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Volltext: Alte und Moderne Kunst XXIX (1984 / Heft 192 und 193)

herum gruppierten Musiker aufden vier Pfeileremporen U 
und unten rechts im Presbyterium zu sehen. Die beiden 
im Bild vorderen (westlichen) Pfeileremporen werden 
von den Hoftrompetern beherrscht (die Bezeichnung 
wTrompeterchorr fürdie westlichen Pfeileremporen ist 
noch Mittedes 19. Jahrhunderts, unmittelbar vorderen 
Abbruch, üblich gewesen). im Bild dominieren auf den 
beiden hinteren (östlichen) Pfeileremporen die - wie 
wirwissen auch als Werke starker besetzten - Orgeln. 
Während links Sangersolisten und Bläser stehen, ha- 
ben rechts die Streicher ihren Platz. Die Darstellung ist 
hier gegenüber der späteren Praxis (vgl. das folgende) 
also gleichsam vseitenverkehrtri (wie übrigens auch die 
Spielhaltung des blasenden Posaunisten, Abb. 9). Deut- 
iicher noch als die beiden Organisten sind die beiden 
Kapellmeisterdargestellt, die sich gegenseitig und mit 
den Musikern zu ihren Füßen im Presbyterium mit erho- 
benem rechten bzw. linken Arm taktierend verständi- 
gen. 
Bei derChororgel (Regal) im Presbyterium rechts vorne 
stehen Instrumentalisten und Sänger, dahinter die um 
ihren Praeceptor gruppierten Kapellknaben. im Presby- 
terium links vorne steht ein Vokalchor, so daß sich ins- 
gesamt-wiein Bibers Riesenpartitur -sieben Klang- 
gruppen oder Chöre ergeben. 
im Detail mutet auf Küsels Stich manches wie eine Mo- 
mentaufnahme an. Die Trompeter pausieren, ebenso 
der eine derbeiden Posaunisten auf der hinteren (östli- 
chen) Empore, der die Pause benutzt, um das Kondens- 
wasserabtropfen zu lassen (Abb. 9), während der rechts 
vom Hoforganisten stehende Streicher aufmerksam zu- 
hörend seinen nächsten Einsatz abzuwarten scheint 
(Abb. 10), 
Uber Musik und Liturgie im 18. Jah rh u nde rt - seit 
Anfang dieses Jahrhunderts existierte, wie erinnerlich. 
die große Orgel auf der Westempore - sind Berichte 
aus derJahrhundertmitte besonders gewichtig und auf- 
schlußreich, und man darf sie im Grundsätzlichen als 
(auch vorher) weithin gültig ansehen. 
Nach der hochoffizielien, von Hofkapeilmeister Karl 
Heinrich von Bibern 1746 im Auftrag von Erzbischof 
Leopold Anton Freiherrvon Firmian aufgestellten i-Ord- 
nungrr war im Ablaufe des Kirchenjahres, je nach der 
Einstufung eines Tages in der Rangordnung kirchlicher 
Feste, die Beteiligung der Musiker genau geregelt. Drei 
Stufen wurden unterschieden. 
An den hohen Festtagen ("in Festis Palliirr) wurde auf al- 
len vier Pfeileremporen musiziert. Aui dem vPrincipal- 
Chorddersüdöstlichen Pfeiieremporemitder Hoforgei, 
rechts vorne) befanden sich der Kapellmeister, die Ge- 
sangssoiistenwnterihnen zwei Kapellknaben), der Hof- 
organist (zwei Jahre lang. 1779 - 1780, versah hier 
Wolfgang Amadeus Mozart diesen Dienst) mit den baß- 
verstärkenden Instrumentalisten, und die chorbeglei- 
tenden Posaunisten. Die nordöstiiche (vordere linke) 
 
Pfeilerempore war mit den Streichern besetzt (Leopold 
Mozart, derdort seinen Platz hatte, nennt diese Empore 
kurzerhand den nViolin-Chorir). Die beiden westlichen 
Pfeileremporen gehörten nach wie vor den Hoftrompe- 
tern. im Tutti kamen - als fünfte Gruppe - die Chor- 
sängermitderChororgel und einem Violone dazu, dieal- 
le unten im Presbyterium vorne rechts placiert waren. 
