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Volltext: Alte und Moderne Kunst VIII (1963 / Heft 70)

Wien zwar nicht der Ruhm der lirstmaligkeit zufallen, denn es gibt 
hier schon bestens bewährte Vorbilder. So wurde z. B. in Köln am 
Rhein 1950 für das nach seinem Gründer, dem Domkapittilar Prof. 
I)r. Alexander .frhr11'i(geri, benannte Museum in der altehrwürdigen 
romanischen Cäcilienkirche eine neue und höchst würdige Heimstätte 
geschaffen. Auch Niederösterreich kann mit einem Vorbild dieser 
Art aufwarten: die Minoritenkirche in Krems-Stein. Wenn dort die 
Gotikausstellung im Jahre 1959 bei den mehr als 148000 Besuchern 
einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, so vor allem deshalb, 
weil der großartige Kirchenraum wesentlich mitbestimmend war. 
Vfo wäre das Wiener Diözesanmuseunt in gleicher Weise würdiger 
untergebracht und wo würde die Fülle seiner sakralen Kunstschätze 
sich besser in Geltung bringen können als in der weiträumigen drei- 
schiftigen Halle der Kirche Am Hof? Hier hätte das Museum für 
immer eine ausbaufähige Heimstätte. Auch die örtliche Lage der 
Kirche wäre in jeder Beziehung günstig: zentral gelegen, nicht allzu- 
weit vom Stephansdom entfernt und leicht erreichbar. 
Kann denn das Wiener Erzbistum auf diese Kirche zur Freigabe ver- 
zichten? Die Kirche ist schon seit Jahren Weder Pfarr- noch Kloster- 
kirche. Sie verfügt demnach auch über keine kirchlich organisierte 
Seelsorgsgemeinde. ln dem anschließenden ehemaligen Klostergebäude 
wohnen gegenwärtig noch die Absolventinnen des Seminars für kirchv 
liche Frauenberufe. Diese betreuen gleichzeitig die Kirche. Das Se- 
minar wird jedoch andersvwohin verlegt und zieht bereits etappenweise 
aus. Dann wird die Frage nach dem weiteren Verwendungszweck 
der Kirche für die Erzdiözese Wien aktuell. 
Die Kirche Am Hof hat im Laufe der Zeit eine schr wechselvolle 
Geschichte erlebt. Herzog Rudolf lV. berief 1360 die weißen Karme- 
litermönche nach Wien, Welche die Kirche erbaut und 1386 vollendet 
hatten. 
Herzog Albrecht V. von Österreich (als römisch-deutscher König 
Albrecht H.) stiftete 1438 für diese Kirche den nach ihm benannten 
Hochaltar, als dessen Meister Jakob Kaschauer vermutet wird. 1554 
wurde die Kirche unter Petrus Canisius den Jesuiten bis zur Ordens- 
aufhebung 1773 übergeben. Anschließend war sie ein Jahrzehnt 
(larnisonskirche und später Pfarrkirche. Sie verwahrloste als solche 
immer mehr, bis sich ihrer 1905 der letzte Pfarradministrator Karl 
Wieczerzik-Planheim besonders annahm. 190871949 gehörte sie wieder 
dem Jesuitenorden. 1945 41948 diente sie bis zur Wiederherstellung 
der zerstörten Stephanskirche interimistisch für die Bischofs? und 
Kapitelgottesdienste als Domkirche. 
Wichtige historische Ereignisse sind mit der Kirche Am Hof verbunden: 
Papst Pius VI. spendete am Ostersonntag 1782 von der Terrasse den 
Segen „Urbi et Orbi", wo von der gleichen Terrasse aus 1804 Herolde 
die Gründung des Kaisertums Österreich und 1806 das Ende des 
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verkündeten. 
Soziographische Untersuchungen der Nachkriegsjahre haben erwiesen, 
daß die lnnere Stadt durch Entvölkerung laufend verändert wird. Der 
erste Bezirk entwickelt sich mehr und mehr zur City der Großstadt, 
das heißt, er wird das Büro- und Geschäftszentrum auf Kosten seiner 
ständigen Bewohner. Städtebaulich entwickeln sich die größeren 
Randbezirke weiter, wohin viele Bewohner des ersten Bezirkes ihre 
Wohnung verlegt haben. Diese Verlagerung stellt die ordentliche 
Pfarrseelsorge vor neue Probleme. Während die lnnere Stadt im 
Verhältnis zu ihrer Einwohnerschaft viel zu viele Ffarra und Kloster! 
kirchen aufweist, herrscht in den erweiterten Stadtvierteln Kirchennot. 
Die Kirche wird dadurch von selbst gezwungen werden, rationellere 
Maßnahmen zu ergreifen und die Pfarrgrenzen der Einwohnerschaft 
entsprechend zu verändern. 
Unter diesen Umständen verliert die Maßnahme einer Kirrlimaufhebzrvzkg 
1m: eigenrr Inilialiiße den Charakter des Ungewöhnlichenl 
Die sachlich nüchterne Wirklichkeit wird nämlich etwa hemmende 
Bedenken in die weniger gewichtige Sphäre traditionsbedingter reli- 
giöser Gefühle verweisen müssen. 
Es ist jedoch selbstverständlich, daß die für den Museumsbetrieh notwene 
digen Einbauten in den Kirchenraum so gestaltet werden müssen, daß 
der edle Raumeindruck der gotischen Halle ungemindert erhalten bleibt. 
Wenn man noch bedenkt, daß die Beviälkerung Wiens in den Jahren 
großer wirtschaftlicher Not kulturelle [Höchstleistungen vollbracht hat, 
so müßte es doch möglich sein, daß in den Jahren wirtschaftlicher 
Blüte ein solches XVerk leichter verwirklicht werden könnte. 
I, 
Sclixnitgctmluxeum in Köln m der CiClll9Ilkil'Cl1tr', 
Hßlllpßfllln- gegen Osten 
Schnutgcnmtisrum in im" m im Cäcilienkirrhc. 
Seircnscliid 

	        
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