überall Rücksicht genommen werden, inso-
ferne sie irgend dazu dienen konnten, hervor-
ragende Persönlichkeiten deutlicher zu be-
zeichnen, oder die Kunstzustände der ver-
schiedenen Perioden im Allgemeinen anschau-
licher zu machen"37.
Wolzogen schrieb 1867 über den Zyklus:
„Ohne seine dichterische Freiheit aufzugeben,
läßt der Maler den einzelnen Personen und
Thatsachen, wenn auch hie und da nicht au-
thentische mit unterlaufen, ihr individuelles
Recht widerfahren, und eben hierdurch ist es
ihm möglich geworden, Compositionen zu
schaffen, die für sich selbst deutlich und be-
deutsam sind. Vorzugsweise verstand er es
auch hier, seine tiefere poetische Erfassung
des geistigen Gehalts in den Erscheinungen
der Wirklichkeit vermittels einer Zeichen-
Symbolik und durch allegorische Gestalten
vorzuführen" 38.
Cornelius) Fresken in der Glyptothek waren
noch vom überlieferten griechischen Mythos
ausgegangen und hatten mit ihm verallge-
meinernd göttliches und menschliches Wirken
gedeutet. Schinkel hatte sich in seinem Fresken-
zyklus in der Vorhalle des Berliner Museums
von einem festgelegten Sagenstoff gelöst und
schilderte einen selbst erdichteten, an anti-
kische Vorstellungen angelehnten romantisch-
heroischen Mythos von der „Bildungs- und
Geistesgeschichte der Welt insonderheit des
Menschengeschlechtes"39. Die Fresken der
Pinakothek lösten aus diesen allgemeinen
Darstellungen den Komplex der neueren Ge-
schichte der Kunst heraus. Sie stellten einen
historisch faßbaren Zusammenhang dichterisch
verklärt dar. Diese Darstellung, als malerische
Dichtung betrachtet, daher ganz legitim gar
nicht um historische Richtigkeit bemüht, ist
die erste ihrer Art. Sie trat an die Stelle der
vorhergehenden großen Museumszyklen, die
noch nach einer der Bauaufgabe Museum ent-
sprechenden Form tasteten.
Da die einzelnen Säle für vorherbestimmte
Bilder und Bildergruppen geplant waren,
konnte Klenzes ornamentale Dekoration darauf
Bezug nehmenw (Abb. 12). Der Charakter
des Ornaments in jedem einzelnen Saal war
auf die stilistische Eigenart der Epoche, der
Malerschule oder des Künstlers abgestimmt,
die darin ausgestellt waren. Im Rankenwerk
konnten figürliche Motive auftauchen. Außer-
dem waren Medaillons oder Schilder einge-
streut, die Reliefdarstellungen enthielten oder
Texte Wiedergaben: Namen von Künstlern
und Ruhmesinschriften.
Das Deckenornament des ersten Saales ent-
hielt Reliefs mit Szenen aus dem Leben Jan
van Eycks, die nicht gedeutet sind. Inschriften
gaben Künstlernamen wieder: „Meister Wil-
helm, Johann van Eick, Johann Hemling,
Quintin Metsys, Bernhard van Orley, Lucas
van Leyden, Johann von Mabuse, Johann
Schoreel."
Im Ornament des zweiten Saales waren vier
Szenen aus dem Leben Dürers dargestellt,
darunter „Empfang Dürers in Antwerpen"
und „Kaiser Maximilian und Dürer besichtigen
einen Triumphzug".
Auch die Dekoration des Rubens-Saals (Abb.
