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Volltext: Alte und Moderne Kunst VII (1962 / Heft 54 und 55)

und mit den regelmäßigen Proportionen klassizisti- 
schen Prinzipien. Auch ihr Programm wurzelt ganz 
in Ideen der Zeit. Riegl hat auf die gedankliche Ein- 
heit der Dekorationsinhalte des Empire hingewiesen: 
„Ein bestimmter Gedanke durchzieht ihre Motive, 
namentlich soweit sie rigürlicher Art waren. Es 
handelt sich dabei hauptsächlich um allegorische An- 
spielungen, Embleme, die mit der Bestimmung des 
Raumes, mit dem Charakter des Bewohners und der- 
gleichen zusammenhängen"7). lst in diesem Sinne 
nicht die Dekoration unseres Salons höchst passend 
für ein Gesellschaftszimmer? Die schwebenden 
Frauengestalten verleihen dem Raum festlichen 
Glanz, die reizenden Bildchen des Frieses und die 
Landschäftchen mit watschelnden Enten auf der 
Fayenceverkleidung des Kamins lassen einen ver- 
spielten Ton aufklingen, der wiederum gemäßigt 
wird durch den Ernst der Supraporten. Es ist 
unverständlich, daß Kamin und Supraporten ge- 
legentlich als spätere Zutaten empfunden worden 
sind. 
Die Frauengestalten sind, wie schon gesagt, Bac- 
chantinnen, eigentlich mimische Tänzerinnen. Ge- 
gen Ende des 18. Jahrhunderts war die Tanzkunst 
der Griechen wiederentdeckt worden, mit jener 
Inbrunst, die dieser Zeit eignet. ln XVien war es 
zuerst Maria Medina Vigano, die in durchsichtigen 
Gewändern griechische Tänze, oder was damals 
dafür galt, vorführte. 1793 erregte sie als „Tochter 
der Luft" (im gleichnamigen Ballett ihres Gatten) 
ungeheure Begeisterung. Im Wiener Theater- 
almanach für 1794 jubelt ein ungenannter Dichter: 
„Sie hat uns die Kunst der Griechen gebracht! . . ." 
Es stimmt nachdenklich, von De la Garde, dem Sit- 
tenschilderer des Wiener Kongresses, zu hören, 
daß Rosalie Geymiiller, seit 1807 Gattin des jüngeren 
Joh. Heinrich Geymüller, „wegen ihres ätherischen 
XVuchses" die Tochter der Luft genannt wurdeä). 
Vielleicht besteht ein bewußter Zusammenhang 
zwischen dcr Tanzkunst der Vigano, den schweben- 
den Frauengestalten unseres Salons und dem 
Necknamen Rosalie Geymüllers, die ja gew'iß in 
diesem Raume Feste gefeiert hat. Vielleicht zeigt 
sich hier auch nur die eigenartige Enge der Gedan- 
kenwelt des Empire. 
Über die Entstehung des Salons ist urkundlich nichts 
nachzuweisen. Roessler hat die Malereien für das 
Werk eines französischen Künstlers gehalten, der 
„vielleicht zur Zeit, als die französische Botschaft 
diesen Barockpalast bewohnt hat, aus Paris nach 
Wien berufen worden war". Das ist unwahrschein- 
lich, denn Bernadotte ist am 8. Februar 1798 an- 
gekommen, wenige Wochen nach der Ratifikation 
des Friedensvertrages von Campo Formio, und 
schon am 15. April 1798 wieder abgereist"). Nun, 
wenn auch die Fayenceverkleidung des Kamins, 
wie oben erwähnt, aus Paris importiert worden ist, 
so scheint es doch nicht notwendig, für die gesamte 
Dekoration einen französischen Künstler bemühen 
zu müssen. Abgesehen davon, daß unser Salon nicht 
recht in die Vorstellungen von französischer Empire- 
Innendekoration passen will, finden sich gewichtige 
Belege, die für wienerische Provenienz sprechen. 
Im Palais Auersperg befindet sich noch heute ein 
Empire-Salon mit en grisaille bemalter Seiden- 
bespannung, der - wenn man ihn auch schwerlich 
ein Pompejanisches Zimmer nennen möchte A 
viel Verwandtes mit unserem Salon aufweist. Türen 
und Lambris scheinen von derselben Hand entworfen 
zu sein, die Grisaille-Supraporten fehlen nicht, 
und schließlich finden sich unter den zahlreichen 
allegorischen Figuren, die dort die Wände gleichsam 
überspinnen, solche, die identisch oder fast identisch 
sind mit Figuren aus den Nebenfeldcrn unseres 
Salons. Es gibt für diese Personirikationen offenbar 
eine gemeinsame Vorlage, die gewiß nicht aus Pom- 
peji stammt, vielleicht aber aus der Fügerschule. 
Im Palais Auersperg erfolgte die klassizistische 
Umgestaltung 1802 nach Entwürfen von Heinrich 
Fischerlü), einem Künstler, von dem sonst nichts 
bekannt zu sein scheint. Es bleibt vorläufig offen, 
0b er nicht auch die Dekorationen für das Palais 
Geymüller entworfen hat; und ebenso muß offen 
bleiben, wer sie so virtuos ausgeführt hat. Es ist 
schwierig, hier Namen zu nennen, da ja die grund- 
legende Arbeit über die Wiener Dekoratiunsmaler 
des Empire noch fehlt. Auch die Mitteilungen Th. 
v. Frimmels (Lexikon der Wiener Gemäldesamm- 
lungen) über die Beziehungen des Hauses Geymüller 
zu zeitgenössischen Künstlern helfen nicht weiter. 
Vielleicht schafft hier eines Tages ein Zufallsfund 
Klarheit. Einstweilen soll uns genügen, daß das 
schöne lnterieur in der Geborgenheit eines Museums 
jeder Gefährdung entrückt ist. 
I) Vgl. A. Ring] 1 Der Wicrcr Congrcss (um. x. Mühe! und Innen- 
dckoration), w u! 189a. s. 191er. 
1) Vgl. H. (Iluctcr, Häuscr und Mcnschcn von Wi 1. Wien 191a. 
s. 122m 
1) Zwei lmericun au: dem altcn XVi: in ..l)as lnmricur". X. jg. 1909. 
S. 21W. (mit Abb.) Vgl. auch: Zwei AllAWiener Interieurs. vnu dcrlm. 
in "Kunst u. Künstler". Xll. Ig. 1914. S. 54431 
4) Führcr durch di Srhauszlmnllungun du: u. S. Lnndcsmusculns. Wien 
19131. s. 3 u. 16:, 
S) Am" der 51m1. Sanuuluxlgen, 21. 714 ex 19441. 
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") Vgl. R. Eigcnbcrger. Die Gemildegalnic ein. Wien 1927. Text- 
band s. 442. 
1) A. a. 0. 5.195. 
001mm: dcs Wicmrr Kongnrsas, hgg. v. (a. (iugilz, Münrhclu um 1, 
Vs. 19a. Rnsulic (eigentlich Fricdcrikc Mm. Emzsline) wurde 
am 21. 0m. 1x01 jnh. Hcinnch Falkner-Gcylnüllvrs um" (freund- 
lkhr: Min. von m. jiger-Sunstcnzu. Sladrarrhiv). 
")Gcus:lu. (nrschirhlc der Hzupt- und Rcsidcnzstaxlt Wicn, 13a. s. 
Wien 1307, s. 1x9 u. 194. 
m) Laut "DEMO Wie ', Angabe in allen dnci Auflagen. 

	        
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