Notizen
Aachen - Neue Galerie
„Feldzeichen." Solche, seine Zeichen der Zeit,
versuchte Hannsiörg Voth seinen Zeitgenossen in
einer an künstlerischen und verwandten Aktionen
so trächtigen Zeit unter Publikumsossistenz hier auf
einen stadtnohen Bühel zu setzen. Er erntete damit
einen „umsägenden" Erfolg. Ein Dorf und
Herbeigeeilte reagierten baß sauer auf das, was
man ihnen hier eingrub und somit aufrichtete.
Vielleicht sollten wir zur Ehrenrettung dieser
ehrboren Bürger sagen, daß es schwierig ist,
Aktionen, die dem besseren Verständnis gegen-
wärtiger Kunstäußerungen dienen möchten, zu
verstehen, weil sie weit und weiter sich entternend
vom „schönen", begreif- und deutboren „Bild"
von Kunst un-verständlich wirken. Voths „Feld-
zeichen" aber, deren Aufrichtung, griff direkt in
die Alltagsrealität. Des Bauern oder Landmanns.
Voth wollte mit diesen von Tüchern und Seilen
umwickelten und verknoteten Stämmen im Quadrat,
vier an der Zahl, jeder an 30 Meter hoch, den
Einfluß von Klima und Wetter registrieren. Diese
„gesetzten" Zeichen auf dem Feld aus
lmponderabilien und Materialien des Menschen auf
der Scholle ähnelten gewiß manchen „natürlichen"
ähnlichen Zeichen, die der bäuerliche Alltag gebar,
reden wir aber nicht von Vogelscheuchen! Lehnte
sich dagegen der Unwillen der Angesprochenen
auf? Warum? - Verschandelung, Beschimpfung,
angedrohte Ordnungsstrafen, ein Rattenschwanz
von Mißdeutung bis Reinhaltewillen, im Gefolge
der intermittierenden Aktion. Feldzeichen, das
beschwört lmoginatianen, tief verwurzelte, von
hehren, unantastbaren Zeichen, etwa dem Vexillum
über römischen Legionen, aber auch von solchen
über eigenen gedemütigten, geschlagenen Heeren
unseres kriegslüsternen Jahrhunderts. Voths Zeichen
also eine Verunglimpfung, dahinweisend? - Wir
meinen wienerisch-secessionistisch: „Der Zeit ihre
Kunst, (aber) der Kunst (doch) ihre Freiheit" - und
dabei wäre der Begriff „Feldzeichen" doch so richtig
gelegen und auch unbefangen zu verstehen
gewesen. - Geschehen um Aachen zwischen 29. 5.
und 12. 6. 1976. Ein Dokumentationsband, betextet
von Wolfgang Becker und anderen Autoren, wurde
vom Institut für moderne Kunst, Nürnberg, her-
ausgegeben (Abb. 1).
Düsseldorf - Galerie Vömel
Zeichnungen und Graphik von Horst Janssen waren
vom 10. 5.-l5. 6. 1976 in der Königsallee IZOFKö-Center
zu sehen. Janssen, Hamburger, 1929 geboren,
gelingt es immer wieder, durch verzerrende
Anatomien seiner figuralen Welt und mit straffster
graphischer Akkuratesse der Gegenwart ihre Typen
zu entreißen (Abb. 2).
Duisburg - Wilhelm-Lehmbruck-Museum
Diese faszinierenden, umweltreflektierenden, über-
glatten Obiekte eines Brancusi, ultramodern,
futuristisch im echten Sinn, lassen nicht ahnen, daß
dieser bereits im 19. Jahrhundert, 1876, geboren
wurde. Wiederkehr des 100. Geburtstages dieses
großen Rumänen feiert man heuer, der neue
Gesetze im Bereich der Plastik des 20. Jahrhunderts
schuf durch die Entmateriolisierung. An den
spiegelglatten Oberflächen seiner Obiekte rutschen
„begreifende" Hände ab, diese Objekte sind -
bisweilen epigonal nachgeahmt - schlechthin perfekt
in ihrer DurchformungfMan hatte hier genügend
Zeit, vom 11. 7.-5. 9. 1976, Constantin Brancusis
Größe in Plastik wie in Zeichnung zu erleben (Abb. 3).
Karlsruhe - Badisches Landesmuseum
und Kunsthalle
Noch bis 10. Oktober zeigt das Badische unter der
Patronanz der lCOM „Kunst und Kultur der
Kykladeninseln im 3. Jahrtausend v. Chr.". Man
beschäftigt sich erst kurze Zeit mit dieser in-der
internationalen Archäologie als Randkultur
abgetonen Kunst und Kultur der Kykladen - genauer
seit Mitte der fünfziger Jahre -, basierend auf
Christian Zervos Buch, das er dieser widmete.
