. Österreichisches Museum für angewandte Kunst
Blickpunkte
Der Sommer 1979 brachte die endgültige Verabschie-
dung des bis zum 30. 6. 1979 amtierenden Direktors
w. Hofrat Prof. Dr. Wilhelm Mrazek. Damit endete ein
über zehnjähriger Abschnitt seiner Tätigkeit am Oster-
reichischen Museum. Der verabschiedete wird weiterhin
wissenschaftlich tätig bleiben und sich einem speziel-
len Forschungsgebiet widmen.
Bei Abfassung der Zeilen ist das Museum nun immer
noch ohne Direktor. Etwas ungewöhnlich zwar, jedoch
ein Faktum. Derzeit leitet Direktor w. Hofrat Univ.-Prof.
DDr. Gerhart Egger das Haus und führt Umstellungen
bzw. Umräumungsarbeiten in zum Teil renovierbedürfti-
gen Sälen durch. Ein heikles Unterfangen, das notge-
drungen eine vorübergehende Einengung des offenen
Sammlungsbereiohes für den Besucher bedeutet. Dieser
muß auch dafür um Verständnis gebeten werden. Die
Festwocher1- bzw. Sommerausstellungen laufen aus. ei-
ne von der Akademie für angewandte Kunst gekommene
brachte einige Aufregung mit sich. Dazu folgende Aus-
führungen. ine "richtige-r Ausstellung kann - wie
selbstverständlich - stets nur aus der Summe guter
Voraussetzungen resultieren. Hierin und hiefür gibt es
keine Erfolgsrezepte, statistischen Vorausberechnungen
oder sonstige optimistisch-prognostische Scheingerü-
ste. Eine Ausstellung erfüllt ihren Zweck dann nicht,
wenn sie infolge ungenügender Exploitation Schwach-
punkte, weniger im Konzeptionellen, denn im Eigentli-
chen, dem Objektkorper, mit sich zieht und öffentlich
zum Tragen bringt. Wir spielen hier auf die Basis-
Situation der Kolo-Moser-Schau an, über die, abgeebbt,
immer noch Gespräche gehen. Vorerst fiktiver Glanz-
punkt des heurigen Ausstellungssommers, zum Schluß
ein peinliches Empirem. Bedauerlich dabei. daß der Ele-
sucher, kopfscheu gemacht vom kontroverslellen Disput
der künstIerisch-organisatorischen, wissenschaftlichen
und sonstigen Beteiligten - meist über die Presse sich
total verunsichert sah. ihm. dem das Wissen fehlt. um
letzten Endes in der Sache ganz exakt zu urteilen - ab-
gesehen von Fachleuten und Kennern -, galt die Kolo
Moser-Ausstellung einfach als seriöses Spektakulum
um einen sehr bedeutenden, ja bahnbrechenden öster-
reichischen Künstler. Ab Mitte der Ausstellung also ent-
flammt die Kontroverse heftigst, war Ausgangspunkt in
eine irreparable Situation. Ein mühseliger Prozeß der
Vorbereitung und Ausführung endete mit einem nicht
wiedergutzumachenden Fiasko. Das Österreichische
Museum für angewandte Kunst, das gerade in den letz-
ten Jahren auf eine breite Zahl gelungener Ausstellun-
gen zurückblicken kann, wurde durch diese auf seinem
Boden, in s nem Ruf geschädigt. Und man "gedenkt-r
im Blick (nicht ohne Zorn) zurück an die großen
Bahnbrecher-Ausstetlurigen des Kulturamtes der Stadt
Wien. Trotz oft schwieriger organisatorischer Abwick-
tungen und Hindernissen über Länder und Kontinente
hinweg, doch mustergültige Präsentationen: p.e. Munch.
Van Gogh, Toulouse Lautrec. Gauguin, Picasso, Gezah-
ne . . . Den ersten größeren Auftritt eines österreichi-
schen Künstlers aber hat man, gelinde gesagt, leider
verptuscht. Ein weiterer, in den "gleichen SCHUHSIM soli-
te nicht erfolgen. Denn angeblich soll die Wiener Kolo-
Moser-Schau auf Tournee gehen. Verantwortungsbewuß-
te, mehr oder minder Beteiligte. hoffen, daß dies nicht
ohne wReinigung-x geschieht, damit dem guten Namen
Kolo Moser auch international eine Blamage erspart
bleibe. Man sollte doch in diesem "heißem- Ausstel-
lungssomrrier 1979 einiges dazugelernt haben. Und das
im gehörigen Respekt vor dem Publikum, noch mehr
aber vor der forschenden, aufzeichnenden Wissen-
schaft. I. n.
