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Volltext: Alte und Moderne Kunst XI (1966 / Heft 84)

die Überformulierung des Plastischen tei- 
lenll. 
Als Werke Christoph Ambergers sollen 
hier die Bildnisse eines Schwesternpaares 
vom Jahre 1530 vorgestellt werden (Abb. 5, 
6). Sie kamen aus der Sammlung des 
juweliers Bernhard Höfel an das Inns- 
brucker Museumll. 
Die Porträts sind auf Tannenholz gemalt, 
messen je 39,5X36 cm und waren ur- 
sprünglich wohl zu einem Diptychon ver- 
bunden. Auf der linken Tafel lesen wir: 
MDXXX ETATIS SVA XV, auf der 
rechten: MDXXX ETAIS (sie!) SVA Xl. 
Die Schwestern sind einander zugekehrt. 
Ihre über dem Leib gefalteten Hände 
verschwinden fast ganz in den Man- 
schetten des Hemdes, soweit sie nicht 
überhaupt vom Bildrande abgeschnitten 
werden. Die nach rechts gewendete Fünf- 
zehnjährige blickt aus dem Bilde heraus, 
ohne indes den Betrachter zu fixieren. Das 
modische, in einem gedeckten Braunrot 
gehaltene Kleid ist bis zu den Schultern 
ausgeschnitten, an Ausschnitt und Man- 
schetten rnit goldgefaßten, tiefweinroten 
Besatzstreifen versehen. Die Brust bedeckt 
ein weißes, reich gefälteltes Hemd, das noch 
einmal an den Händen sichtbar wird und 
am Halse in einer goldgestickten Borte 
anliegt. Es schließt rnit einem kleinge- 
kräuselten Saum ab. Das dunkelblonde 
Haar ist glatt um die Schläfen geführt 
und hinter dem Kopf in einer Flechte 
aufgebunden. Auf einer perlenbestickten 
Haube sitzt das Barett in leuchtendem 
Zinnober. Es steigt flach und breit an. 
Über dem Scheitel werden seitlich einge- 
schlagene Klappen mit Knopf und Schlaufe 
geschlossen. Sie sind mit rotvioletten Bän- 
dern, die in Rosetten enden, besetzt. Der 
Grund ist türkisgrün. 
Das blasse Karnat nähert sich einem Elfen- 
beinton. Womöglich waren im Fleisch die 
Farben schon ursprünglich nur dünn la- 
sierend aufgetragen. Um Brauen, Augen, 
Nase und Mund, ebenso im Haar, im 
Gefältel des Hemdes wird die Vorzeich- 
nung sichtbar: nervöse, kurz absetzende 
Striche und Häkchen oder Wellenlinien, 
die die Form nur andeutend skizzenhaft 
festlegen. Wie in der zeichnerischen Anlage 
des Kostüms, der Farbigkeit, sucht der 
Künstler auch in der Wiedergabe des 
Kopfes die überzeugende Formel. Stirn 
und Wangen sind flach gebildet und in 
der sanften Kurve des Konturs verbunden. 
Die Einzelformen bleiben allgemein. Das 
zugrunde gelegte ideale Schema zehrt die 
individuellen Züge fast ganz auf. Dem- 
zufolge erscheint das Antlitz trotz der 
Blickwendung im Ausdruck unbestimmt, 
um nicht zu sagen gleichgültig. 
Die jüngere Schwester ist von der älteren 
durch den schmächtigeren Wuchs, die 
weniger freie und selbstherrliche Haltung 
geschieden. Das Kleid reicht höher über 
die Schultern hinauf, das Hemd teilt sich 
über der Brust. Abweichungen im Kolorit, 
ausgenommen das lichtere Braun des 
Haares, gehen Wohl auf Rechnung des 
Erhaltungszustandes. Das Barer: ist leuch- 
tender, den Besatzstreifen fehlt der Samt- 
ton, den sie im Bilde der Schwester haben. 
Der Grund ist fleckig. Das im Dreiviertel- 
proFil gegebene Antlitz des Mädchens 
gewinnt seinen Weichen, kindlichen Zauber 
aus der feinen Zeichnung, der verhaltenen 
Modellierung. Die schön gewiälbte Stirn, 
die flachen Wangen, die scharfe Kinnlinie 
gehen auch hier nicht mit dem geläufigen 
pausbäckigen Kindertyp altdeutscher Bild- 
nisse überein. 
Augenfällig ist die hohe Bewertung des 
Umrisses in beiden Porträts. Die Figuren 
sind körperlich gerundet, gegen die Bild- 
ebene verschoben und zugleich in einer 
breit entfalteten, ebenso feinfühlig wie 
bestimmt umrissenen Silhouettenform vor 
den einfarbigen Grund gestellt. Die auf 
einen einzigen Akkord gestimmte Farbig- 
keit ä rotes Kostüm vor türkisgrünem 
Grund - betont den Hächenhaft dekora- 
tiven Charakter der Tafeln. Fraglos war 
hier ein Künstler am Werk, für den es 
keine formalen Schwierigkeiten gibt, der 
das Volkstümlich-Farbenfrohe ins Modisch- 
Erlesene zu wenden weiß und dabei um so 
leichter Gefahr läuft, den schönen Schein 
für das Wesen zu nehmen. 
Hans Maler von Ulrn, dessen Name vor 
7 
unseren Porträts genannt worden ist, 
kommt als Schöpfer derselben nicht in 
Betrachtß. Die schematisch ornamentali- 
sierende Linienführung, die mehr kolo- 
rierende Malweise des Älteren tradieren 
letztlich ein spätgzitisches Formgefühl. Auch 
der Meister von Meßkirch, an dessen Art 
Norbert Lieb dachte 14, scheidet aus. Enge 
Beziehungen ergeben sich zu Werken des 
Augsburgers Christoph Amberger. Wir 
vergleichen ein Frauenbildnis des Künstlers 
(Abb. 7) vom Jahre 1530 (Sammlung 
Julius Böhler, München), das 7 wennschon 
in vollerer und reiferer Ausprägung _ 
dieselben Stilmerkmale aufweistli Auch 
dort wird die liinzelbeobachtung einer 
großzügigen und summarischen Gesamt- 
form untergeordnet. Der dicke, auftragende 
Stoff des Kleides verzichtet ganz auf das 
Faltenspiel dürerzeitlicher Porträts. Die 
Hände sind fast verborgen. Der auf der 
einen Seite sanft ansteigende, auf der 
anderen steil abfallende Umriß wird durch 
die über dem angewinkelten Arm durch 
Zusammenschieben des Tuches sich bil- 
denden Falten aufgelockert. Zwischen Kör- 
per und Armen sieht man in einem kleinen 
Ausschnitt den Grund. Die Zeichnung 
des feingefältelten Ilemdes und der Man- 
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