Wien zwar nicht der Ruhm der lirstmaligkeit zufallen, denn es gibt
hier schon bestens bewährte Vorbilder. So wurde z. B. in Köln am
Rhein 1950 für das nach seinem Gründer, dem Domkapittilar Prof.
I)r. Alexander .frhr11'i(geri, benannte Museum in der altehrwürdigen
romanischen Cäcilienkirche eine neue und höchst würdige Heimstätte
geschaffen. Auch Niederösterreich kann mit einem Vorbild dieser
Art aufwarten: die Minoritenkirche in Krems-Stein. Wenn dort die
Gotikausstellung im Jahre 1959 bei den mehr als 148000 Besuchern
einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat, so vor allem deshalb,
weil der großartige Kirchenraum wesentlich mitbestimmend war.
Vfo wäre das Wiener Diözesanmuseunt in gleicher Weise würdiger
untergebracht und wo würde die Fülle seiner sakralen Kunstschätze
sich besser in Geltung bringen können als in der weiträumigen drei-
schiftigen Halle der Kirche Am Hof? Hier hätte das Museum für
immer eine ausbaufähige Heimstätte. Auch die örtliche Lage der
Kirche wäre in jeder Beziehung günstig: zentral gelegen, nicht allzu-
weit vom Stephansdom entfernt und leicht erreichbar.
Kann denn das Wiener Erzbistum auf diese Kirche zur Freigabe ver-
zichten? Die Kirche ist schon seit Jahren Weder Pfarr- noch Kloster-
kirche. Sie verfügt demnach auch über keine kirchlich organisierte
Seelsorgsgemeinde. ln dem anschließenden ehemaligen Klostergebäude
wohnen gegenwärtig noch die Absolventinnen des Seminars für kirchv
liche Frauenberufe. Diese betreuen gleichzeitig die Kirche. Das Se-
minar wird jedoch andersvwohin verlegt und zieht bereits etappenweise
aus. Dann wird die Frage nach dem weiteren Verwendungszweck
der Kirche für die Erzdiözese Wien aktuell.
Die Kirche Am Hof hat im Laufe der Zeit eine schr wechselvolle
Geschichte erlebt. Herzog Rudolf lV. berief 1360 die weißen Karme-
litermönche nach Wien, Welche die Kirche erbaut und 1386 vollendet
hatten.
Herzog Albrecht V. von Österreich (als römisch-deutscher König
Albrecht H.) stiftete 1438 für diese Kirche den nach ihm benannten
Hochaltar, als dessen Meister Jakob Kaschauer vermutet wird. 1554
wurde die Kirche unter Petrus Canisius den Jesuiten bis zur Ordens-
aufhebung 1773 übergeben. Anschließend war sie ein Jahrzehnt
(larnisonskirche und später Pfarrkirche. Sie verwahrloste als solche
immer mehr, bis sich ihrer 1905 der letzte Pfarradministrator Karl
Wieczerzik-Planheim besonders annahm. 190871949 gehörte sie wieder
dem Jesuitenorden. 1945 41948 diente sie bis zur Wiederherstellung
der zerstörten Stephanskirche interimistisch für die Bischofs? und
Kapitelgottesdienste als Domkirche.
Wichtige historische Ereignisse sind mit der Kirche Am Hof verbunden:
Papst Pius VI. spendete am Ostersonntag 1782 von der Terrasse den
Segen „Urbi et Orbi", wo von der gleichen Terrasse aus 1804 Herolde
die Gründung des Kaisertums Österreich und 1806 das Ende des
Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation verkündeten.
Soziographische Untersuchungen der Nachkriegsjahre haben erwiesen,
daß die lnnere Stadt durch Entvölkerung laufend verändert wird. Der
erste Bezirk entwickelt sich mehr und mehr zur City der Großstadt,
das heißt, er wird das Büro- und Geschäftszentrum auf Kosten seiner
ständigen Bewohner. Städtebaulich entwickeln sich die größeren
Randbezirke weiter, wohin viele Bewohner des ersten Bezirkes ihre
Wohnung verlegt haben. Diese Verlagerung stellt die ordentliche
Pfarrseelsorge vor neue Probleme. Während die lnnere Stadt im
Verhältnis zu ihrer Einwohnerschaft viel zu viele Ffarra und Kloster!
kirchen aufweist, herrscht in den erweiterten Stadtvierteln Kirchennot.
Die Kirche wird dadurch von selbst gezwungen werden, rationellere
Maßnahmen zu ergreifen und die Pfarrgrenzen der Einwohnerschaft
entsprechend zu verändern.
Unter diesen Umständen verliert die Maßnahme einer Kirrlimaufhebzrvzkg
1m: eigenrr Inilialiiße den Charakter des Ungewöhnlichenl
Die sachlich nüchterne Wirklichkeit wird nämlich etwa hemmende
Bedenken in die weniger gewichtige Sphäre traditionsbedingter reli-
giöser Gefühle verweisen müssen.
Es ist jedoch selbstverständlich, daß die für den Museumsbetrieh notwene
digen Einbauten in den Kirchenraum so gestaltet werden müssen, daß
der edle Raumeindruck der gotischen Halle ungemindert erhalten bleibt.
Wenn man noch bedenkt, daß die Beviälkerung Wiens in den Jahren
großer wirtschaftlicher Not kulturelle [Höchstleistungen vollbracht hat,
so müßte es doch möglich sein, daß in den Jahren wirtschaftlicher
Blüte ein solches XVerk leichter verwirklicht werden könnte.
I,
Sclixnitgctmluxeum in Köln m der CiClll9Ilkil'Cl1tr',
Hßlllpßfllln- gegen Osten
Schnutgcnmtisrum in im" m im Cäcilienkirrhc.
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