Ausstellungen:
"Barockes Kupfer aus Herrengrund und ornamentale
Vorlagebiätteru - verlängert bis 31. 10. 1979. (Biblio-
thek und Kunstblättersammlung).
nDie unbekannte Sammlung. Der Staat als Kunstkaufervi
- Bundesministerium für Unterricht und Kunst, Neues
Haus. Ausstellungshalle (2. 10.-a. 11. 1979)
r-Srd international Exhibitiori of Mlnlature Textiles -
und Miniaturtextilkunst in Osterreich 1979- - Brltlsh
Crafts OentreIAustrian Crafts Council, Altes Haus, Eitel-
bergersaal und Galerie 19. 10.-25. 11. 1979.
In Vorbereitung:
"Heinrich Sussmann - Aquarelle und Zeichnungen ab
1. 12. 1979 (Bibliothek und Kunstblättersammlung)
56
Koioman Moser
1868 - 1918
Ausstellung der
Hochschule für angewandte Kunst
Bericht 19
Neues Haus, Aussteilungshalle
Wien 1, Weiskirchnerstraße 3
18. 5. - 15. 7.1979
(verlängert bis 19. 8. 1979)
Diese Ausstellung, die einer der großen Persönlichkei-
ten der seinerzeitigen Kunstgewerbeschule und der Wie-
ner Kunstszene um 1900 gewidmet war, wurde von Pro-
fessor Oswald Oberhuber mit Julius Hummel zusammen
initiiert und gestaltet. Dieser langst fälligen Würdigung
versuchen wir über die Person Kolo Moser Rechnung zu
tragen ohne in ein r-schwebendes Verfahren" (siehe ne-
benstehende Blickpunkte) eingreifen zu wollen.
Eine Ausstellung im Gesamteindruck als Demonstration
und überzeugenden Beweis für die Geschlossenheit ei-
nes einheitlichen. alles erfassenden Stils an einer und
durch eine Person. Vielseitigkeit, Meisterschaft eines
Künstlers. der diesen Stil perfekt personifiziert. der also
rühmenswert scheint. Dennoch, Kolo Moser, der frisch-
autonomen Gruppe der Secessionisten zugehörig, blieb
lange unterbeachtet. Obwohl er weit vorpreschend und
voll ideologischer Voraussicht knapp vor der Jahrhun-
dertwende, als man des Historismus überdrüssig war.
neue ideale im noch rosaroten 20. Jahrhundert erkennen
wollte. Es war eine Zeit, um und um mit neuen Ideen er-
füllt, und man sah sich auch um im übrigen Europa.
gründete Künstlervereinigungen, "Orte der Begegnungii,
ähnlich der 30 Jahre vorhergegangenen denkwürdigen
ersten lmpressionisten-Ausstellung in Paris. sah solche
Veranstaltungen als einzige und wirksamste Möglich-
keit Künstler, Kritiker und Publikum zusammenzuführen.
Als publizistische Krönung erfolgte die Herausgabe her-
vorragender Zeitschriften. Kolo Moser hatte hier bereits
von den Anfangen her das riVSf Sacrumu maßgeblich
mitprofiiiert.
Um Kolo Mosers Wirken im gesamten, angesichts Fülle
und Differenziertheit seines Werkes. scheint ein Rätsel
zu liegen. Einerseits verhinderte seine Universalität. daß
er zur künstlerischen Spitze seiner Zeit zählte. als die er
heute langst erkannt wurde. Denn plötzlich auch stellt
man Klimt und Moser nebeneinander! - Wie divergie
ren sie. trotz irQuadratl-Symbioseu als Künstler, vereinen
sich in formverwandter Sprache. Gustav Klimt, der reine
Maler, mit festem Platz in der Kunstgeschichte, Kolo
Moser, fruchtbringend im Kunstgewerbe zersplittert und
überaktiv. im Malerischen jedoch unvollendet.
