Aus dem Kunsthandel
DIE BEWERTUNG
DEUTSCHER FAYENCEN
nach den Ergebnissen des Auktions-
hauses Weinmüller-München im Jahre
1961 7 Das Kunstauktionshaus Wein-
müller hat im letzten Jahre unter der
Leitung RudolfNeumeisters in vielen Ge-
bieten der Kunst und des Kunstgewerbes
durch ein reiches Angebot von Objekten
markante Verkaufsertolge erzielt und
somit wesentlich zur Kursbildung bei-
getragen. Mit Staunen konnten wir
in den letzten zwei Jahren das immer
mehr steigende Interesse für deutsches
Silber verfolgen, das heute in vielen
Füllen die hohen Preise des englischen
und französischen Silbers erreicht.
Die vor drei Jahren noch recht wenig
beachteten strengen Formen der Glö-
ser aus Murano haben in kurzer Frist,
begünstigt durch die herrschende mo-
derne Geschmackslinie höchste Be-
wertung erreicht. Alle anderen Teil-
gebiete des alten Kunstgewerbes. die
bis jetzt von der Hausse nach mehr
verschont waren. kommen. bedingt
durch die anhaltende Konjunktur all-
mühlich in den Sog der Aktualität und
des Preisanstieges. Immer mehr weitet
sich der Kreis der Leute. die das erste
Stadium eines repräsentativen Einrich-
tens des Hauses hinter sich haben und
zumspezialisierten Sammlereinesengen
Fachgebietes werden.
Deutsche Fayencen hatten schon immer
einen guten Markt und ein eigenes
konservatives Sammlerpublikum. Sie
waren jedoch weit entfernt von echter
Aktualität und von sensationellen Be-
wertungen. Dies Iiegt wohl daran,
daß das Verständnis der Fayence wohl
das feinste Fingerspitzengefühl und
die weitesten Kenntnisse unter allen
Sammelgebieten des Kunstgewerbes er-
fordert. Die Kenntnis der Marken und
der Grundformen des Dekors. die auf
dem Gebiete des Porzellans schon eine
wesentliche Stütze bilden können. ge-
nügen hier in keiner Weise. Nur ein
äußerst ausgeprägter Farbsinn, der
feinste Nuancen der Glasuren und
Farbwerte unterscheidet. kann das
Original von späteren Stücken unter-
scheiden. Jedes Stück ist in seiner Art
neu und individuell und die Literatur
und Forschung über die zahlreichen
Manufakturen sehr ungenügend. e
So haben in den letzten Jahren wohl
die Arbeiten der bekannten Süd-
deutschen Hausmaler immer wieder
vierstellige Erlöse gebracht. ein wirk-
lich breites Sammlerpublikum hat dieses
schwierige und schöne Gebiet jedoch
noch nicht finden können.
Im Jahre 1961 scheint sich nun auch
hier eine Änderung angebahnt zu
haben. Greifen wir vergleichsweise aus
dem Vorjahrsrekord des Hauses Wein-
müller einige typische Stücke heraus:
Ein Paar Hanauer Enghalskrüge in
der bekannten reizvollen Form, Ende
des 17. Jahrhunderts, mit Chinoiserien
bzw. mit biblischem Motiv in Blau auf
hellgrauem Fond erreichten 700.7
und 800. - DM (Abb. 4). Ein einfacher
Birnkrug mit Jagdszene in der Art
Adam Krugs bemalt. Künersberg oder
Lenzburg, 18. Jhdt. erzielte schon
1600.- DM (Abb. 2). Bei diesem im
Verhältnis zu dem relativ bescheidenen
Objekt hohen Preis wirkte die Publi-
kation Siegfried Ducrets über Lenz-
burger Fayencen und über den Maler
Adam Krug wesentlich preisfördernd
mit. verständlicher ist schon das hohe
Ergebnis für einen Durlacher Rechaud
(Abb. 1). der reizvoll in verschiedenen
Grüntönen mit Chinaiserien bemalt
ist: DM 3.600,-. Wie hoch jedoch
richtige Hausmalerkrüge bewertet
werden. zeigt uns der zinnmontierte
Walzenkrug, der die Signatur ,.Greb-
ner1732" trägt: Er erzielte 6.800. - DM
(Abb. 3). - Diese wenigen Beispiele
zeigen uns die deutsche Fayence als
ein Gebiet. das auch in mittleren
Qualitütskategorien schon zu den arri-
vierten Sammelgebieten gezählt werden
muß.
