ste Seele während seines Leidens erdulden sollte,
durch diese Gnade zuvor stärkte. Auch die kindli-
che Liebe Jesu zu Seiner jungfräulichen Mutter
konnte ihr diese Gunst nicht verweigern. Maria
sah nicht nur die Menschheit Jesu in Glorie ver-
klärt, sondern hatte zugleich eine klare und unmit-
telbare Anschauung der Gottheit. Es geziemte
sich, daß Maria in weit höherem Grade als die
Apostel und mit einer überströmenden Fülle von
Licht (i) begnadet wurde... Sie wurde mit neuem
Licht und neuer Starke erfüllt, um die Gottheit zu
schauen. Deshalb konnte sie die Glorie des ver-
klärten Leibes Jesu unverwandt anblicken, ohne
(wie die Apostel) Furcht und Schwäche zu
fühlen... Jesu Angesicht glänzte wie die Sonne.
Seine Kleider wurden weißer als der Schnee. Seine
Glorie strömte aus der mit der Gottheit vereinig-
ten, aiizeit glorreichen Seele des Herrn auf den
Leib über. . . So nahm der reinste Leib Jesu Christi
an der Glorie Seiner Seele teil. Diesen Glanz und
diese Klarheit schauten die Anwesenden... Nach
der Verklärung wurde Unsere Liebe Frau in ihr
Haus in Nazareth zurückgebrachtw."
in der ikonologie des barocken Aitares ist das Ver-
hältnis von Hauptbild und Aufsatzbild von grund-
sätzlicher Wichtigkeit". ln unserem Zusammen-
hang wird damit ein hervorragendes vAufsatzbildti
von großer Bedeutung. Bei der Ausstattung des
Petersdomes in Rom war die Gestaltung des
Hochaitares in der Apsis der Tribuna wohl die
größte wie schwierigste der Aufgaben, die Alexan-
der Vli. Bernini stellte: Die kostbare Reliquie der
Cathedra Petrit? sollte in der Verhüllung einer
weithin sichtbaren Custodia aufgestellt werden.
Über der von den überlebensgroßen Bronzesta-
tuen der Kirchenvater getragenen Cathedra
bricht, umrahmt von dem Hochoval einer Engels-
glorie, das starke Licht des Himmels in den Kir-
chenraum, für Ludwig Curtius "das Bewußtwer-
den des menschlichen Geistes seiner Endlichkeit
und seines Eingebettetseins in das ihm unbegreif-
liche, nur in Ahnungen und im religiösen Symbol
berührbare Unendiicheßa. Kurt Fiossacher hat ein
eigenhändiges Terracottareiief Berninis im Salz-
burger Barockmuseum mit der Darstellung der
Transfiguration" mit vollem Recht als Berninis
Entwurf für die Mitte der Glorie über der Cathedra,
für das fehlende lrZielbildu (vgl. Photcmontage in
Abb. 5) des Petersdomes nachgewiesen". ich
stelle ausdrücklich fest, daß ich keineswegs die
Absicht habe, für das Ovaifenster über dem Hoch-
altar der Koilegienkirche eine tatsächlich figurale
Ab-Bildung der Transfiguration Christi anzuneh-
men. Aber zum einen hat Sedlmayr (noch ohne
Kenntnis der Arbeiten Rossachers) darauf auf-
merksam gemacht, daß Berninis Gedanke für die
Hauptapsis von St. Peter in bezug auf die wMate-
riaiisierung der Stuckglorie aus diesem Licht (der
Fenster) herausu am Hochaitar der Kclilegienkir-
che wnoch überboten istföt; dem durch diese Fen-
ster einfallenden Licht ist also gewiß auch trans-
zendente Bedeutung zuzuweisen. Zum zweiten er-
gibt (neben vielem anderen) ein Vergleich des
l-Projects eines Lustgarten-Gebäus...lt von Tafel
XVlii des 4. Buches aus Fischers vHistorischer Ar-
chitekturn mit Berninis erstem Louvre-Projekt den
Nachweis, daß Fischer das private Planmateriai
Berninis gekannt haben muß - damit muB Fi-
scher auch über die geplante, aber durch man-
cherlei Umstände" nicht ausgeführte Trans-
fIguraticns-Lösung des Giorienfensters im Peters-
dom informiert gewesen sein. Ferner: nft was a
deepiy emotional, even mystical religious feeling
that lnsplred the works of Bernini's last yearswß;
Anthony Blunt hat deutlich gemacht. daß Bernini
- tun gran' teologou, wie Baidinucci sagte -
nicht nur die Autobiographie der Teresa von Avlla
gelesen haben muß, sondern wahrscheinlich auch
mit Miuei de Moiinos persönlich bekannt war.