Inzwischen aber haben gezielte Grabungen und
auch Zufallsfunde reiche wissenschaftliche Ausbeute
gebracht. Vor allem griechische, englische und
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amerikanische Archäologen konnten den Beweis
erbringen, daß die Kykladenkultur sowohl die
Ausbreitung der ägäischen Kultur, ober auch
bestimmend der europäischen Kunst den Boden
bereiten half. Jürgen Thimme im Verein mit elf
internationalen Wissenschaftlern hat in einem
der in letzter Zeit so in Mode gekommenen Katalog-
Wälzer von über 600 Seiten alle Aspekte der
Kykladenkultur in Wort und Bild beleuchtet, wichtig
für iene, die nicht mehr nach Karlsruhe kommen
können. 600 Exponate, darunter Glanzstücke aus
dem British Museum, dem New Yorker Metrapolitan
Museum, dem Pariser Louvre, den Berliner Museen
und internationalem Privatbesitz, zu gut zwei
Dritteln noch nie gezeigt, haben Anteil an einer
weiteren Belebung dieses interessanten iungen
Forschungszweiges.
Zur abgelaufenen „Feuerbach-Ausstellung" ist nach-
zutragen, daß in der Staatlichen Kunsthalle unter
dem Titel „Die Karlsruher Kunstszene zur Zeit
Feuerbachs" der Malerei in Karlsruhe von 1850 bis
1870 eine kleine Parallelexhibitian gewidmet war.
Auch hier für Verhinderte oder zu spät Gekommene:
ein Katalog mit über 350 Seiten, acht Abhandlungen
und reichem Bildmaterial hält diese erste wesentliche
Feuerbach-Ausstellung seit 1929 fest. Pasthum zur
Freude seiner Stiefmutter, die sich vor genau
100 Jahren, 1376, bitterböse bei dem Wagner-
Dirigenten Hermann Levi beklagte: „ln hundert
Jahren wird er ein großmächtiger Künstler sein,
... ietzt aber muß er sein schönes, armes Leben
verzappeln in der Misere des alltäglichen Unver-
standes . . ." Wem sagt(e) sie das, die Gute...
(Abb. 4).
Köln - Aus den Stadtmuseen
„Römische Kleinkunst - Sammlung Löffler." Diese
vom 9. 7.-19. 9. 1976 im Römisch-Germanischen
MuseumlGroßer Hörsaal veranstaltete Ausstellung
erhob stellvertretend für ähnliche Unternehmungen
die Frage noch der Bedeutung dieser oder anderer
privater Sammlungen. Museen können nur ent-
sprechend ihrer finanziellen Mittel sehr gezielt
sammeln, sie sind Konzepten und Statuten
verpflichtet, letzten Endes aber mit der hohen
Potenz hervorragender Wissenschaftler, denen
Sammeln für die Öffentlichkeit oberste Verpflichtung
auch zu höchstqualitativer Selektion ist. Der private
Sammler, meist auch Liebhaber - oder beides in
einer Person -, agiert da eher in einem zwanglosen
Erwerbsklima, zur eigenen Freude, wohl auch
Leidenschaft. Museum und privater Sammler in
Objekten vereint, ermöglichen ein reicheres, oft
lückenloseres Bild einer Kunstgattung, eines
Spezialbereiches zu geben. Das sollte auch diese
Ausstellung unter Beweis stellen, die römische
Kleinkunst in den Bereichen Glas, Keramik, Metall,
Edelstein, Marmor und Bein zeigte, gleichzeitig
aber auch die unterschiedlichen Religionen der
römischen Welt sichtbar machte.
Das Museum für Ostasiatische Kunst verzeichnet
zwei auf einer Auktion erworbene Neuerwerbungen.
Eine große Wasserkanne von besonders seltenem
Typus (iapanisch suibyo), die im ausgeprägten
Ritual des Buddhismus Verwendung findet. Diese
Wasserkanne des Typs vom Berg Shiki, nach dem
an dem iapanischen Schrein Oyamazumi-iinia
aufbewahrten Kannenpaar benannt, stammt aus
der Kamakura-Zeit (1186-1336) und hat ein Gegen-
stück in der Freer Gallery, Washington. Das zweite
Obiekt ist ein großer Topf aus Porzellan mit
kobaltblauem Dekor in Unterglasur. Im 30. Jahr der
Kaiserära Wan-li entstanden, das ist 1602, stellt sie
ein wichtiges Dokument und eine Hilfe für die
Dotierung späterer Ming-Porzellane dar. Leider
ohne Henkel, trägt der Topf eine lange Aufschrift
und figürliche Szenen mit Gestalten des taoistischen
Pantheon.
