Bildteppich angefertigt. 1818 hatte Ingres
das Thema aufgegriffen und später noch in
zwei anderen Versionen gemalt. 1835
stellte Jean-Francois Macret den Stoff dar.
Deutsche Darstellungen stammen von _]u-
lius Schradcr und Moritz Calisch47. Ty-
pisch an dem Thema ist die Begegnung von
Künstler und Herrscher. Franz I. war für
die Franzosen die Hauptfigur des Bildes.
Frangois Joseph Heim führte seit 1825 die
Malereien in der Salle diEuphronios im
Louvre aus: Um ein Mittelbild mit dem
Thema „La Renaissance des Arts en
Francem" gruppieren sich Darstellungen
aus der französischen Geschichte, darunter
einige, in denen sich die Geschichte mit der
Kunstgeschichte berührte: Perugino malt
Karl VIIL, Franz I. besucht das Atelier
Benvenuto Cellinis, Leonardo auf dem
Sterbebett u. a.
Die Verbindung von Kunstgeschichte und
Herrschergeschichte wirkte sich in Deutsch-
land vor allem in der Ausmalung der
Karlsruher Kunsthalle49 aus. Moritz von
Schwinds 1842 beendetes Hauptbild zeigt
die, wie es heißt, „unter Herzog Conrad
von Zähringen gefeierte Einweihung des
Freiburger Münsters, als des ersten und
größten Kunstwerks unseres Landes". Das
Thema bot Gelegenheit, außer dem Künstler
die historischen Vorgänger des Fürsten
und des Klerus gebührend zu repräsen-
tieren. In einem Nebenbild ist dargestellt,
wie Baldung Grien den Markgrafen Chri-
stoph porträtiert.
An der Neuen Pinakothek in München
wurde seit 1848 sogar das ganze Programm
der Fresken nach Kaulbach auf eine Herr-
scheri-igur, Ludwig I., ausgerichtet und im
Katalog mit dem Titel „Kunstschöpfungen
König Ludwigs" umrissen 50. Es ist in
dieser Hinsicht einzigartig.
Das Programm der Neuen Pinakothek ist
noch aus einem anderen Grund wichtig.
Es beschränkte sich auf die Behandlung
zeitgenössischer Künstler. Diese wurden
dargestellt wie Gestalten historischer Zei-
ten.
In der Ausführung etwas früher, 1846 bis
1850, waren die Zementputzmalereien von
Jörgen Valentin Sonne am Außenbau des
Thorvaldsen-Museums in Kopenhagen ent-
standen, die den Einzug Thorvaldsens in
Kopenhagen, 1838, zum Thema hatten51.
Hier handelte es sich um die Darstellung
einer einzigen Begebenheit.
An der Neuen Pinakothek dagegen war
zum erstenmal eine größere Anzahl zeit-
genössischer Künstler in ihrem Zusammen-
wirken und in verschiedenen historischen
und allegorischen Zusammenhängen dar-
gestellt.
Ein solcher Zeitgenossen wiedergebender
Zyklus konnte nicht ohne Polemik und
leichte karikaturenhafte Überspitzung blei-
ben. Er wirkte gerade darin als Vorbild.
Die Tendenz zur überspitzten Darstellung
von Zeitgenossen verbreitete sich.
Zwei Zeichnungen, „Cornelius als Ritter
und Kämpfer wider den Zopf", Alfred
Rethel zugeschrieben 51, und „Cornelius be-
weihräuchert sich selbst", von Kaulbach 53,
zeigen die beiden Extreme, allegorische Ver-
herrlichung und karikaturenhaften Spott.
Besonders tritt an der Neuen Pinakothek
ein Bildtyp hervor, der die Kunsthistorien-
malerei der zweiten Jahrhunderthälfte be-
stimmt hat: die gemeinsame Darstellung von
Künstlern einer Epoche in einem Bildfeld.
Je eines von drei Freskenfeldern vereinte
die unter Ludwig tätigen Architekten,
Bildhauer und Maler, als wären sie ge-
meinsam tätig gewesen54.