Die große Orgel auf der Westempore trat nur beim Ein- 
und Auszug des Erzbischofs in Funktion (nnurzum Prae- 
ludierenu, wie Leopold Mozart es ausdrückt), bei beson- 
derem Anlaß im Wechsel mit den Trompetern und Pau- 
kern. 
Bei der nachst niederen Stufe, win Festis Praepositi et 
Decaniri, brauchten die Hoftrompeter nicht zu erschei- 
nen, auch die große Orgel auf der Westempore schwieg 
in der Regel. im übrigen war auf den beiden östlichen 
Pfeileremporen und im Presbyterium alles so wiean den 
höchsten Festtagen besetzt. 
Den Kirchendienst der dritten Stufe, win Festis Canoni- 
cirr, versahen nureine oderzwei Gruppen von Musikern. 
Jedenfalls war von den Pfeileremporen nur die mit der 
Hoforgei (rechts vorne)besetzt. Hierbefand sich die üb- 
liche Besetzung des iiPrincipal-Choresrr (vgl. oben), die 
aus Platzgründen etwas reduziert wurde, um fünf Violi- 
nisten Platz zu bieten. Je nach den Anforderungen der 
aufzuführenden Kirchenmusik kamen bis zu zwanzig 
Musiker aufdieser Empore zusammen. Zu ihnen traten 
(nur im Tutti) als zweite Gruppe die iiFlipienistenrr - un- 
ten im Presbyterium bei derChororgel postiert - hinzu. 
Nimmt man die nur von der Chororgel im Presbyterium 
begleiteten (oder auch unbegleitet gesungenen) Cho- 
raiamter hinzu. so waren mit dieser kirchenmusika- 
iisch-iiturgischen irOrdnungrr alleAnsprüche zu befriedi- 
gen, zumai man diese Ordnung flexibel handhaben 
konnte. Hietür ein besonders schönes Beispiel, das wir 
einem brieflichen Bericht Leopold Mozarts an seinen 
Sohn verdanken. Am Allerheiligenfest 1777 wurde im 
Saizburger Dom Johann Michael Haydns nOboen- 
Messer (Hieronymus-Messe) zum ersten Mal aufge- 
führt. Der die Aufführung von der Hoforgelempore aus 
selbst leitende Komponist hatte bei der Piacierung der 
Musikerder besonderen instrumentalen Besetzung sei- 
ner neuen Messe (ohne Violinen) Rechnung getragen 
und die sechs Oboen und drei Fagotte auf dem (nördli- 
chen) gegenüberliegenden vVioiin-Chorir postiert, S0 
kamen akustisch die solistisch-konzertierenden Bläser- 
partien ebenso wie die rimeisteriich durchgearbeiteten 
(Chor-)Fugenri zur stärksten Wirkung, was Leopold M0- 
zart veranlaßte zu versuchen, diese Messe "über kurz 
oderlang zu bekommenrgdamit ersie seinem Sohn zum 
Studium schicken könne. 
Ebenso anpassen konnte man sich aber auch an die in 
der Folge der kirchenmusikaiischen Reformen derAuf- 
klärung erforderliche Beschränkung auf kleinere Beset- 
zungen, die sich, wie Versuche mit einer provisorisch 
errichteten Pfeilerempore im Sommer 1983 weit über 
alles Erwarten hinaus bewiesen, auf das lnnigste mit 
dem liturgischen Geschehen verbinden. 