Dem Werke und der Person Kolo Mosers entsprechend
hat Prof. 0. Oberhuber die Ausstellung ausgerichtet.
Strenge gestalterische Grundzüge schaffen klare Durch-
und Einsicht auf die verschiedenen Gebiete, in denen
Moser so Hervorragendes schuf. Und wir sehen das
Wort Hevesis bestätigt, der einmal meinte, itdaß es in
Wien moseriertir. Mosers Instinkt in summa künstleri-
sche Fähigkeiten bewirkte hohe künstlerische Potenz.
Selbst in der Fleprise eigener motivischer Formulierun-
gen ist alles noch frisch und lebendig. Seine Graphik
durchgearbeitet. von bezwingender Examlnierung. Dem
Worte der Dichter folgt er einfühlsam. verbindet muster-
gült Seine unzähligen kunstgewerblichen Schöpfun-
gen in Holz, Glas. Keramik und Porzellan und in noch
vielen anderen Materialien, deren Variabilität erregen
Staunen. Von exakter Durchbildung und Formung bis
zur Perfektion hin ist jedes Objekt. in detikater Farbge
bung.
Fast eine Hymne auf Kolo Moser, das Phänomen? Ja
doch. nur war es vielleicht schicksalhaft, daß er als Ma-
ler seine Krönung sehen wollte. in einen Fliesenschatten
hinein: Hodler. Moser zeigt zwar abstrakte Ansätze. Auf-
lösung der Form aus dem Figurativen zu stofflicher
Dinglichkeit, mit Goethes Farbiehre neue Farbschich-
tungen mutierend. erreicht als Maler jedoch nur Vorstu-
len, Ausgangspunkte, Ansätze, nicht mehr Höhen. die er
angepeilt. bei aller Kühnheit seines Vortragens und Wol-
lens. Allein sein vielschichtiges Schaffen im kunstge-
werblichen Bereich bis zu Bühnenbild und Tanz prägte
ihn zum markantesten Sensor jener Aufbruchsbewe-
gung, die um 1900, allzu müde von Makarts zu Tode be-
triebener historisierender Schwulstigkeit, neuen Ufern
zustrebte.
Und die Ausstellung bewies auch. daß Kolo Moser -
mit Josef Hoffmann natürlich - der starke Genius war,
der den Geist der Wiener Werkstätte beflügelte. Wobei
ihn Bahr mit Recht einen r-Tausendkünstlerr- nannte. So
erscheint Kolo Moser heute als Leitbild und Personali-
tät. Und als prophetischer Augur für Otto Wagner der
voraus wußte. daß mit Kolig. Wiegele, Schiele und
Faistauer echte Größen heranwachsen. Auch er resi-
gnierte letztlich an den österreichischen Grundübeln,
als er meinte: nAm seltensten sind für den heutigen
österreichischen Künstler Aufträge. die aus Osterreich
kommen. Während man einen jungen Künstlern:
dem anderen ins Ausland holt, ist bei uns wieder
wisser Stillstand und Gleichgültigkeit eingetrete
gerade die in solchen Angelegenheiten maßgebe
Stellen zeigen leider ein bedauerliohes Unverstäi
Wäre es sonst möglich, daß ein so hervorragend
Künstler wie Otto Wagner nur zwei, drei größere
che Bauten ausführen konnteil...
Grete Rader-Soulek
Bilder und Zeichnungen 1969 - 1979
Katalog Neue Folge Nr. 56
Altes Haus, Säulenhof
Wien 1, Stubenring 5
26. 4. - 4. 6. 1979
Wir gehen immer wieder das 20. Jahrhundert inn
der Kunst, der Malerei, mit den ganz großen Nan
Lokal wie international. Doch immer wieder erwr
sich, daß eine Reihe von Künstlern. kunstgeschii
ins Vergessen abgenabelt, treffende Sequenzen
Zeit hervorbrachte. Meist ist ihr Verhalten. ihr Ni
len unheldisch, infaszinativ. wenngleich im stärk
Maße aussagend über die eigene Zeit. Und spätr
heute p. e. - hervorgeholt. von zeitloser Frische
Rader-Soulek, die man übrigens aus der Reserve
mußte, scheint uns ein solches Beispiel zu werd
Denn, des sensibelsten Künstlers Zurückhaltung
zwangsläufig auch einmal anders, dann, wenn e
daß er das Echo braucht. Die Bestätigung, ob de
er schafft, iiankommtrr. Sonst verlore künstlerisc
tigung ihren Sinn.
