Das Österreichische Museum für angewandte Kunst,
Wien, plant für Herbst 1976 eine Ausstellung
„Wiener Porzellan - echt oder gefölscht?", die sich
vor allem auf Leihgaben aus Privatbesitz stützt.
In einer gleichzeitig erscheinenden Publikation soll
das gesamte Spezialgebiet wissenschaftlich
erfaßt und mit exakten Hinweisen zum Erkennen
gefälschten Wiener Porzellans versehen werden.
Besitzer von offensichtlich imitiertem Porzellan
mit dem Bindenschild oder dubiosen Stücken werden
um Mitarbeit gebeten.
Außerdem werden für das ebenfalls in
Vorbereitung befindliche Lexikon der europäischen
Porzellanmaler 1840-1914 signierte Porzellan-
rnalereien aus dem genannten Zeitraum gesucht.
Zur Beratung steht Frau Dr. Waltraud Neuwirth
im Museum ieden Mittwoch von 10 bis 12 Uhr,
gegen Vereinbarung auch zu anderen Zeiten,
zur Verfügung.
Zu verstehen ist diese Konstellation folgender-
maßen: das Porzellan stammte aus der Berliner
Manufaktur, es wurde von einem Dresdener
Porzellanmaler dekoriert, und der Wiener
Bindenschild bezeichnete das „Genre Alt-Wien"
oder wurde eventuell erst später hinzugefügt.
Der sehr bekannte Wiener Porzellanmaler
F. Wagner (Abb. 6) bezog sein Porzellan, wie viele
Wiener Maler, zum größten Teil aus Böhmen
und versah seine Malereien immer mit seiner
Signatur, häufig auch mit dem Wiener Bindenschild.
Die Menge des dekorierten Porzellans mit dem
posthumen Bindenschild ist nicht zu unterschätzen,
wurde doch allein aus Österreich „farbiges"
Porzellan tonnenweise und im Wert von mehreren
Millionen Gulden iährlich vor allem nach Amerika
ausgeführt. Diese Porzellanmalereien, entstanden
in der Zeit des Historismus als Fälschungen oder
Imitationen, häufig aber auch als hochwertige,
künstlerisch selbständige Arbeiten, sind heute
bereits zum begehrten Sammelgebiet geworden.
Sie werden von allen großen Londoner
Auktionshäusern verkauft. Eine Zweigstelle
des großen Londoner Auktionshauses, Sotheby's
Belgravia in der Matcomb Street, führt besonders
seit den siebziger Jahren regelmäßig Porzellan-
malereien des späten 19. Jahrhunderts, darunter
viele mit dem posthumen Wiener Bindenschild.
Wiewohl völlig korrekt als spätes Porzellan
deklariert, erzielen diese Obiekte Preise bis zu
1000 Pfund.
Literatur zu obigem Thema von W. Neuwirt
Wiener Porzellan im spalen 19. Jahrhundert,
Porzellan GUS Wien, Wien 1974, s. w-ve.
Die Situation der Wiener Keramik im Später! w. Jahr-
hundert, mit einer Liste der Wiener Porzellanmaler,
m: Wiener Keramik Historismus, Jugendstil, Art deco,
Braunschweig 1974. Wiener Porzellan - EChY oder
gefalscht, lrr Weltkunst 911975, s. wem.
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