Rossacher
"Antiquitätenhandel und
Nostalgiewelle
anken zur Situation eines
sischen Berufsstandes
Mit dem Wortspiel „Amiquitäten" quittierte der
seriöse Antiquitätenhandel der fünfziger Jahre
ironisch einen Verkaufsboom von Großväter-
hausrat, der Gegenstände wie Petroleumlampen
zu hohen Preisen in die Staaten brachte. ln-
zwischen ist diese Sparte im Zuge der Nostal-
giewelle auch in Europa zu einer unüberwind-
lichen Flut angewachsen. Auch der Kleinbürger
nimmt an ihr teil und belebt den modernen Ein-
heitsstil seiner kleinen Eigentumswohnung mit
irgendwelchen Gegenständen der Großmutter-
zeit. Vom Gartenzwerggeschmack bis zum ge-
schickt gefundenen Kontrast reicht die Palette.
Ein Berufsstand ist damit arriviert: der Trödler.
Es gibt ihn praktisch nicht mehr, er nennt seinen
nunmehr sauber aufgeputzten Laden „Altkunst",
„Antiquitäten". Damit wurde dem konservativen
Antiquitätenhandel, der noch den Antiquitäts-
begriff nach den Normen des Historismus und
der Vorkriegszeit nach kulturhistorischen Begrif-
fen verstand, ein schwerer Schlag versetzt. In
großen Städten haben sich noch die Geschäfts-
lagen der alteingesessenen Firmen einigerma-
ßen geschlossen halten können. So ist beispiels-
weise in Rom in der Via del Babuino der altein-
gesessene Handel geschlossen geblieben, wäh-
rend sich die „Rigatieri", die ehemaligen Tröd-
ler, vorwiegend die Via dei Coronari hinter
der Piazza Navona zum Sitz gewählt haben.
Funde sind dort kaum zu machen. ln London ist
das Westend Sitz der alten Tradition, während
eine fröhlich ausgelassene Trödelwelt - zum Teil
von ganz iungen Leuten vertreten - sich vorwie-
gend in Chelsea breitmacht.
In kleineren Städten - wie beispielsweise Salz-
burg - ist leider eine Scheidung nach Lagen
nicht möglich, es tritt damit automatisch eine
Verwösserung des strengen Antiquitätenbegriffs
unangenehm in Erscheinung.
Eine weitere Gefährdung des Metiers als ernst-
hafte Interpreten und Vermittler kulturhistorisch
gesicherter Werte und Schönheit tritt durch
das Uberhandnehmen neuer Auktionshäuser ein,
welche marktschreierisch Okkasionen anbieten.
Die Kunstmessen alter Kunst sind das einzige
und wirkungsvollste Gegenmittel. Auf diesen
Messen wird dem Publikum eine Fülle ausge-
wählter klassischer Antiquitäten vorgeführt. Die
Wiener Kunst- und Antiquitätenmesse, die die-
ses Jahr zum viertenmal stattfindet, hat dank
ihrer straffen Führung im Reigen der europäi-
schen Messen einen ausgezeichneten Rang er-
worben. Das Bundesgremium und der Messe-
leiter Dr. Wolfgang Hofstätter haben in den
vergangenen Jahren in der Zulassung der Ge-
genstände - unterstützt von einer Jury bester
Fachleute - einen fast „reaktionären" Kurs ver-
treten, der angesichts der oben geschilderten
Umstände sich als richtig erwiesen hat. Sie ha-
ben sich in hohem Maße um die Kultur Öster-
reichs verdient gemacht. Die Zeitschrift wünscht
den Teilnehmern auch dieses Jahr einen aus-
gezeichneten Erfolg.
1-3 Gala-Eröffnung der Wiener Kunst- und Anti-
quitätenmesse T973. Handelsminister Dr. Josef
Staribacher, geleitet vom Messeleiter Dr. Wolf-
gang Hofstätter und Komm.-Rat Rudolf Otto,
beim Rundgang