Unter dem Einfluß von Maulbertsch stand auch
J. l. Havelka (1716-1788) - in der Mährischen
Galerie ebenfalls vertreten -, der zu ienen
mährischen Malern gehört, welche die Malweise
ihres großen Vorbildes zu erzählend aufgefaß-
ten Gemälden mit Szenen aus dem Leben von
Heiligen verflochten, wie sie von ihrer Hand für
kleinere Orte, hauptsächlich auf dem Lande,
entstanden. Diese Maler drückten durch eine oft
erzählerisch überwuchernde Manier, die manch-
mal sogar grotesk gesteigert war, einen beton-
ten Inhalt aus. Der Auffassung der Form ent-
sprach auch die Auffassung der Farbe, die le-
bendig, unproblematisch und kernig war. Diese
aft auch mit schriftlichen Legenden versehenen
Bilder waren gut verständlich, inhaltlich klar, so
daß sie - was ihre Bedeutung anbelangt - eine
gewisse Art vereinfachter Rakokoanalogie der
mittelalterlichen Armenbibel darstellten. Dieser
in Möhren ziemlich stark verbreitete malerische
Ausdrud( gelangte manchmal, z. B. bei Seba-
stini oder Günther, bis an die Grenze der Volks-
tümlichkeit. Der zu dieser Gruppe mährischer
Maler gehörende Havelka hielt die oben ange-
führte Tendenz des malerischen Sdiaffens - un-
geachtet aller seiner Abweichungen - auf einem
verhältnismäßig hohen Niveau, was manche Bil-
der der ziemlich reichen Havelka-Kollektion, die
die Mährische Galerie besitzt, beweisen.
Ein weiterer Maler, der in der Brünner Samm-
lung der mährischen Malerei des 18. Jahrhun-
derts vertreten ist, ist Josef Stern (1716-1775). Er
stammte aus Graz und kam um das Jahr 1750 als
fertige Persönlichkeit nach Möhren, nachdem er
die Grundlagen seiner Malkunst in Italien er-
worben hatte. Während seines ein Vierteljahr-
hundert währenden Aufenthaltes in Mähren glich
auch er in einem bestimmten Zeitabschnitt sein
Werk dem van Maulbertsch an, was vielleicht
seine Expressivität bedingte. Drei kleinere Werke
Sterns aus dem Besitz der Mährischen Galerie,
Entwürfe zu den Altarbildern für Drnholec
(Dürnholz), Milotice (Milatitz) und St-Michael-
Kirche in Brünn, zeigen den Maler in einer
stilreifen Entwicklungsstufe. Das Stern neu zuge-
schriebene Altarbild Die Heimsuchung Mariens
aus einer heute nicht mehr bestehenden Brünner
Kirche gehört zu den stark italianisierenden Wer-
ken von Stern, die direkt an seine Anfänge an-
knüpfen.
Das repräsentative Barackporträt ist in der
Brünner Kollektion durch das Werk von F. A.
Palko (1717-1766) vertreten. Eines der Bilder
stellt den Bischof Ferdinand Julius Troyer dar,
der dem Maler im Jahre 1747 Modell stand.
Von anderen Werken des Malers, der während
seines Lebens ein gesuchter Porträtist war, er-
wähnen wir aus dem Fundus, der in den möhri-
schen Schlössern aufbewahrt ist, zwei große
Gruppenporträts von Mitgliedern der Kaiser-
familie, welche Gemälde ursprünglich für das
Kloster in Louka bei Znoimo (Klosterbruck bei
Znaim) bestellt wurden.
Von F. L. Korompays (1723-1779) Arbeiten be-
sitzt die Brünner Galerie eine reiche Kollektion.
Dieser Maler gehörte zu ienen mährischen
Künstlern des späten 18. Jahrhunderts, die sich
durch eine ruhige bis idyllische Gestaltung der
geschauten wie der vorgestellten Welt ausge-
drückt haben. Bestimmte Resonanzen in seinem
Werk - außer anderen vermittelten Impulsen,
vielleicht italienischen - widerspiegelten wahr-
scheinlich das Farb- und Lichtempfinden von
demselben erwähnten F. A. Palko, in dessen
gestaltende Nähe Korompay mit höchster
Wahrscheinlichkeit während des Brünner Auf-
enthalts gelangte. Die Figuren der Heiligen mit
ihren lieblichen Gesichtern und graziösen Pa-
sen, in geschickt, wenn auch nicht allzu kom-
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pliziert arrangierten Draperien, bewegen sich,
besonders auf den Bildern von Kammerformat,
gleichsam in einer von Mondlicht übergossenen
Atmosphäre, in einem ruhigen, doch keines-
wegs ausdruckslosen wechselseitigen Kontakt
einer intimen Stimmung. Diese Art von Karam-
pays Malweise zeigt in der Brünner Galerie
typisch z. B. das Gemälde Der hl. Method tauft
Botivo), ferner die diesem Maler neu zuge-
schriebenen Bilder der lmmaculata, des hl.