Ein 1861 datiertes Ölbild Eugen Napoleon
Neureuthers55 mit umfangreichem Pro-
gramm greift den Bildtyp auf: Es stellte
die Künstler Ludwigs I. in ähnlichem Zu-
sammenhang dar.
Besonders häuhg erscheint dieser Typ in
Frankreich. -- 1866 beendete Charles Louis
Muller die Ausmalung des Salon Denon im
Louvre: Vier große Wandbilder zwischen
allegorischen Figuren repräsentieren vier
Kunstzeitalter in Frankreich, verkörpert
durch einen besonders hervorragenden
Herrscher, die unter ihm beschäftigten
Künstler und deren berühmteste Wcrke5b.
Dargestellt sind Ludwig der Heilige und
die Kunst des Mittelalters, Franz I. und die
Kunst der Renaissance, Ludwig XIV. und
die klassische Kunst, Napoleon und die
zeitgenössische Kunst.
Einen Höhepunkt dieser Bildgattung in
Deutschland stellen die beiden großen
Bilder von Carl Gehrts in der alten Düssel-
dorfer Kunsthalle dar. Sie gehörten in einen
umfangreichen Zyklus, in dem unter an-
derem auch eine weibliche Gestalt als
Allegorie der Kunstgeschichte vorkommt 57.
Sie zeigten die Zeit der Antike und der
Renaissance. Erhalten sind die Ölentwürfe
von 188253. Die in den folgenden zehn
Jahren ausgeführten, zum Teil stark abge-
änderten Fresken wurden, obwohl sie
nach dem Kriege gut erhalten Waren, mit
dem Gebäude abgerissen59.
Das frühe Bild Ingres zum Thema „Raffael
und die Fornarina", seine eigenen Wieder-
holungen und die anderer Künstler machten
Darstellungen von Künstlern und Frauen
besonders geläuGg. Hans Makart führte
diese Szenen zu einem späten eigenen
Bildtyp, der an der Grenze steht zwischen
Künstlerszene und bloßem Künstlerbild-
nis. r Für das Treppenhaus des Wiener
Hofmuseums entwarf er Lünetteu, auf denen
er Künstler mit ihren Geliebten darstellte 60.
Das Thema, Künstlertum uncl Frauenschön-
heit, wie er es hier malte, hatte ihn sein
Leben lang beschäftigt. Drei dieser Bilder
bestimmte man deshalb zur Ausschmückung
seines Ateliers, in dem er nach seinem Tode
1884 aufgebahrt wurde: Rembrandt, Raffacl
und Rubens mit ihren Geliebten 61.
Thema der Kunsthistorienrnalerei waren
historisch belegte, dichterisch verklärte oder
bewußt erfundene Situationen im Leben
historischer Künstler. Man wählte Künstler
während der Arbeit an bedeutenden Wer-
ken, Künstler in entscheidenden, ihr Schaf-
fen bestimmenden Augenblicken, oft bei
Begegnungen mit Herrschern, daneben
aber auch Künstler in beliebigen Lebens-
momenten, etwa zusammen mit der Ge-
liebten. Leicht nachzuempfindende, dra-
matisch zugespitzte oder rührende Szenen
wurden bevorzugt. Eine besondere Rolle
spielten die Darstellungen ganzer Zeitalter
oder Kunstperioden, in denen mehrere,
etwa gleichzeitig wirkende Künstler mit-
einander auftraten.
Neben den historischen wurden zeitge-
nössische Künstler Gegenstand der Kunst-
historienmalcrci und erschienen gleich-
berechtigt in den Programmen. Solche
Darstellungen waren oft in besonderem
Maße überhöht, karikierend überspitzt oder
allegorisch ausgeschmiickt.
Eine weitere, letzte Dimension der Kunst-
geschichtskunst waren Schilderungen von
Kunsthistorikern und Kunstkritikern bei
kunstwissenschaftlicher Betätigung.
Kunsthistoriker früherer Jahrhunderte, die
zugleich Künstler waren, etwa Ghiberti
oder Vasari, erschienen wie diese im Zu-
sammenhang von Kunstgeschichtspro-
grammen: Ghiberti an der Glyptothck 62,
Vasari im Zyklus der Pinakotheköl. Sie
waren jedoch fast nie als Kunstschrift-
steller gekennzeichnet.
