1 Schoknladekannu aus weißem Porzellan. dem romanischem
Aquamanile (Abb. z) nachempfunden. Unter jedem Fuß ist
die Marke der Wiener Porzt-llanfabrik cingepreßt, wie sie
1144-1149 üblich W31. Hohe 1a cm. Victoriaöc Albert
Museum. London
Mosancs Aquatnanilc aus vergoldeter Bronze mir Silber- und
Nicllo-Dckor. Mine oder 2. uairie des 12. Jahrhunderts.
Höhe 17 Cm. Kulislliistorisclics Museum. Wien
1.:
ANMERKUNGEN 1-- 10
" Übersetzung und WiedrrvrröHl-ntllchirng dieses Artikels mit
freundlicher Genehmigung der Zeitschrift "The Conoisseur",
in dessen i-it-n August was dieser Beitrag eritriuis erschienen ist.
C. 7-1968. Gekauft von Mr. W. Lissauur.
Z Daticrung dieser Zeichen: siehe J. Folnesics und E. W. Braun.
gcschichtc der K. K. Wicncr Porzellannianufakttir. Wien 1907.
. 197.
1 Wien, Kunszliistorisches Museum, Katalog der Sammlung für
Plastik und Kunstgcwcrbe, l. Mittelalter, Wien 1964, Nr. 71.
Bild 9 und farbiger Einband; O. von Falke und E. Meyer.
Bronze ertite des Mittelalters, l. Bd. Berlin 1935, Nr. 265
und Ab r 229.
4 1471-1870. Sieht: von Falke und Meyer, op. cit., Abb. 230a.
5 Beschreibung dcr Antiken Brnnzen des K.K. Münz- und
Antikenkabitictts. Wien 1352. Dr. Erwin Neumann bin ich
für Iufortnatioit hinsichtlich der frühen Geschichte des Aqua-
iiinniie zu Dank verptiichtet.
5 Sicht: J. F. Hayward. Viennesc Porcelain uf the Du Paquier
Period. London 1952, pls. 14c und d. pl. 64c.
1 Ein ehrgeiziger, aber einmaliger Vclsuch wurde olTenbar in
den frühesten Jahren, um 1720 gemacht. Siehe J. V. G. Maller,
„Die frühesten Wiener Porzcllantiguren", in Alle und mo-
deme Kunst, Nr. 105. julilAugust 1969. S. 31-35.
3 Sir Kenncth Clark. Tht: (iothic lkevival, London 1928, ver-
besserte Auflage 1950.
' Charles L. Eastlakc, A History of thc Gnthic Rcvival, London
1872.
W Wiederaufleben der Gotik in Deutschland: siehe Hans Tietze,
"Das Fortleben der Gorik durch die Neuzeit", Mitteilungen
der K.l(. Zenlralkornmission für Denkmalphege, XIII, dritte
Serie, Wien 1914, 8.197114 Hermann Srt-imitz. "Die Gotik
im deutschen Kuiur- und Geistesleben", Berlin 1921; Alfred
Ncumeyßr. "Die Erweckung dcr Gotik in dcr deutschen Kunst
des s iten 1a. 111.", Repertorium riir Kunstwisrenschafl.
Bd. LlX, Berlin und Leipzig 1928. und W. D. Robson-Scolt.
rhe Literary Background nf the Gothic Revival in Germany.
Oxford 1965.
mayer, zum Modellmcister berufen wurde,
fand die Manufaktur auch Anschluß an die
Hauptrichtung der zeitgenössischen europäi-
schen Plastik. Während der Jahre, in denen
unsere Schokoladckannc entstand, ist an vielen
Erzeugnissen der Wiener Manufaktur eine
klassizistische Richtung des späten Barock bzw.
frühen Rokoko festzustellen.
Warum also wählten dic Wiener Modclleute
dieser Zeit gerade einen romanischen Proto-
typ als Vorlage für die Schokoladckannc?
Wenn sich das ursprüngliche Aquamanile
bereits in den kaiserlichen Sammlungen be-
fand, können wir wohl annehmen, daß es
der kaiserlichen Manufaktur zur Verfügung
gestellt wurde, um kopiert zu Werden. lWes-
halb aber sollte die Fabrik zwischen 1744
und 1749 überhaupt ein mittelalterliches
Stück zur Nachahmung ausgewählt haben?
Dem Aussehen des zu kopierenden Objektes
zufolge konnte der Modellcur erkannt haben,
daß dieses wohl sehr alt war, auch wenn er
sonst nicht viel darüber wußte. So ist auch
anzunehmen, claß die Purzellankopie die ersten
Anfänge des Historismus auf dem europäischen
Kontinent, der zum „gothic rcvival", dcr
gotischen Wiedergeburt der Architektur führte,
widerspiegelt. Daß diese spezißsch mittelalter-
liche Form einen Porzellanmodelleur der
1740er Jahre angesprochen hatte, könnte auch
durch gewisse heraldische und groteske Ten-
denzen des barocken Stils erklärt werden.
Die Wiedergeburt mittelalterlicher Stile in dcr
Architektur wurde schon allzu oft als ein
fast ausschließlich englisches Phänomen be-
handelt. So schrieb Clark 19283 ebenso wie
Eastlake 18729 von der gotischen Wieder-
geburt (gothic revival), ohne Effners Magda-
lenenkapelle von 1725-1728 in Nymphen-
burg oder Friedrichs des Großen Naucncr
Tor von 1755 in Potsdam, das Gotische Haus
in Wörlitz von 1773-1809 oder die beein-
druckende Neogotik Schinkels im frühen
19. Jahrhundert in Preußen zu erwähncnlü.
Wenn Wir unsere Forschung auf das öster-
reichische Kaiserreich während der 1. Hälfte
des 18. Jahrhunderts einschränken, so finden
wir bemerkenswerte Gebäude in gotischer
Stil- und Geschmacksrichtung, vor allem jene
Giovanni Santinis (1667-1723), der in Böh-
men eine „Barockgotik" entwickelte, die übcr-
zeugender war als alles, was sein englischer
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