12) enthielt „einfache allegorische Darstel-
lungen"4l: Jupiter als Stier, der die Europa
22
raubt, vielleicht Anspielung auf Rubens'
Sinnlichkeit; eine auf einem Pfau schwebende
weibliche Figur, Juno, auch als Allegorie der
Rubens'schen Malkunst gedeutet; Neptun, der
drei Quellen aus dem Fels schlägt, vielleicht
Anspielung auf Rubens" künstlerische Frucht-
barkeit; eine Szene aus der Prometheus-Sage,
vielleicht Anspielung auf Rubens' Schöpfer-
kraft; Allegorien der Erdteile Asien, Afrika,
Amerika, Europa, vielleicht Anspielung auf
Rubens' Weltgeltung; im Rankenwerk: Gra-
ziert, Genien, Faune u. a.
Im bildlichen Programm der Pinakothek blieb
Ludwigs Anspruch, als Kunstförderer be-
wundert zu werden, nicht mehr unsichtbar.
Dem Eintretenden brachte sich der bayrische
Herrscher durch die beiden Löwen in Erinne-
rung. Im Saal der Stifter präsentierte er sich
unter seinen Vorfahren, die sich um die Kunst-
sammlung verdient gemacht hatten, als der
V ollender von deren Werk und Errichter der
Pinakothek. In der Reliefserie mit Darstel-
lungen aus der bayrischen Geschichte trat er
im letzten, den Endpunkt der Entwicklung
wiedergebenden Medaillon auf: bei der Grund-
steinlegung der Walhalla, nicht, wie man er-
warten könnte, bei der Grundsteinlegung der
Pinakothek. Die Lünetten über dem Eingang
und Ausgang der Loggien enthielten jeweils
die sinnbildliche Darstellung, in der ein be-
kränztes L, der Anfangsbuchstabe des Herr-
schernamens, auf Ludwig hinwies. Den Höhe-
punkt aber bildete das Fresko in der Lünette 1,
„König Ludwig im Palmenhain der Musen"
(Abb. 11), das Ernst Förster ausführlich be-
schrieb. „An der Hand seines Genius tritt
König Ludwig in den Palmenhain der Musen,
Begeisterung erfaßt ihn, wie er sich umgeben
sieht von Geistern der Vorzeit, die von Jugend
auf seine Seele mit Bewunderung und Liebe
erfüllt. Da steht der blinde Sänger der Iliade,
neben dem jugendlichen Dichter der Aeneide,
zu denen Horaz sich gesellt, Catull und Pro-
perz; da sitzt am Boden Dante und lauscht
den Worten Beatricens, hinter ihm Boccaccio,
welchem Petrarca sich nähert, ohne zu merken,
daß Laura, die sich Sappho angeschlossen,
auf ihn die Blicke richtet. Und wendet der
König sich zu seiner Linken, so erblickt er
Michel Angelo und Leonardo in tiefen Ge-
danken, Raphael, den Blick nach oben ge-
richtet, von wo himmlische Musik erklingt,
und unverwelkliche Kränze herabgeworfen
werden. Aber auch die Erdenschönheit ist ihm
ins Land der Unsterblichkeit gefolgt, die
schöne Fornarina. Masaccio und Fiesole,
Dürer und Holbein, Van Eyck und Rubens,
und wen man noch gern sehen würde von
italienischen und deutschen Meistern, können
wir uns bei den anonymen Gesichtern denken
(in der Ausführung sind wahrscheinlich auf
Wunsch des Königs, v. Klenze, v. Cornelius
und Zimmermann hinzugetreten)"4l.
Neue Pinakothek
Das Bildprogramm der Neuen Pinakothek
(Abb. 3, 13-27) beschäftigte sich ausschließ-
lich mit der zeitgenössischen Kunst43.
Die ungewöhnliche Architektur des Gebäudes
war von vornherein darauf angelegt, einem
Zyklus von Wandmalereien an den Außen-
wänden des Obergeschosses Platz zu bieten.
