und mit den regelmäßigen Proportionen klassizisti-
schen Prinzipien. Auch ihr Programm wurzelt ganz
in Ideen der Zeit. Riegl hat auf die gedankliche Ein-
heit der Dekorationsinhalte des Empire hingewiesen:
„Ein bestimmter Gedanke durchzieht ihre Motive,
namentlich soweit sie rigürlicher Art waren. Es
handelt sich dabei hauptsächlich um allegorische An-
spielungen, Embleme, die mit der Bestimmung des
Raumes, mit dem Charakter des Bewohners und der-
gleichen zusammenhängen"7). lst in diesem Sinne
nicht die Dekoration unseres Salons höchst passend
für ein Gesellschaftszimmer? Die schwebenden
Frauengestalten verleihen dem Raum festlichen
Glanz, die reizenden Bildchen des Frieses und die
Landschäftchen mit watschelnden Enten auf der
Fayenceverkleidung des Kamins lassen einen ver-
spielten Ton aufklingen, der wiederum gemäßigt
wird durch den Ernst der Supraporten. Es ist
unverständlich, daß Kamin und Supraporten ge-
legentlich als spätere Zutaten empfunden worden
sind.
Die Frauengestalten sind, wie schon gesagt, Bac-
chantinnen, eigentlich mimische Tänzerinnen. Ge-
gen Ende des 18. Jahrhunderts war die Tanzkunst
der Griechen wiederentdeckt worden, mit jener
Inbrunst, die dieser Zeit eignet. ln XVien war es
zuerst Maria Medina Vigano, die in durchsichtigen
Gewändern griechische Tänze, oder was damals
dafür galt, vorführte. 1793 erregte sie als „Tochter
der Luft" (im gleichnamigen Ballett ihres Gatten)
ungeheure Begeisterung. Im Wiener Theater-
almanach für 1794 jubelt ein ungenannter Dichter:
„Sie hat uns die Kunst der Griechen gebracht! . . ."
Es stimmt nachdenklich, von De la Garde, dem Sit-
tenschilderer des Wiener Kongresses, zu hören,
daß Rosalie Geymiiller, seit 1807 Gattin des jüngeren
Joh. Heinrich Geymüller, „wegen ihres ätherischen
XVuchses" die Tochter der Luft genannt wurdeä).
Vielleicht besteht ein bewußter Zusammenhang
zwischen dcr Tanzkunst der Vigano, den schweben-
den Frauengestalten unseres Salons und dem
Necknamen Rosalie Geymüllers, die ja gew'iß in
diesem Raume Feste gefeiert hat. Vielleicht zeigt
sich hier auch nur die eigenartige Enge der Gedan-
kenwelt des Empire.
Über die Entstehung des Salons ist urkundlich nichts
nachzuweisen. Roessler hat die Malereien für das
Werk eines französischen Künstlers gehalten, der
„vielleicht zur Zeit, als die französische Botschaft
diesen Barockpalast bewohnt hat, aus Paris nach
Wien berufen worden war". Das ist unwahrschein-
lich, denn Bernadotte ist am 8. Februar 1798 an-
gekommen, wenige Wochen nach der Ratifikation
des Friedensvertrages von Campo Formio, und
schon am 15. April 1798 wieder abgereist"). Nun,
wenn auch die Fayenceverkleidung des Kamins,
wie oben erwähnt, aus Paris importiert worden ist,
so scheint es doch nicht notwendig, für die gesamte
Dekoration einen französischen Künstler bemühen
zu müssen. Abgesehen davon, daß unser Salon nicht
recht in die Vorstellungen von französischer Empire-
Innendekoration passen will, finden sich gewichtige
Belege, die für wienerische Provenienz sprechen.
Im Palais Auersperg befindet sich noch heute ein
Empire-Salon mit en grisaille bemalter Seiden-
bespannung, der - wenn man ihn auch schwerlich
ein Pompejanisches Zimmer nennen möchte A
viel Verwandtes mit unserem Salon aufweist. Türen
und Lambris scheinen von derselben Hand entworfen
zu sein, die Grisaille-Supraporten fehlen nicht,
und schließlich finden sich unter den zahlreichen
allegorischen Figuren, die dort die Wände gleichsam
überspinnen, solche, die identisch oder fast identisch
sind mit Figuren aus den Nebenfeldcrn unseres
Salons. Es gibt für diese Personirikationen offenbar
eine gemeinsame Vorlage, die gewiß nicht aus Pom-
peji stammt, vielleicht aber aus der Fügerschule.
Im Palais Auersperg erfolgte die klassizistische
Umgestaltung 1802 nach Entwürfen von Heinrich
Fischerlü), einem Künstler, von dem sonst nichts
bekannt zu sein scheint. Es bleibt vorläufig offen,
0b er nicht auch die Dekorationen für das Palais
Geymüller entworfen hat; und ebenso muß offen
bleiben, wer sie so virtuos ausgeführt hat. Es ist
schwierig, hier Namen zu nennen, da ja die grund-
legende Arbeit über die Wiener Dekoratiunsmaler
des Empire noch fehlt. Auch die Mitteilungen Th.
v. Frimmels (Lexikon der Wiener Gemäldesamm-
lungen) über die Beziehungen des Hauses Geymüller
zu zeitgenössischen Künstlern helfen nicht weiter.
Vielleicht schafft hier eines Tages ein Zufallsfund
Klarheit. Einstweilen soll uns genügen, daß das
schöne lnterieur in der Geborgenheit eines Museums
jeder Gefährdung entrückt ist.
I) Vgl. A. Ring] 1 Der Wicrcr Congrcss (um. x. Mühe! und Innen-
dckoration), w u! 189a. s. 191er.
1) Vgl. H. (Iluctcr, Häuscr und Mcnschcn von Wi 1. Wien 191a.
s. 122m
1) Zwei lmericun au: dem altcn XVi: in ..l)as lnmricur". X. jg. 1909.
S. 21W. (mit Abb.) Vgl. auch: Zwei AllAWiener Interieurs. vnu dcrlm.
in "Kunst u. Künstler". Xll. Ig. 1914. S. 54431
4) Führcr durch di Srhauszlmnllungun du: u. S. Lnndcsmusculns. Wien
19131. s. 3 u. 16:,
S) Am" der 51m1. Sanuuluxlgen, 21. 714 ex 19441.
28
") Vgl. R. Eigcnbcrger. Die Gemildegalnic ein. Wien 1927. Text-
band s. 442.
1) A. a. 0. 5.195.
001mm: dcs Wicmrr Kongnrsas, hgg. v. (a. (iugilz, Münrhclu um 1,
Vs. 19a. Rnsulic (eigentlich Fricdcrikc Mm. Emzsline) wurde
am 21. 0m. 1x01 jnh. Hcinnch Falkner-Gcylnüllvrs um" (freund-
lkhr: Min. von m. jiger-Sunstcnzu. Sladrarrhiv).
")Gcus:lu. (nrschirhlc der Hzupt- und Rcsidcnzstaxlt Wicn, 13a. s.
Wien 1307, s. 1x9 u. 194.
m) Laut "DEMO Wie ', Angabe in allen dnci Auflagen.