die hohe Wertschätzung Ferdinands, mit
dem ihn herzliche Beziehungen verbanden 77.
Bereits sein erstes Grazer Bild zeigt den
völlig anderen Ton, der nun vorherrscht.
Es ist eine Apotheose der Gegenreformation
in der an der Stelle eines Autodafes luthe-
rischer Schriften vom Erzherzog 1600 ge-
stifteten Antoniuskirche. In spätmanieri-
stisch verschrankter Figurenkomposition
sehen wir rechts am Rande den jugendlichen
Ferdinand in voller Rüstung knien, wie er
eben von der Religio Schild und Schwert
überreicht bekommt (Abb. 6)73. Was unter
Karl nie geschah, jetzt triEt es zu: der
katholische Regent läßt sich in der Gesell-
schaft von Heiligen als militanter Streiter
wider den Unglauben darstellen, Wobei
Harnisch und Schwert die Unbeugsamkeit
seines Vorgehens deutlich vor Augen
führen. Wie sehr Ferdinand seine Einstel-
lung zum Protestantismus im Bild propa-
giert wissen wollte, beweist die Tatsache,
daß er sich noch zweimal in gleicher Auf-
machung und Funktion abbilden ließ79.
Daneben mußte de Pomis auch die Stif-
tungstätigkeit des Hofes, die der katholi-
schen Seite wieder Boden unter die Füße
gab, im Bilde verherrlichen. Auf einem
weiteren Bild der Antoniuskirche (Abb. 7)
sehen wir links unten die Erzherzoginxxiitwe
als Stifterin des Klarissinnenklostcrs im
Paradeis, das an Stelle der 1599 gesperrten
protestantischen Stiftsschule errichtet
wurdeöü. Das auch hier zu beobachtende
enge Beisammensein mit beliebten Heiligen
der katholischen Kirche soll für die Recht-
mäßigkeit der Sache des Hofes in der
Glaubensfrage sprechen 31. De Pomis' Rolle
als Hofkünstler ist also die eines Propagan-
disten für den katholischen Glauben und
für die Regentenfamilie, die diesen Glauben
mit Macht durchsetzte. Seine eigene Lei-
stung ist es dabei, wie er sein italienisches
Formengut, das vom venezianischen Spat-
manierismus (Tintoretto) gespeist ist, diesen
steirischen Verhältnissen anpaßte und damit
eine Hofkunst schuf, wie sie Weder in
Wien noch in München oder Prag anzu-
treßien war 32. Als höfischer Porträtist ist er
allerdings, wie Heinz nachgewiesen hat,
dem Rudolfinischen Malerkreis verpflichtet,
wozu ihn sicher die Grazer Arbeiten der
Aachen und Heintz d. angeregt haben
werdenß}. Die Totenbilclnisse der Erzher-
zoginwitwe Maria und der Erzherzogin
Maria Anna seien als Beispiele ange-
führt34.
De Pornis war der erste Hofmaler, der im
steirischen Boden Wurzeln schlug und auf
den allmählich erwachenden heimischen
Kunstbetrieb, der sich mit dem Wieder-
erstarken der katholischen Kirche auch
außerhalb von Graz zu regen begann, be-
deutend einwirkte. Dies gelang ihm, scheint
uns, vor allem dadurch, daß er in seiner
Weiteren Tätigkeit für den Hof und den
steirischen Adel seinen Malstil in Richtung
auf den strengen Barock hin wandelte,
wozu als charakteristische Werke das
Christusbild im Grazer D0m35 und das
Hochaltarblatt der von ihm für die Eggen-
berger gebauten Mariahilferkirche genannt
seien, Welches bezeichnenderweise zu einer
der meist kopierten Mariendarstellungen des
steirischcn Barock wurde S6.
Der allgemeine Aufschwung der Malerei
unter Ferdinand, an dem nun auch immer
mehr Nichtitaliener mitwirkten, sei am Bei-
spiel der bemalten Decken von Schloß
Tausendlust bei Graz aufgezeigt, köstlichen
Grotesken, am Ende des 16. Jahrhunderts
entstanden, mit typisch nordischer Lebens-
lustsymbolik (Abb. 8) 57.
Der protestantischen Kunst war mit Ferdi-
nands Politik allerdings bald der Boden ent-
zogen. Nicht nur, daß jeder Kirchenbau
fortan verboten war, wurden darüber hinaus
noch durch eingesetzte „Religionsrefor-
mationskommissionen" die bisher bestehen-
den Bauten mit seltener Gründlichkeit dem
Erdboden gleichgemacht 38. Erhalten hat
sich aus dieser Zeit nur ein Bilderzyklus in
Tipschern bei Gröbming von 1597 bis 1599,
bezeichnenderweise in einem zum Betsaal
adaptierten Privatraum 39.
