iLEOPOLD SCHMIDT
Dia „Bergmmik" der Rinner Krippe
Neuerwerbung de:
Örterreithiuberl Mureumrfür Valkrklznzle
Die Entfaltung des Krippenwesens
in den Alpenländern ist verhält-
nismäßig eng mit dem Bergbau
verbunden. Wenn auch die Krippe
im Laienbesitz im wesentlichen
als ein Erbe der volkstümlichen
Kirchenkunst anzusprechen ist,
so ist diese Übernahme, eine aus-
gesprochene Bereicherung unserer
Volkskunst aus den tiefen Grün-
den der weihnachtlichen Andacht
heraus, nicht allenthalben auf
gleiche Art erfolgt. ln (legenden
mit der Veranlagung zum Haus-
gewerbe, zum ländlichen Kunst-
gewerbe, konnten die Kirchen-
krippen intensiver zu Hauskrippen
um- und weitergestaltet werden.
Begabte Tonformer, Stafi-ierer und
Schnitzer sowie Faßmaler waren
überall die Voraussetzung zur
Weiterführung der barocken Tra-
dition des Krippenbaues und zu
den Umformungen jeweils im
Geist der betreffenden weiteren
Epochen.
lnnerhalb dieses Bereiches der
Auswirkung der zahllosen ano-
nymen Begabungen nun haben
Bergleute sich ganz offensichtlich
sehr wirkungsvoll bemerkbar ge-
macht. Viele Bergbaugebiete kann-
ten schon seit längerem den Zug
zur figuralen Kleinkunst. Die
bergmännischen „Handsteine" des
16. Jahrhunderts sind wichtige
Zeugnisse dafür, diese Erz- und
Gesteinsproben, auf die und in die
kleine, mitunter winzige Dar-
stellungen aus dem Bergmanns-
leben, aber auch Weihnachts- und
Osterszenen gestellt wurden, so
daß man Weihnachts- und Fasten-
szenen vor sich zu haben glaubt.
Es handelt sich aber um Vor-
formen, und die wirklichen Krip-
pen sind jünger als die Hand-
steine. Doch die bergmännische
Veranlagung war nun einmal in
diese Richtung gelenkt, und so
finden wir den Anteil bergmänni-
scher Kunstfertigkeit im Krippen-
bereich späterhin immer wieder.
Selbst wenn sich ein besonders
kunstfertiger Bergmann an an-
deren ähnlichen kleinfigurigen
Spielereien betätigte, verglich man
dann gern sein Tun mit dem
Krippenbau. Das erweist sich sehr
deutlich beim „Automatischen
Theater" im Park des Schlosses
l-lellbrunn bei Salzburg. Dieses
köstliche kleine Spielwerk, in
seiner Art ein „Theatrum mundi",
ein kleines Welttheater, ist nam-
lich ein Werk des Diirrnberger
Bergmannes Lorenz Rosenegger.
Und man beschrieb es zeitge-
nössisch mit den Worten: „Ein
Werk wie ein Krippe], wo sehr
viel hölzerne Mandel allerhandt
Handwerk treiben, und werden
diese von Wasser getrieben"l).
„Ein Werk wie ein Krippel", das
war 1752 der Eindruck eines der-
artigen kleinen Figurentheaters,
das ein heimischer Bergmann
geschaEen hatte. In dieser Zeit
waren längst Bergleute eben tat-
sächlich als Krippenbauer und
Krippenschnitzer tätig, im ober-
österreichischen Salzkammergut
ebenso wie in Salzburg, in Berch-
tesgaden und in Tirol. Der Auf-
bau der „Krippenberge" verrät
häuHg ihre Hand: Glimmerschie-
ferschimmernde steile Aufbauten
mit Karrenwcgen und St0llenein-
gängen bezeichnen heute noch
die ursprünglich bergmännische
Anlage, auch wenn vielfach bäuer-
liche Figürchen das heilige Ge-
schehen umgeben und man mei-
nen könnte, es wäre das alles
reines Bauern- und Hirtenwerk.
Der Eindruck trügt wie so oft
bei einer ungeschichtlichen Be-
trachtung unserer Volkskunst. Der
Anteil der Bergleute an der Krip-
pengestaltung sowohl in den Al-
pen- wie auch in den Sudeten-
ländern war bedeutend größer, als
allgemein bekannt erscheint 2).
Erst bei sehr genauer Betrachtung
des sehr verschiedenartigen und
verschiedenwertigen Materials läßt
sich feststellen, daß es dafür doch
einigermaßen sichere Anhalts-
punkte gibt. Den sichersten haben
die Bergleute in ihrem starken
Drang zur Selbstdarstellung hin-
terlassen: ln gar nicht wenigen
Krippen finden sich nicht nur die
bergmännisch erbauten Krippen-
berge, sondern auch Bergmanns-
figuren, mitunter auch ganze kleine
Bergmannsaufzüge. Die geschlos-
senen, fast militärisch geformten
Organisationen des monopol-
mäßig betriebenen Bergbaues ha-
ben solche festliche Aufzüge auch
in der Wirklichkeit geschätzt und
gepflegt, ihre Spiegelungen in der
Kunst, vor allem in der Graphik,
sind zahlreichß). Diese Darstel-
lungen sind offenbar schon früh
auch wieder Hgural umgeformt
worden, kleinere und größere
Aufzugsgruppen haben bergmän-
nische Schnitzer für ihre Vorge-
setzten und wohl auch für den
eigenen Hausbesitz geschaffen.
Späterhin ist sogar ein Gegen-
stand der Hausindustrie daraus
geworden. In der Berchtesgadener
Hausindustrie beispielsweise ist
der „Bergmannsaufzug" mit seinen
vielen Figuren, den Hauern, den
Steigern und der Bergkapelle das
stehende Abbild des traditionell
alljährlich stattfindenden „Berg-
festes" geworden 4).
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