Kölns Graphikfreunden, ebenso allen interessierten
Besuchern und vor allem Studenten, ist nun wieder
Gelegenheit geboten, in Ruhe Handzeichnungen
und Druckgraphik des 15. bis 20. Jahrhunderts am
Original zu betrachten. In der Graphischen
Sammlung wurde der bisherige provisorische
Ausstellungsraurn umfunktioniert in einen neuen
Studiensaal.
Kopenhagen - Glashütte Holmegard
Ein für eine Glashütte wohl seltenes Jubiläurr
feierte in Kopenhagen iene von Holmegord,l
wovon wir ietzt erst Kenntnis erhielten. 150 J:
überdauerte diese älteste Glashütte Dänemar
und gab mit der Präsentation der neuen Glas
„Banquet" von ihrem ungebrochenen Lebens-
Schoftenswillen Kunde. Teamwork, im döniscl
Kunstgewerbe großgeschrieben, zeichnet auc'
diese letzte kreierte Jubiläumsserie verantwo
Kylle Svonlund, Sidse Werner, Per Lütken unc
Michael Bang.
Mexiko - Tane
Unter dem Titel „Arte Obieto" versammelte r
eine Reihe von Miniatur-Skulpturen vorwiege
mexikanischer, aber auch zweier europäischei
Künstler: Gerda SpureylOsterreich und Carlo
Schweiz. Die Mini-Kreationen dieser Obiect-c
sind aus Silber, einem für Mexiko charakteris
Metall, das in der Welt des Schmucks und den
Edelmetalle bevorzugt verwendet wird. Entwi
aus den traditionellen Konzeptionen, sind die
modernen Schöpfungen als solche ekzessibli
ihren Verwendungsmöglichkeiten. Wir erfahrt
auf diese Weise, daß die bisher im Ehe-Depp
agierende Wiener Porzellanmacherin Gerda
neuerdings dem Silber huldigt.
München - Handwerksptlege in Bayeri
Etwas verspätet notieren wir eine Ausstellung
Thema Formensprache, die hier im Mai drei
Künstler: Susanne BalleisenlSchmuck - Horst
Stauber Glas - Erika SteinmeyerlWandteppic
vereint auftreten ließ. Bolleisens Schmuckgest
ist naturhaft vegetabilisch und stark „iugends
Stauber ein exzellenter Formen- und Material
mit wirklicher Linie, Erika Steinmeyer einfühl:
bildhafte Mittlerin zwischen bolivianischen ln
und Europäern mit ausgeprägter Textilsprach-
München - golerie biedermann
„Antoni Topies - Die Praxis der Kunst" war c
Titel einer Ausstellung, die Werner Schmalenl
am 9. Juni 1976 in Anwesenheit des Künstlers
eröffnete. Bilder, Gouachen, Zeichnungen, Gr
Bücher des prominenten Katalonen und die
Präsentation seines Buches unter dem Ausstel
titel, erschienen im Erker-Verlag, St. Gallen, g
dem Münchner Publikum Gelegenheit, sich
eingehend über Antoni Topies zu orientieren,
eigenständige, profilierte grafische Handschri
und Kunsterfahrungen und -erkenntnisse zu et
(Abb. 5)
London - British National Gallery
London Press Service unterrichtete uns offizie
davon, daß die British National Gallery ein
Gemälde von Gustav Klimt von einer Schweiz
Privatsammlung erworben hat. Das 1904 entst
Bild ist ein Porträt von Hermine Gallia mit de
Maßen 170,5 x 96,5 cm. Die ohne Foto übermii
Nachricht läßt uns dieses sicher nicht so sehr
bekannte Gemälde hier leider nicht zum
Abdruck bringen.
Nürnberg - KunsthallefNorishollel
U-Bahnhof
An drei Stellen präsentierte man vom 28. Mai
26. September 1976 die Schau „Schuhwerke -
Aspekte zum Menschenbild". Zur Anlockungr
Besuchers kündigte man an: „Sie sehen Filme
hören Musik, trinken Bier. Bitte ziehen Sie die
Schuhe an, die Sie am liebsten mögen." Wie
der Mensch mit seinem Schuhwerk „verwochsi
ist, offenbart das Plakatsuiet: ein Paar Mens:
füße, die ab dem Rist in den Schott hoher
Männerschuhe münden, verwachsen, „eins" w
Vier Vorträge taten ein Übriges, dieses publik
nahe Thema zu erläutern: „Schuh-Werke-
DefinitionWWilhelm Salber, „Der Schuh - I
geheimnisvolles ZeichenWFaul Weber; „Mag
und die FolgenWClaus Corte und „Der Schuh
Motiv in der Pop-art"lHeinz Beck. Der Norm:
biirger, der im täglichen Trottauf-Trottab das