Zeitgenössische Kunsthistoriker Wurden in
ähnlichem Sinne dargestellt wie zeitge-
nössische Künstler: zuweilen sachlich, wie
Athanasius von Raezynski, der neben den
unter Ludwig I. tätigen Malern an der
Neuen Pinakothek sitzt und seine „Ge-
schichte der neueren deutschen Kunst"
schreibt64, oder Ludwig Schorn, Heraus-
geber des Kunstblattes, der mit Schrift-
rolle und Feder unter den Künstlern Lud-
wigs stehtöä. Zuweilen karikierend über-
spitzt, wie Schorn auf einer Illustration
Johann Christian Reinhardts zu einer von
Franz Catel, Joseph Anton Koch, den
Gebrüdern Riepenhausen, Johann Martin
von Rohden, Thorvaldsen, Philipp Veit und
Reinhardt selbst unterzeichneten Schrift:
„Drei Schreiben aus Rom gegen Kunst-
schreiberei in Deutschland" 66.
ANMERKUNGEN 47-66
47 Andreas Plgler, Barockthemen, Bd. 2. Budapest-Berlin
1956, S. 426i
43 Charles Srcrlin . Hälänc Adhimzr. L2 Pßinzure au Musbc
du Louvre. E60 c Fnnqaise XIXe Siäclc, Bd. 3. Paris 1960,
Nr. 1064 mit Abb.
49 Plaganann 1.967, S. 984101.
W Vgl. Anm. 34: "lagcmann 1967, S. 1291".
511.. Roslxup Böyswn, Fliscn paz Thorvaldscns Museum.
Kunstmusccts Azrukrill 1946147, S. 153m; Rudolf Zu-illct.
Die Kunst dva 19. Jahrhundcns. Berlin 1966. S. 195,
Taf. Kb.
53 AussL-Kan. Handzeiclmungen 19. Jahrhundert. Galerie
Palüath. Düsseldorf 1968, Nr. 207, Titelbild.
12
53 Bexlill, Slzall. Museen, Nationalgalerie; auf diese Zeich-
nung wizs mich Dietrich Kötzschc hin. lhm verdanke ich
auch ein Foto der Stand. Museen.
M Vgl. Anm. u; München. Bayer. Slaatsgemäldzsamm-
lungcn, lhm-Nr. WAF 410.
55 Mlinchrn. Schark-Galzrie.
55 Stnling-Adhhnar 1960. Nr. 1442-1445 mit Abb.
57 Wilhelm Schlcicher. Di: Trcp nhausfresken von Carl
Gvhrts. Düsseldorf 1897; Frcd oclß, Die Kunsthalle in
Düseldorf. Düsavldorfrr Hcimztbliltex 9. 1941], S. 69-90.
5' Düssddorf. Kunstmuseum.
S9 Fotos im Sladtgeschichtljchen Museum Düsseldorf zeigen
die verhältnismäßig gut erhaltenen Wandgemälde im
Treppenhaus des beschädigten Baucs.
w Wim, Kunsthistorischcs Museum.
M Emil Pirchan. Hans Makazt. Wien-Leipzig 1942. Abb. 124;
13m einer Zeichnung von l. J. Kirchner und Wilhelm
ause.
u Plagcmann 1967. s. a1.
63 Plagemann 1967. S. 392.
54 Vgl. Anm. 34 und S4.
55 Vgl. Anm. 34; München. Baycx. Sraatsgcmäldcsammlun-
, Inv.-Nr. WAF 423.
56 xci Schrcibcxl au: Rom gegen Kuusuchrcibcrci in
Dcurschland crlasen und unterzdchnct von Franz Catel,
jos. Koch, Friedrich Riepenhausen, Ich. Riz-pcnhnusßn.
von Rohden, Alb. Thorvaldsm, Ph. Veit, Joh. Chr.
Reinhart, Fxiedr. Rud. Meyer, Dessau 1833.