SCHNEIDEN (GRAVIEREN)
Darunter versteht Springer die „Verzierung der Giasoberfläche mit feinen Linien und Mu
stern (mit sich senkrecht drehenden Gravierrädchen meist aus Kupfer für die Mattgra
vur, aus Blei für Polieren)“.
Wieder dürfen wir auf Strehblows Beschreibung einer Technik zurückgreifen (Strehblow
1920, S. 75):
„Das Glasschneiden ist eine Fachfertigkeit, bei welcher das Werkstück an ein lotrecht
laufendes Schneiderädchen angedrückt wird. Die Arbeit geschieht am Glasschneide
stuhl, auch Schneidezeug genannt. .. Der Arbeitende sitzt nun, die Ellenbogen auf die
Tischplatte gestützt... die Arme und die das zu zierende Glasstück haltenden Hände
erhoben, wobei das gerade vor ihm von oben her gegen den Arbeitenden laufende
Schneiderädchen in solcher Höhe vom Glasschneidestuhl getragen wird, daß ein An
drücken des Werkstückes an den Umfang des Rädchens von vornuntenher leicht mög
lich ist. . , Die schon erwähnten Spindeln sind aus Stahl... Die Schneideräder sind nun
der Art ihres Schneidezweckes entsprechend verschieden groß, verschieden dick und
ihr Umfang verschieden geformt. Es ist klar, daß zum Schneiden eines Fingers oder der
Nase eines kleinen Figürchens - manchmal ist so ein Fingerchen noch keinen Millimeter
lang - äußerst kleine Rädchen benützt werden müssen; es ist ein und das andere oft
noch nicht so groß, als ein Stecknadelkopf. In diesem Falle kann man auch gar kein Kup
ferscheibchen, das diese Kleinheit hätte, auf die Spindel mehr aufnieten und man behilft
sich dann damit, daß man geradewegs aus der Stahlspindel selbst das so kleine Räd
chen ausdreht. Zu langen geraden iinienartigen Schnitten wird man wieder größere Rä
der benützen; die größten solchen haben ungefähr 10 cm Durchmesser, welches Maß
selten überschritten wird . . . Aber nicht alle die Arbeitsrädchen sind aus Kupfer: zum
hochglänzen benützt man solche aus Blei, bei größeren Schnitten solche aus Pappel
holz, noch besser aus dem Holze des Pfaffenhüteis; als Glänzmittel kommt stets Kugler-
schlamm zur Verwendung. Wünscht man alle Stellen des Glasschnittes ganz und gar ge
glänzt, so benützt man ein Borstenrad .. .-mit Schlamm.
Wenn die gesamte Schnittweise tief eindringt, so spricht man von ,Tiefschnitt‘, sonst
von ,Flachschnitt 1 . Man kann aber auch flüchtig, mit geringem Druck fast ohne Tiefe
über das Glas hinweggleiten - .rutschen 1 , wie man diese Art bezeichnet. . . Das
ln=das=Glas Schneidende ist aber gar nicht das weiche Kupferrädchen - Kupfer ist ja
viel weicher als Glas. Das Schneidende ist Schmirgel, der in einem flachen, muldenarti
gen Blechnäpfchen mit gewöhnlichem Öl (auch Brennöl) zu einem Brei vermischt wor
den ist; eine geringe Zugabe von Petroleum verstärkt die schneidende Wirkung ... Der
Schnitt selbst, wie ihn das Kupferrädchen und der Schmirgel ergibt, ist ein zart silbrig
weißer Ton am durchsichtigen Glas. Manche Stellen, wie z. B. die Perlen in einer Krone,
oder die Wasserperlen eines Springbrunnens, die Staubgefäße einer Blume können ge
glänzt werden und leuchten dann mit den ihrer Krümmung entsprechenden Glanzlicht
chen wunderschön. Um z. B. Fleischteile einer Figur gegen die Kleidung im weißen Ton
zu unterscheiden, wird das eine oder das andere mit Korkrädern und Schlamm ... auf
gehellt, also das ursprünglich gleiche Weiß dem Ton des unbearbeiteten Glases näher
gebracht; noch heller wird das Matt, wenn vor der Aufhellung mit dem Korkrade erst mit
dem Holzrade vorgehellt worden ist. . . Des Schneiderades Größe, dessen Dicke, des
sen Zurichtung, die Schnittart, das Einwirken am Platz, das Ziehen und Drücken, die Zeit
der Einwirkung, das Matt=stehen=lassen oder das Aufhellen und Glänzen, Kupferräder,
Bleiräder, Holzräder, alle Feinheiten des Schmirgels ergeben eine solche Unsumme von
Wirkungsmöglichkeiten, die es ausschließen, eine weitergehende Beschreibung des
Glasschneidens wie bisher zu geben. Bei kaum einer anderen Handfertigkeit ist so
173