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Internationale S a m m 1 e r - Z e i t u n g.
Nr. 7
Fig. 2. Johann Fischer.
Ueber illustrierte Besuchskarten hat Moritz von
Weittenhiller bereits im 1. Heft des 1. Jahrganges
dieser Zcitschriit einen Aufsatz gebracht und dort auch
die ältere Literatur angezogen. Weitere Artikel von
diesem verdienten Sammler, Künstler und Kunstfreunde
erschienen in der VI. und VII. Publikation der Oesterr.
Exlibris-Gesellschaft 1908 und 1909. In letzterem Aufsatze
sind 16 Blätter meiner Sammlung abgebildet und be
sprochen.*) Eine eingehende Arbeit über Besuchs- und
Gelegenheitskartcn der Sammlung E i g d o r in Wien hat
Eugen Guglia im 14. Jahrgange der Zeitschrift »Kunst
und Kunstgewerbc« veröffentlicht, in welcher er auf die
vortrefflichen Publikationen Dr. Gustav Pazaureks
gebliebenen Blättchen in neuester Zeit als wichtige Bei
träge zur Kulturgeschichte ihrer Zeit erkannt und ge
schätzt.
Unter den Besuchs-, Adrcß- und Wunschkarten
nehmen diejenigen, welche die Künstler für ihren eigenen
Gebrauch angefertigt haben, unser besonderes Interesse
in Anspruch. Nicht nur, weil wir dadurch die Künstler
kennen lernen, welche für diese üelegenheitsdrucke ge
arbeitet haben, sondern auch, weil wir anzunehmen be
rechtigt sind, daß sie sich bemüht haben, für ihre eigenen
Zwecke das Beste zu leisten.
Ich bringe aus meiner Sammlung eine Auswahl
solcher Besuchs-, Adrcß- und Neujahrskarten Wiener
Künstler, welche zu deren persönlicher Verwendung von
ihnen selbst angefertigt wurden. Eine Ausnahme bildet
nur die Besuchskarte.von Johann Drechsler (Eig. 1),
welche von einem mir unbekannten Künstler radiert
wurde.
Dies ist zugleich die älteste der Visitenkarten. Sie
ist rechts unten mit der Jahreszahl 1794, links mit
»Dopler F.« bezeichnet und gehörte dem 1758 in Wien ge
borenen Blumen- und Stillebenmaler Johann Drechs-
I e r. Er war seit 1787 Professor der sogenannten Eabri-
Fig. 3. Johann Schindler.
in den »Mitteilungen des Nordböhmischcn Gewerbe
museums« in Reichenberg, XXIII, 1904, im »Archiv für
Buchgewerbe« 1907 und auf dessen 1908 erschienenes
Buch »Biedermeier-Wünsche« hingewiesen hat. Mit
liecht sind diese noch bis vor wenig Jahren unbeachtet
'0 Die Abbildungen 1. bis 7 sind dieser Arbeit entnom
men, wofür ich der »Oest. Exlibris-Gesellschaft« zu Danke
verpflichtet bin.
Fig. 4. Karl Heinr. Rahl.
kantenschule an der Akademie, seit 1807 Direktor der
Blumenzeichenschule und starb 1811. Das hübsche Land
schaftsmotiv ist vielleicht von einem seiner Schüler
radiert.
Die nächste Karte (Eig. 2), ungemein zart in Aquatinta
ausgeführt, gehört Johann Fischer an, einem der tüch
tigsten Kupferstecher seiner Zeit. Er war Schüler Brands
und Schmutzers, wurde bereits 1793 zum kaiserlichen
Kammerkupferstecher, 1821 zum Professor an der
Akademie ernannt. Seit 1804 Direktor der jetzt in Buda
pest befindlichen fürstlich Eszterhäzyschen Galerie, gab
er deren Katalog heraus. Fischer, der auch ein vortreff
licher Landschaftsmaler war, starb bereits 1822.
ln Fig. 3 begegnen wir einem hervorragenden
Meister der Gruppe der so lange unterschätzten, erst in
neuerer Zeit wieder in ihrem wahren Werte erkannten
Altwiener Maler. Johann Schindler, 1777 zu
St. Pölten geboren, erhielt seine Ausbildung an der
Wiener Akademie und wurde 1818 Mitglied derselben.
Er bekleidete bis zu seinem Lebensende (1836) die Stelle
eines Professors der Zeichenkunst an der Normalhaupt
schule zu St. Anna. Anfangs in der Historienmalerei tätig,
schuf er viele schöne Altarbilder in Wien und Nieder
österreich, ging aber dann zur Landschaftsmalerei über.
Als Radierer und Zeichner für die Lithographie machte er
sich rühmlichst bekannt. Auch gab er eine Reihe von
Zeichenschulen heraus, die sehr geschätzt wurden.
Karl Heinrich R a h 1, dessen sorgfältig gestochene
Karte (Fig. 4) wie ein botanisches Stilleben anmutet, war
ein geborener Württernbergcr, der aber schon 1799 im
Alter von 20 Jahren nach Wien kam, um hier seinen
dauernden Aufenthalt zu nehmen. Er stach anfangs Por-