Als Ferdinand 1619 als Kaiser Graz verließ,
hatte sich das Kunstleben schon einiger-
maßen konsolidiert. Zwar dominierten
Italiener in der Baukunst nach wie vor und
hielten die meisten Stellen besetzt90, doch
kann gerade in der Malerei ein immer
häungeres Aufseheinen deutscher Namen
konstatiert werden. Dies führte letztlich zur
Gründung einer am 4. jänner 1622 von
Ferdinand bestätigten Malerkonfraternität,
in der sich die Grazer Maler und Bildhauer
gegen fremde Meister absicherten9l. Ihr
Urheber war niemand anderer als de Pomis,
der seine führende Rolle auch nach dem
Weggang seines Protektots bis zu seinem
Ableben1633 geschicktbehaupten konnte.
Von den namentlich bekannten Malern des
frühen 17. jahrhunderts heben sich neben
de Pomis zwei mit je einem erhaltenen Werk
bestimmbare Meister hervor. Der eine,
Jakob Klingko, war Hofmaler bei Ferdinand
und zeigt in einem Marienbild mit Gio-
vannino von 1618 ausgesprochen deutsches
StilgeprägeW. Anders dagegen Hans Heinz,
der ab 1620 in Graz nachweisbar ist und hier
1635 verstarb93. Sein Altarblatt mit der
Himmelfahrt Mariä in der Kapelle des
Grazer Landhauses von 1631 (Abb. 9) ist
venezianisch beeinflußt und steht wie der
reife de Pomis auf der Stilstufe zwischen
Spätmanierismus und Frühbarock94. Über
Heinz sind zur Zeit noch Forschungen im
Gange im Zusammenhang rnit der Eruie-
rung der Meister des deutsch-römischen
Skizzenbuches von 1609[11 in Wolfen-
büttel, und es ist dabei auf neue Ergebnisse
zu hoPfen95.
Sehen wir also in Graz, initiiert von de P0-
mis, ab dem 2. Jahrzehnt bereits den Früh-
barock heraufkommen, so ist in der übrigen
Steiermark noch ein längeres Beharren auf
spätmanieristischen Vorbildern vor allem
deutscher Künstler zu beobachten, die in
Nachstichen eine große Verbreitung
fanden. So geht etwa die Taufe Christi am
rechten Scitenaltar von 1645 der Pfarr-
kirche von Murau auf eine Komposition
des Hans Rottenhammer zurück (Abb. 10,
11)96, während das Oberbild am rechten
Seitenaltar von Sehöder der von H. v.
Aachen für Il Gesü gemalten und 1588 von
E. Sadeler nachgestochenen Geburt Christi
entlehnt ist (Abb. 12, 13) 97. Doch war dieses
Mißverhältnis am Ende des 17. ]ahr-
hunderts ausgeglichen, als Adel und Kirche
in gleicher Weise als Auftraggeber in Er-
scheinung traten.
Wenn wir von den über 50 Jahren Gtazer
Hofmalerei auf Grund der exklusiven
Bestimmung ihrer Hervorbringungen auch
nur das Werk des de Pomis als von direktem
Einfluß auf die weiteren künstlerischen Ge-
schehnisse in der Steiermark erkennen konn-
ten, so müssen wir doch festhalten, daß in
diesen bewegten Jahren ein geistiger Prozeß
der Erneuerung, des Aufnehmens das Land
bewegt hatte, der dann den Grund legte für
die Entstehung einer eigenschöpferischen,
blühenden Barockkunst.
ANMERKUNGEN 68 - 97
"E Die Stadtpfarrkirdxc zum Heiligen Blut in Graz, Graz 1916,
S. 30T. e Kohlbach, Die gotischen Kirchen in Graz, Graz
1950, S. ZHf.
70 Wasller. Kunstleben, a. a. O S. 112, 166.
71 Dcrs" Kunstlcben, cl. a. 0., . 1135 - Thiel, Die landes-
(ürsllichc Burg, a. a. 0., S. 23f. - Georg Troescher,
Kunst- und Kürßdßlwändetllngün ih Mitteleuropa soo bis
1800, 2. Bei, 1954, S. 432 (dort weitere Literatur).
71 Heinz, Studien, a. a. 0., S. 125 f.
73 Wastler, Kuusllcbcn, a. a. 0., S. 1246".
74 Heinz, Studien. a. a. 0., S. 129 und K32.
75 Wastler, Klmstleben, a. a. 0., S. 224, Anm. 194 - Heinz,
Studien. a. a. 0., S. 129i
76 Heinz, Studim, a. a. 0.. S. 136.
11 Nebehay, a. a. 0.. dort alle wichtige Litclilut.
18 Dies., a. a. 0 s. 19m - Kohlbach, Die barocken Kirchen
in am, 21.2.0 s. 41.
w Einnnl in dem Bild "Allegorie Qüf Erzherzog Ferdinand
von lnncrösbexreich als Gegenreformator" in der Alten
Galerie am joanncum, gemalt von de: Pomis um 1514.
siehe dazu Nebehay, a. a. 0., S. 93m und, ll., s. 7r i
Keehh, Katalog. a. a. 0., s. 2l r. (dort alle weitere Literatur).