18
dessen xGuida Spirituaieu, wie Agredas Schriften
ein Hauptwerk der katholischen Mystik, sogleich
nach dem Erscheinen (Flom 1675) weite Verbrei-
tung gefunden hat49. Daß der römische Aufenthalt
für den jungen Fischer nicht nur handwerkliche,
sondern auch geistige Lehrzeit war, darf füglich
angenommen werden.
Wilhelm Messerer hat mit Recht gemeint, daß die
Frage, ob Auftraggeber oder Künstler das (ikono-
iogische) Programm (eines sakralen innenraumes)
erstellten, nnicht grundsätzlich beantwortet wer-
den kann; nach einer persönlichen Handschrift'
muß immerhin gefragt werden-Süß. Daß sich Künst-
ler bei den Ausstattungsprogrammen des Barock
an die ausgeklügelten Anleitungen gelehrter Theo
logen zu halten hatten. mag fallweise zutreffen.
Leute wie Bernini, Fischer, Juvarra oder Asam hat-
ten solches gewiß nicht nötig; das anregende Ge
sprach mit Gleichgesinnten haben sie aber wohl
öfters gepflegt.
Hier muß kurz eines Mannes gedacht werden, der
bis jetzt nur in einigen lokalen Saizburger
Familien-5i und Häuserchronlkensz erwähnt wor-
den ist, der aber in der Kunstgeschichte Salzburgs
im ersten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts keine
geringe Flolle gespielt hat53: Raimund Anton Mein-
rad Reichsfreiherr von Rehlingen scheint im ein-
gangs zitierten Kontrakt zwischen Carlone und
der Hofbaumeisterei zusammen mit Fischer als
Zeuge auf. Am 20. Mai 1660 in Salzburg geboren,
war Rehlingen 1691 Kämmerer und 1692 Hofkam-
merrat des Fürsterzbischofs geworden? Da es
wegen der vielfältigen Bautätigkeit Erzbischofs
Thun die Hofkammer laut Sitzungsprotokoil vom
1. Oktober 1701 für gut und notwendig hielt, daß
wieder ein trCommissarius oder inspector über
das hochiürstliche Pauwesen aus disem Rath ver-
ordnet wirdll, hatte die Hofkammer für irderley 0b
sicht Herrn Baron Rehlingen, welcherohnedem im
Pauwesen eine zimbliche Wüssenschaft hatn, vor-
geschlagen55. Daraufhin war Rehlingen mit lan-
desfürstiichem Dekret vom 9. November 1701 ndie
Obsicht über das Hofpauwesan unter dem Titel ei-
nes hochfnrstlichen Pau-inspectoris gnädigst an-
vertraute wordenäü. Der reiche, angesehene und.
wie ein Teiiverzeichnis seiner Bibliothek erweist57,
sprachenkundige und hochgebiidete Hofbauin-
spektor entsagte aber der Weit und trat am
13. April 1711 als vFr. Ralmondo delia Madre di
Dick in das Kloster der unbeschuhten Karmeiiter
zu S. Maria deiia Scala in Horn eln, wo er am 12.
April 1712 Profeß feierte und am 18. Februar 1743
- win perfectione omnibus virtutum exempiarlt -
verstarbäß. Rehlingen folgte bei der Wahl seines
Ordens gewiß nicht reinem Modetrend59u, son-
dern hatte wohl andere Gründe: Die großen Refor-
matoren der Karmeiiter, Teresa von Avila und Jo-
hannes vom Kreuz, sind wKlassiker-t der christli-
chen Mystik, das ideal der Ordensangehorigen ist
es, nach dem Vorbild ihres l-Vaters und Leitersll
Elias und der Mutter Gottes (deren Verehrung we
sentlich zum geistlichen Leben des Karmel ge
hört) zu wachsen und zu reifen in der kontemplati-
ven Vereinigung mit Gottöü.