13 Neue Pinakothek. Entwurf zum Fresko im rcrlltclt Feld d
Ostwand: Architektur. Bildhauerei, Erzgicßcrei
14 Neue Pinakothek, Entwurf zum FlCSkO ilu linken Feld d
Ostwand: Frcskomalcrci, Ölmalerei. Vaselunalcrei
15 Neue Pinakothek, Entwurf zu Kunstlcrdarstelltlngen an d
Nordwand: Thorvaltlscu. Klcnv:
ANMERKUNGEN 37744
37 Comclius-Zimrnerrnann 1840, S. VI.
35 Wolzogen 1867, S. 65.
39 Max Schasler, Die königlichen Museen von Berlin, Der
1855, S. 5 f.
447 Zusammenfassend dargestellt bei Böttgcr 1968. S. 353i}
4' Lco von Klcnzc. Sammlung architektonischer Entwürfe.
41 Förster 1375, S. 17.
43 Die Beteiligung Ludwigs und anderer Personen an der l
hndnng des Programms ist noch nicht ausreichend crforsc
B ist zu hotTen, daß div: angekündigte Dissertation Mittlmei
dazu ncucs Material liefcrn wird,
4' Skizzen Wilhelm von Kaulharhs zu den Fresken dcr Net
Pinakothek befinden si in den Bayer. Staatsgemildesaln
lungen in München. e sind in ol auf Leinwand gern.
Die Maße srimrnm im einzelnen nicht überein, sondern schw:
ken zwischen 70-80 cm (Höhe) und 150- 180 crn (Brei!
Nicht alle Bilder sind datiert. Die bekannten Daten - 18'
1353. 1354 - zeigen jedoch. daß die Skizzen jeweils vor i
Ausführung der cinzelnm Fresken entstanden sein müsst
WAF 406 (Abb. 25) Ludwig l. und die von ihm gcsammcll
Kunstschätzc, 80 x 165 cm, "Entwurf
den Bildern an dcr Pinakothek. IV li
an dcr Südscitc. W. Kaulbach. Müncl
1848."
WAF 407 (Abb. Z3) Deutsche Künstler in Rom. 80 x 168 c
WAF 408 (Abb. 24) Aufträge Ludwigs an die Künsrl
77,5 x 164 cm. "Entwurf zu den Bild:
an dcr N. Pinakothek. lll Bild an I
SlidSvClfC von Wilhelm Kaulbach. 1H
WAF 409 (Abh. 22) Bekämpfung des Zopfcs. 81 X1785 c
WAF 410 (Abb. 26) Die unter Ludwig tätigen Maler, 8(
168 Ctrl.
was 411 (Abb. 21) Die unter Ludwig tätigen Architekt
a0 x 168 CHI.
war 412(Abb.28) Die unter Ludwig tätigen Bildliau
80 x 178 cm.
WAF 413 (Abb. w) um weibliche Gestalten: Architekt
Erzgicßcr . Bildhauerei; 13 x es cm.
was 414 (Abb. 20) um weibliche Gestalten: Monument
malcrci. Vascluualcrei, Taftlmalel
13 x es cln.
WAF 415 (Abb. a3) Künstlerftst. 74 x lso cm.
WAF m (Abb. 29) Glasmalerei, 73x68 cm, .,wk 185
war 417(Abb.J1) fgääcllanmailufaktur, 1a x67 cm, .,v
WAF m (Abb. 32) Huldigung an Ludwig. 72 x l11 cm.
was 419 (Ahnao) Erzgießerei, vsxiss cm, "WK 185
was 420 (Abb. 21) Thorvaldseu, Klenze, 74x 11a cm.
WAF 421 Cornelius. Ohlmüllur. l'. v. H4
74 x 163 Cm.
WAF 422 Gärtner. Schnorr, H. v. Hrss, Rottma
74 x 298 Cm.
WAF 423 Zirblaud, Srhwanrhaler. Schurn, 71
162 cm.
WAF 424 Kaulhach. Sehraudolph. 73,5 x 179 1'
Der Aufsatz Schaucnbcrgs 1921 hat" zahlreiche Angaben 1
Erklartutg des Dargestellten.