Die zweite Demelliihg, ausgeführt in Fresko, beßndex sich
im dCI elliptischen Kuppel über der Grabkapellc das Grau:
Mausoleum: und enlsprich: in ihrer Kompnsilinll dem
20
Bild der Alten Galerie. Nebehay schreibt auch diese Arbeit
de Pomis zu. a. 2. 0.. s. 99, und ll., s. slr. e Ulrich
oelierbuuer, zur Restaurierung des Mausoleums in Graz,
in: osrerreieluselie Zeitschrift für Kunst- und Denkmal-
pflege. x. ]g., 195a, s. 110m, weist dagegen näCil, daß
diese Kuppel erst von 1688 bis 1695 zusgeschmückt wurde,
das ilLlf Ferdinand bezügliche Fresko also erst in dieser Zeit
entstanden sein könnte. Dann hätte de Pomis' Bild nOCh
so Jahre nach seiner Entstehung als Vorlage gcdicnt.
w Nebchay, a. a. 0., s. 4m. Kohlbach. Die barocken
Kirchen, a. 3. 0., s. 42.
M Hiezu wäre K101i"! das große Altarbild rrii: der Himmelfahrt
und Krönung Mariens, verbunden mit der Aufnahme der
Erzherzogin Maria in den Himmel, anzufuhrcix, dds
ursprünglich als Hnchaltarbild des Klarissinnenklosters
diente und sich lieure in der Alten Galerie befindet. Sich:
dazu: Kurt Woisetschlägcr, Meisrerwerlre der Barock-
mzlenzi im Landesmuseum Joanneum Graz, Joannea, Bd. l.
Wien 1961. S. IOO (dort alle Weitere Literatur).
uNcbehay. 3.3.0 9.3981
Ü Heinz. Studien. . . 0., S. 13111".
3' Beide Bildnisse beündcn sich, wie auch nllc anderen
Ponräts der sleirischen Linie, seit dar Auflösung der
Gxazer Kunstkammcr was in wien (jetzt Kunsthislorisches
Museum). Wastler, Kunstleben, a. a. 0., s. 185 e Heinz,
srudien, 121.0. 5.13211
H Entstanden 1519 Ncbchay, 3.11. 0.. s. mit, und 11.,
s. 12. Der Stilwundel des de Pomis ist iielier auf eine
zwischen m17 und 1611 liegende Italienreise Zurückzu-
rnnren. - Gertmde Aurcnhammer, nie Handzcichnungen
des 17. Jiis. in Öshcrreich, 195a, s. s7r.
M Entstsnden 1611; Nehehay, a. a. 0.. s. 7m, und 11.,
s. a1.
v Dehio. Steiermark, a. a. o.
w Mnttiies. Evangelische Kirchenbautcn. a. a. 0. 7 Wastlcr,
Die protestantische Kirche zu Scharfcnau bei Sachsenfeld.
in: Miltheilungcn des historischen Vcrcins für Steiermark,
xxxvm. Heft, 1x90, s. m.
w gnkinn. Ein pxoteslantischcr Bildzyklus in steierninrk. in:
Osterreichische zeirseiirirt riir Kunsl- und Denkmalpflege,
Jg. XI, 1957, s. an".
w Wasllcr, Die Verwclsthung der ßnnrrseisrerzniirr in Graz
im XVII. Jnirriinntierr, in: Mitthcilungcn der k. k. Ccntml-
Commission, xrx. ]g., N. F., 1x93, s. 17311".
M Wastlcr, Die Ordnung der von Peter de Pomis gcgxündcltil
Mxler-Confzalernitäl in Graz, Graz o. I,
91 Wastler. Kunstlcbcn. z z. O S. 191 7 Artikel in Thicmc-
Becker, XX. Bd., 192
93 Wasller, Kunstleben. a. a. O S. 191 7 Artikcl in Thicrnc-
Becker, XV. 1341., 1922 (unv. Haintz).
W Wasrler, Landhaus, a. a. O.. S. 25T.
95 Friedrich Thune. Ein dCuKS römisches Skizzenhuch von
1609 bis 1611 in der Herzog-August-Bibliothck zu Wolfcn-
nuttei, Berlin 1960. s. 171.
v6 Woisetschläger - Maycr, n. a. 0., s. 377a
W Dies, a. a. 0., s. 27911.