die Überformulierung des Plastischen tei-
lenll.
Als Werke Christoph Ambergers sollen
hier die Bildnisse eines Schwesternpaares
vom Jahre 1530 vorgestellt werden (Abb. 5,
6). Sie kamen aus der Sammlung des
juweliers Bernhard Höfel an das Inns-
brucker Museumll.
Die Porträts sind auf Tannenholz gemalt,
messen je 39,5X36 cm und waren ur-
sprünglich wohl zu einem Diptychon ver-
bunden. Auf der linken Tafel lesen wir:
MDXXX ETATIS SVA XV, auf der
rechten: MDXXX ETAIS (sie!) SVA Xl.
Die Schwestern sind einander zugekehrt.
Ihre über dem Leib gefalteten Hände
verschwinden fast ganz in den Man-
schetten des Hemdes, soweit sie nicht
überhaupt vom Bildrande abgeschnitten
werden. Die nach rechts gewendete Fünf-
zehnjährige blickt aus dem Bilde heraus,
ohne indes den Betrachter zu fixieren. Das
modische, in einem gedeckten Braunrot
gehaltene Kleid ist bis zu den Schultern
ausgeschnitten, an Ausschnitt und Man-
schetten rnit goldgefaßten, tiefweinroten
Besatzstreifen versehen. Die Brust bedeckt
ein weißes, reich gefälteltes Hemd, das noch
einmal an den Händen sichtbar wird und
am Halse in einer goldgestickten Borte
anliegt. Es schließt rnit einem kleinge-
kräuselten Saum ab. Das dunkelblonde
Haar ist glatt um die Schläfen geführt
und hinter dem Kopf in einer Flechte
aufgebunden. Auf einer perlenbestickten
Haube sitzt das Barett in leuchtendem
Zinnober. Es steigt flach und breit an.
Über dem Scheitel werden seitlich einge-
schlagene Klappen mit Knopf und Schlaufe
geschlossen. Sie sind mit rotvioletten Bän-
dern, die in Rosetten enden, besetzt. Der
Grund ist türkisgrün.
Das blasse Karnat nähert sich einem Elfen-
beinton. Womöglich waren im Fleisch die
Farben schon ursprünglich nur dünn la-
sierend aufgetragen. Um Brauen, Augen,
Nase und Mund, ebenso im Haar, im
Gefältel des Hemdes wird die Vorzeich-
nung sichtbar: nervöse, kurz absetzende
Striche und Häkchen oder Wellenlinien,
die die Form nur andeutend skizzenhaft
festlegen. Wie in der zeichnerischen Anlage
des Kostüms, der Farbigkeit, sucht der
Künstler auch in der Wiedergabe des
Kopfes die überzeugende Formel. Stirn
und Wangen sind flach gebildet und in
der sanften Kurve des Konturs verbunden.
Die Einzelformen bleiben allgemein. Das
zugrunde gelegte ideale Schema zehrt die
individuellen Züge fast ganz auf. Dem-
zufolge erscheint das Antlitz trotz der
Blickwendung im Ausdruck unbestimmt,
um nicht zu sagen gleichgültig.
Die jüngere Schwester ist von der älteren
durch den schmächtigeren Wuchs, die
weniger freie und selbstherrliche Haltung
geschieden. Das Kleid reicht höher über
die Schultern hinauf, das Hemd teilt sich
über der Brust. Abweichungen im Kolorit,
ausgenommen das lichtere Braun des
Haares, gehen Wohl auf Rechnung des
Erhaltungszustandes. Das Barer: ist leuch-
tender, den Besatzstreifen fehlt der Samt-
ton, den sie im Bilde der Schwester haben.
Der Grund ist fleckig. Das im Dreiviertel-
proFil gegebene Antlitz des Mädchens
gewinnt seinen Weichen, kindlichen Zauber
aus der feinen Zeichnung, der verhaltenen
Modellierung. Die schön gewiälbte Stirn,
die flachen Wangen, die scharfe Kinnlinie
gehen auch hier nicht mit dem geläufigen
pausbäckigen Kindertyp altdeutscher Bild-
nisse überein.
Augenfällig ist die hohe Bewertung des
Umrisses in beiden Porträts. Die Figuren
sind körperlich gerundet, gegen die Bild-
ebene verschoben und zugleich in einer
breit entfalteten, ebenso feinfühlig wie
bestimmt umrissenen Silhouettenform vor
den einfarbigen Grund gestellt. Die auf
einen einzigen Akkord gestimmte Farbig-
keit ä rotes Kostüm vor türkisgrünem
Grund - betont den Hächenhaft dekora-
tiven Charakter der Tafeln. Fraglos war
hier ein Künstler am Werk, für den es
keine formalen Schwierigkeiten gibt, der
das Volkstümlich-Farbenfrohe ins Modisch-
Erlesene zu wenden weiß und dabei um so
leichter Gefahr läuft, den schönen Schein
für das Wesen zu nehmen.
Hans Maler von Ulrn, dessen Name vor
7
unseren Porträts genannt worden ist,
kommt als Schöpfer derselben nicht in
Betrachtß. Die schematisch ornamentali-
sierende Linienführung, die mehr kolo-
rierende Malweise des Älteren tradieren
letztlich ein spätgzitisches Formgefühl. Auch
der Meister von Meßkirch, an dessen Art
Norbert Lieb dachte 14, scheidet aus. Enge
Beziehungen ergeben sich zu Werken des
Augsburgers Christoph Amberger. Wir
vergleichen ein Frauenbildnis des Künstlers
(Abb. 7) vom Jahre 1530 (Sammlung
Julius Böhler, München), das 7 wennschon
in vollerer und reiferer Ausprägung _
dieselben Stilmerkmale aufweistli Auch
dort wird die liinzelbeobachtung einer
großzügigen und summarischen Gesamt-
form untergeordnet. Der dicke, auftragende
Stoff des Kleides verzichtet ganz auf das
Faltenspiel dürerzeitlicher Porträts. Die
Hände sind fast verborgen. Der auf der
einen Seite sanft ansteigende, auf der
anderen steil abfallende Umriß wird durch
die über dem angewinkelten Arm durch
Zusammenschieben des Tuches sich bil-
denden Falten aufgelockert. Zwischen Kör-
per und Armen sieht man in einem kleinen
Ausschnitt den Grund. Die Zeichnung
des feingefältelten Ilemdes und der Man-
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