Der persönliche Vertreter des Auftraggebers wie
der planende Architekt für den Bau der Kollegien-
kirche waren mit den geistigen Strömungen ihrer
Zeit vertraut und kannten die literarischen Zeug-
nisse der katholischen Mystik. Jenen Glanz und
jene Klarheit aber, die nach den Visionen der Ma-
ria von Agreda die immaculata, wbegnadet mit ei-
ner tiberströmenden Fülle von Licht-i, in der Epi-
phanie der Transfiguration auf dem Tabor schau-
te, am Hochaltar der Kollegienkirche zu Salzburg
so großartig sichtbar werden zu lassen, gibt ein-
mal mehr Zeugnis von der hohen schöpferischen
Geistigkeit eines Johann Bernhard Fischer von Er-
lach.
Anmerkungen 40-60
"i Zitiert nach der neuesten deutschsprachigen Ausgabe -Lel
jungfraulichen Gottesmutter. . .-. übersetzt von Assumpta
nach der -Nueva Ediciön du in Mistlca Ciudad de Diese. Bai
1911-1914; Zürich 197114 569.. hier ill. S. 292-294. Die e
chendan Textstellen in der (mir zugänglichen) spanischi
gabe (Antwerpen 1696) im s. Kapitel des s. Buches, Abs
Nr. 1099-1103 auf S. 383-385.
" Wilhelm Messerer. Altars in der iltonologie des süddeutscl
rock, in' Zeitschrift für bayerische Landesgeschichte, 35.
Heft 1 i: Festschrift für Norbert Lieb). 5135-153. hier S.
u ZurCathedra selbst Vgl. Nikolaus Gussone und Nikolaus StE
Zu Motivkrels und Sinngehalt der Cathedra Petri. in. rühn
teriiche Studien. Jahrbuch des Instituts für Frühmittela
schung der Universität Münster. 9. Berlin 1975. S. 334-35
Ludwig Curtius. Torso. Verstreute und nactlgeiassene s:
Stuttgart 1957. hier s. 42.
Saizburger Barockmuseum. inv. Nr. 2401; Terracotta, H. 5
ß Kurt Rossacher. Das fehlende Zielbiid des Petersdomes, E
Gesamtprojekt für dlß Cathedra Fetri. in: Alte und moderne
12.1967.Heft95.S. 2-21, und neuerdings in: Die Metnmol
Katalog der Ausstellung des Salzburger Barockmuseums
burg 1979, s. 25-45
" Sedimayr wie Anm. 4, s. l10(ahniich "1976. s. m).
n dazu Hossecher wie Anm. 45, S. 20.
" Anthony Blunt. Gisnlorenzo Bernini - lilusionism und My:
in: Art History. 1. 1978, S. 67-89. hier S. 79.
Blunt wie Anm. 48. -Zu Moiinos vgl. Karl Deuringer in: Lexi
Theologie und Klrche,Vil.11962. S. 530.
m Messerer wie Anm. 41, hier S. 154.
" Franz Martin. Beitrage zur Salzburger Famiiiengeschichte,
Rehlingen, in: Mitt d. Gas. f. Saizb. Larideskunde. 73
S. 145-152. hier S. 148.
E: Friederike Zaisber er. Das Rehlingen-Stadtpalais oder das
ter-Haus, in' sterrelchische Musikzeitschrift, 33.
S 504-511. hier S. 508.
Zur architektonischen Tätigkeit Renlingeris vgl. Franz wHQl
saizburgische Holbaumeisterei und Hofbauinspektion im
fruhen 1B. Jahrhundert. erscheint in! Mitt. d. Gas. f. Salzixt
kunde 122, 1982.
u Martin wie Anm. 51.
"ß Landesarchiv Salzburg. Hofltamrnerprotokoiie des Jahres 1
ter Datum 1. Oktober.
5' Landesarchiv Salzburg, Holbauamtsakten 1701. Lit. G.
" Landesarchiv Salzburg, Geh. Arch.XXVlFll1Dl3.
Nach Abschriften aus den Konventsarchivalien von S. Mal
Scala im Lendeserchiv Salzburg. Geh. Arch. XXVIRHDIS.
5' Zaisberger wie Anm. 52. hier s. sos.
.0 Gcnduif Mestars in: Lexikon für Theologie und Kirche. V
Sp. leeelavz. hier Sp. 1370
a:
a2
Ei Anschrift des Autors:
Franz Wagner
Kustos am Salzburger Barockmuseum
Mirabeligarten
A-5024 Salzburg