Thomas van Aquino, oder die wenig anspruchs-
vollen Bilder der Heiligen Drei Könige und der
Verlobung der Jungfrau Mariä.
Bei einem Vergleich mit Korompay, mit Stern
und selbstverständlich auch mit dem Kreis um
Maulbertsch hat die künstlerische Ausdrucks-
weise des einer Olmützer Bildhauerfamilie ent-
stammenden J. I. Sadler (Sattler, 1725-1767)
einen etwas anderen Stilakzent. Sadler vertrat
nämlich in der mährischen Malerei der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts eine vom Rakoko
untermalte akademisierende Richtung, die in
seinen italienischen Erfahrungen wurzelte
(Corrado Giaquinto). Die aus dem Besitz der
Mährischen Galerie stammenden und Sadler neu
zugesd-iriebenen Bilder (Die hl. Sippe l., ll.,
Der hl. Petrus und Der hl. Paulus) zeigen, wie
der Maler seine etwas trockene Komposition
geschickt durch eine zarte, gekonnte Farbgebung
und eine potenzierte Lichtatmosphäre überdeckte.
Mit diesen Mitteln gestaltete er in seiner zeit-
lich kurzen Schaffensperiode den Aufbau der
Gemälde, auf denen die Typen der Figuren von
seinen aus italienischen Vorbildern hervorgegan-
genen Erlebnissen in der Regel nicht abwichen,
zu einem Ganzen.
lgnaz Raab (1715-1787), ein Maler-Jesuit, aus
Nechanice in Böhmen stammend, hat mit seinem
Werk vor allem die Ordensklöster und Kirchen
in Böhmen und Mähran im wahrsten Sinne des
Wortes überschwemmt. In den Sammlungen der
Mährischen Galerie ist er durch eine reiche
Bilderkallektion vertreten, die sein Schaffen ge-
nügend charakterisieren und gleichzeitig auch
den Umfang seiner schöpferischen Möglichkeiten
zeigen. Außer dem unbezweifelbaren Kontakt
mit der böhmischen Barockmalerei der zeitge-
nössischen und vorhergegangenen Generation
kannte Raab wahrscheinlich vom Augenschein
die venezianische Rokokomalerei, auch wenn er
nicht in Italien gewesen sein dürfte. (Die Kenntnis
wurde ihm möglicherweise auch durch graphi-
sche Blätter vermittelt.) Raab blieb der ihm
eigenen Ausdrucksweise, die er sehr bald er-
reicht hatte, in groben Umrissen während sei-
nes ganzen Schaffens treu. Die Typologie der
Raabschen Figuren ist beinahe konstant, eben-
so die Kompositionsschemas und der zarte Ge-
fühlsgehalt der Bilderszenen, die von einer
Häufung an Aussagebestreben oft fast über-
quellen. Die wenig problematische Farbenskala
in den Werken Raabs bewegt sich in ihrer
Spannweite zwischen einer tenebrösen Gesamt-
stimmung mit aufgesetzten gedämpften Farb-
flecken bei den Figuren (z. B. die Genreszene in
der Landschaft, Mährische Galerie) und weich
vibrierender, durchleuchteter Atmosphäre, welche
die bunte Figuralstaffage hervortreten läßt (Die
Christus dienenden Engel).
M. J. Schmidt (Kremser-Schmidt, 1718-1801), des-
sen Schaffen zeitlich mit dem von Maulbertsch
zusammenfällt, hat sich in Mähren durch einige
Aufträge Geltung verschafft, so z. B. für den
Brünner Kartäuserorden und St. Peter, für Zäbrdo-
vice (Obrowitz), Bulhary (Pulgarn) und Vranov
(Wranau). In der Mährischen Galerie ist der
Maler mit vier Ulgemälden mit dem Suiet
des Johannes des Täufers vertreten; zwei von
ihnen stammen aus der Sammlung des Klosters
12 F. A. Maulbertsch, Anbetung des hl. Kreuzes. Ul
auf Papier auf Karton, 35,4 x 44,6 cm (lnv.-Nr.
A 1036)
13 J. Winterhalder d. J., Die Auferstehung Christi.
Tempera auf Papier, 29 x 37 cm (lnv.-Nr. A 499)