Anfang des 19. Jahrhunderts stellte man sich - 
wohl im Zeichen derveranderten Situation nach der Sa- 
kularisation - zwar die Frage, ob die Kirchenmusik im 
Saizburger Dorn künftig von der Westempore aus aus- 
geführt werden sollte. Doch blieb man aus guten Grün- 
den vorne im Kuppelraum, So erfahren wir z. B. aus den 
Berichten des Ehepaares Noveiio vorn Sommer 1829 
und aus dem Zusammenhang der Orgeireparaturen im 
Dom während der 1840er Jahre sowie der Mozartfeste 
1842 und 1856, daß vorne im Kuppelraum Kirchenmu- 
sik gemacht wurde, sowohl bei dervfürdie zu den feyer- 
iichen Gottesdiensten erforderlichen Figuratmusickir 
(1 B41 ), als auch rin täglichem Gebrauch-r, fürden vor al- 
lem vdieQSeiten-Orgeln rechts in derDom-Kircherqaiso 
die Hoforgei und die inzwischen auf zwei Manuale er- 
weiterte Orgel auf dem rechten Trompeterchor) dien- 
ten, wie wir noch in einem Bericht Ende des Jahres 1 858 
lesen. Einige Wochen später konnte man in Salzburg in 
derZeitung folgende Argumentation fürdie Beseitigung 
der Pfeileremporen lesen: nSobequem diese Chöre zum 
alltäglichen Musikdienst auch seyn mögen . . ., so istdie- 
ser Bequemlichkeit doch allzuviel auf Kosten der archi- 
tektonischen Grundregeln Rechnung getragemr Noch 
im selben Jahr wurden die vier Emporen mit ihren Or- 
geln bei der i-Restaurationir des Saizburger Domes ab- 
getragen. Die irarchitektonischen Grundregelnr traten 
in Erscheinung (vgl. Abb. 5). 
Nach Abbruch der vier Pfeileremporen konzentrierte 
sich die Kirchenmusik mit ihren großen Orchester- und 
Chor-Besetzungen bei der (von 46) auf 60, 70 und 
schließlich auf 101 Register erweiterten großen Orgel 
auf der Westempore und geriet dabei, kaum zu bewälti- 
gende raumakustische Bedingungen in Kauf nehmend, 
in eine nurschwerzu überbrückende Distanz zum Altar- 
raum und zum liturgischen Geschehen. Musik und Litur- 
gie wurden räumlich getrennt und verloren die Verbin- 
dung zueinander. 
Seitdem hatsich wesentliches geändert, Die liturgische 
Erneuerungsbewegung des 20. Jahrhunderts verlangte 
u; et.- 
 
 
 
i 
wieder nach der Nähe der Musik zum Altar, nach einer 
Verbindung von Musik und Liturgie. Es kam zum Neubau 
einer Chororgel (1937), deren zweigeteilter Prospekt 
ohne Gehäuse (und ohne Emporen) an den östlichen 
Vierungspfeilern angebracht wurde, Aus den Resten 
dieses 1944 beim Einsturz der zerbombten Kuppel zer- 
störten Werkeswurde1958dieheutigeChororgel hinter 
dem Hauptaltar aufgestellt. Seitdem hat die kirchen- 
musikaiische Praxisvieles unternommen und versucht. 
Fürdas, was jetzt, seit Ende 1982 in Bewegung gekom- 
men ist, dürfen vielleicht die Worte in Anspruch genom- 
men werden, die Papst Johannes Paul ii. am 12. Sep- 
tember 1983 im Kongreßzentrum der Wiener Hofburg 
vor Repräsentanten von Wissenschaft und Kunst und 
der Medien über das Verhältnis der Kirche zur Kunst im 
Hinblick auf die Liturgie gesagt hat: irlm besonderen 
bedarfdie Kirche der Kunst für ihre Liturgie, die in ihrer 
Vollgestalt ein durch den Glauben inspiriertes Kunst- 
werk sein will unter Einbeziehung aller schöpferischen 
Kräfte aus Architektur, bildender Kunst, Musik und 
Dichtung. in ihrer eschatologischen Dimension ver- 
standen, will die Liturgie Teilhabe am Glanz und Klang 
des ewigen Jerusalem sein, von dem die Bibel in ihrem 
letzten Buch in künstlerischer Sprache spricht. Diese 
Stadt ist der Ort, wo die Schönheit und das Gute, die im 
Lauf der Geschichte so oft und so schmerzlich ausein- 
anderfallen, für immer vereint sindr 
Wie hatte ein Teilnehmer an der festlichen Liturgie zur 
Saizburger Domweihe 1628 unter dem Eindruck der 
Festmesse und des Hymnus vTe Deum iaudamusrr ge- 
schrieben: nSehr tief drang in die Anwesenden ein - 
und das war keine leere Vorstellung -: daß sie im Him- 
mel, wahrlich zwischen den Himmlischen seien, und al- 
le wurden so von Andacht erfüllt, daß jeder selbst am 
Ambrosianischen Lobgesang mit einer eigenen Fürbit- 
te teilnahm". 
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