Rechaud, Chinotserien in verschieder
Grüntönen, Durlach. 1760
Birnkrug mit Jagdszene. Künersberg oc
Lenzburg, tBJh.
Walzenkrug. ztnnmanitert. berittene JüQ
stgn. "Grebner 1737.". Bayreuth
t-lanouer Enghalskrüge. Chinoiserte bzw, b
Motiv. blau auf grauem Fond, Ende 17.
WAS KOSTEN REMBRANDTS
HEUTE!
Die Beantwortung dieser Frage erhielt
durch das Sensatiansergebnis von
S 60.000.000.?. das am 15. 11. 1961
auf der Erickson-Auktion bei Parke-
Bernet für Rembrandts "Aristoteles"
erzielt wurde, erhöhte Aktualität („Alte
und moderne Kunst" berichtete in
Heft 53, p. 32. in einer Glosse über
diesen Sonderfall).
Bei der gleichen Auktion waren zwei
weitere Gemälde von Rembrandt aus-
geboten: der ..Prinz Heinrich von
Oranien" erzielte S 18000007. das
..Bildnis eines alten Mannes" brachte
S 4.680.000.- ein. Vor kurzer Zeit
erwarb die National Gallery. London,
das ..Bildnis eines Reiters" (Bredius
255), ehemals Besitz Lord Desborough.
Panshager, für S 11.000.000. . Ein
amerikanischer Sammler verkaufte
"ZClChOFtGS im Tempel" (Bredius 542.
ehemals Georges Lehmann, Paris)
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an einen Amsterdamer Händler um
S 9,100.000.-. Bei einer Londoner
Auktion wurde ein schlecht erhaltenes
Bild. ..Juno". ausgeboten. erzielte aber
nicht das gesetzte Limit und blieb bei
S 3.300.000? hängen; sein Besitzer
hatte sich mehr als das Doppelte dieses
Betrages erhofft.
Ungeheure Kurse erzielten Radierun-
gen: es erklomm ein früher. prächtiger
Zustand von „Christus wird dem Volke
vorgezeigt" bei einer Schweizer Auk-
tion S 7.950.000.-. während das alle-
gorische Blatt "Phoenix" bei der glei-
chen Auktion S 430.000.r einbrachte:
das gleiche Blatt war 1784 für 10 eng-
lische Schillinge. das sind etwa öS 300.-
abgegeben worden.
Im Schatten Rembrandts: Ergebnisse
der
ERlCKSON-AUKTION
PARKE-BERNET
NEW YORK. 15.11.1961
Fragonard, La Liseuse 217500004;
Frans Hals. Nann mit Hering
3.870.000. f i
Perugino. St. Augustin 3.450.000";
Terborch. 2 Porträts (Aelbert Nilant.
Johanna Quadacker Bannier)
1.144.000.-:
Cranach d. Ä. Sybille von
Z.730.000.e i
Raeburn. Quintin McAdam als Knabe
1,560.000.e:
Raeburn, Capt.
188.500.(:
Gainsborough. Dorothee. Lady Eden
910.000.-:
Holbein d. 1.. Sir
910.000.-:
Hubert Robert. .,Le Port de Pierre".
"Au Bois" 780.000.(:
Nattier. La Marquise de
6.550.000. e- i
Romney, Mrs. James Lowther 832.000. e '
Romney. The young Squire 645.500. r :
Mastaert. 2 Bildnisse (Dame und Herr)
616.000. er :
Tocque.
520.000. - .
Preise in öS, errechnet auf der Basis
1 US S I 26 öS.
Cleve
David Kinloch
Nevill
George
Baglion
Mlle Suzanne le Mercier
Zu den Bildern auf Seite S5
J. c. Flazer, Alexander der Große Im Atel
des Apellcs. ouxuerer, slqn. J.G.Plax
Z7.5x37cm
Friedrich Guuermuhrt. Hlrl mit Herde
bergigar Landschaft, Ol{Lw.. Slgn. F. Gau
mann C1816. 72x96 cm
Oskar Kokoschka. Sitzendes Mädchen, ÖIIL'
um 1908. 77.5x88 crn