:
dafür finden, daß unser Marienanhänger aus weißem Marm
Wallfahrtsandenken aus Palästina stamme (wo ein derartiger
Marmor gar nicht vorkommt). Freilich ktünnen wir keinerle
mutungen darüber anstellen, welche Wirkung ihm frommer (
zugeschrieben haben mag.