Grete Rader-Soulek malte ein Dezennium so gut
stillen. malte, weil es sie dazu drängte. Lehramt
Künstlerschaft dominieren ihr Leben. Zweite veri
sie für sich behalten zu müssen, im ureigensten
mit zu leben. im wesentlichen drückte sie sich d
lormatig, Din A 4. aus. Ein Charakteristikum, da:
Frische ihrer Einfälle spontan anlegt. am treffen
erhält. Eine personell-ursprüngliche Malerei, die
der einzelnen Form bewußt ohne jeden Titel läßt
Es begann mit einer Konfrontation in der Hochs
Grete Rader-Soulek wenthülitew dem erstaunten l
Prof. Dr. Wilhelm Mrazek und dem Schreiber der
Bild um Bild. Große, kleine, und Zeichnungen. Si
Eigenständigkeit und künstlerische Frische, ist .
zu registrieren. Gruppierungen und Bündelunger
ornamental-serielle Formen, delikat. farbkultiviei
einzelne Figurationen, der Phantasie des Besch:
niges offen lassend. Und man vermißt nicht den
renden Titel, empfindet diese Malerei als das. w
sein will, Befreiung. lns-Bild-Setzen. was da her:
drängt. Grete Rader-Soulek, gereift in ihrer eiger
tigkeit. als Mensch und Malerin ist ungemein se
Die Präsentation ihres so gut wie unbekannten l
schen Werkes im Säulenhof, diagonal, dlametra
von daher schon bewußt einen besonderen gest
schen Akzent. Man schreitet die Bilder ab, verfä
wohltemperiertes visuelles Zwiegespräch, das V1
Frische der Leinwand her bestimmt und belebt i
ist Vegetabilisches, gesetzmäßig akkordiert. Ple
Fischschwärmen gleich einem Punkt zuströmen
lem ist instinktive Ordnung, Harmonie. Andeutui
amorpher Linienzüge, die voll ihre Wesenhaftigk
Spannung im Raum erreichen. Keine eruptiven E
dungen - oder doch? -, aber doch kraftvolle h
schritten aus scheinfs unausschopfbarem Rese
Grete Rader-Soulek, ihr Lehramt abstreifend, sic
schulisch-edukativen Korsett befreiend, lebt als
rin ungemein auf in ihrem malerischen Werk. G2
türlich. laßt dabei einmal mehr die Durchdringur
angewandter und freier Kunst in sich, ihre wie s
ständliche Wechselbefruchtung erkennen. Eine
rin der Zurückhaltung nicht unbedingt anzuempl
ist. Sie sollte so verantwortungsvoll. wie sie lehi
ebenso von Zeit zu Zeit frei machen, ihr Atelieri
und hervortreten. leopoli
1 Kolo Moser, 1901. Fotografie
Brief Kolo Mosers an Otto Wagner. 1905 (Kat. Nr. 381
K. Moser in Voraussicht die nHerren Kolik. Faistauer,
Schiele-r als Stipendiaten empfiehlt.
2 Kolo Moser nDrei Töpfe für Blumen". 1898. Euchschrr
SBCYUITW 111
3 Kolo Moser, Fassadenschrnuck am Gebäude der Wie
Secession, 1898, Morteischnitt
4 Kolo Moser. Schrelbkasten, intarstert, geschlossen, 1
i-Das lriterieur- Vli s. es. Wien. 190a
5 Kolo Moser. Entwürfe für Glasmalerei fLlr das Fenster
dem Eingang der Kirche mm Steinhof-r. 1904. ..Adam-
gelb _ nEVavt. Tempera auf Papier
Kolo Moser, i-Miss Georgea, um 1916, Buchillustratior
von Hoffmannsthai r-Das Bergwerk von FaluIi-r
Kolo Moser, Tunkpapier, 1904
Kolo Moser, nDaS Licht-r. um 1913. Ausschnitt. Ol aui
wand (Orig. i. u. monogr. u, dat.: KMIIS, um 1913.)
(u
mw