Topographie, Orographie.
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dessen Ausmündung beim Freudenauer Hafen zieht sich ebenes Land sehr gleichmäßiger
Seehöhe nicht nur zwischen Hauptstrom und Kanal, sondern auch rechts des letzteren hin.
Es gibt der ganzen 1 raterinsel, also dem II. und XX. Bezirke, den Untergrund und nimmt
Teile des XIX., IX., I., III. und XI. Bezirkes ein. Dieser fast vollständig ebene und nunmehr
besiedelte Boden gehört der Alluvialregion der Donau an und bildete durch lange Zeit den Schau
platz, wo dieser Strom in verwildertem Zustande sein Bett verlegte, „Haufen“ aufschüttete,
Altarme schuf und wieder verlandete, wo die Inundationen ungehinderten Zutritt fanden, bis
menschliche Schutzvorrichtungen der Verwilderung ein Ziel setzten. Waren die Höhenunter
schiede auf diesem Talboden der Donau nie bedeutend, so wurde durch die zunehmende Ver
bauung noch ein weiterer Ausgleich erzielt, indem die niedrigsten Teile aus sanitären Rück
sichten gehoben wurden, was auch jetzt noch besonders umfangreich im IX. Bezirke geschieht.
Die geringsten Seehöhen der Alluvialregion sowie überhaupt Wiens finden sich naturgemäß
an der Donaukanalausmündung vor. Der Nullpunkt des unfern der Donau gelegenen Shnme-
ringer Kanalpegels weist eine Seehöhe von 154'672m auf, während der Pegelnullpunkt an der
Ferdinandsbrücke (Innere Stadt) 156'711m über der Adria liegt. Letztere Stelle bezeichnet
den Fixpunkt, auf den sich sämtliche Nivellements des Stadtbauamtes beziehen. Seine genaue
Bestimmung sowie die anderer Punkte in und um Wien ist durch das Präzisionsnivellement der
Triangulierungsabteilung des k. u. k. Militärgeographischen Institutes erfolgt. Für die Alluvial
region ist das Niveau des Donauspiegels von großer Bedeutung. Der maßgebende Pegel bei
der Reichsbrücke besitzt am Nullpunkte eine Seehöhe von 157-076 m. Da das bekannte Höchst
wasser (September 1899) in dem gegenwärtigen Inundationsgebiete 5-6 m über Pegelnull stand
und die Hochwassergrenze demnach die Kote von 162 7 m erreicht hat, würde ohne die
Schutzvorrichtungen am Kanäle und ohne die in der Brigittenau und Leopoldstadt aufge
tragene Hochkante die Alluvialregion, welche zumeist unter dem angegebenen Betrage kotiert,
den Überschwemmungen ausgesetzt sein. Dank des Schutzes sind die Stromniederungen dicht
bebaut und nur, wo die Verbauung noch nicht um sich gegriffen hat, wie z. B. im unteren
Prater, bedecken Auwälder den sandiglehmigen Boden.
Aus der Stromebene hebt sich das Gelände fast durch das gesamte Gemeindegebiet
unvermittelt in steiler Böschung um 10—15m zu den höheren Stadtteilen empor. Dieser
jähe Übergang ist als „Steilrand“ bekannt und stellt ein hohes Bruchufer des Donaustromes
dar, wie solche noch jetzt an verschiedenen Stellen unterhalb Wiens fortgebildct werden. Der
Steilrand tritt an verschiedenen Stellen des XIX. und vereinzelt auch im IX. Bezirke (im
Clam-Gallasschen Garten von der Liechtensteinstraße zu sehen) noch in natura entgegen,
während der bebaute Teil durch Treppen und Stiegen, z. B. in der Thurngasse (IX. Bezirk)
und Fischerstiege (I. Bezirk), oder durch steil ansteigende Straßen, z. B. Berggasse (IX. Bezirk)
oder Marc Aurelstraße (1. Bezirk), gekennzeichnet wird. Nur an wenigen Stellen ist seine Spur
verwischt, und dieses sind in der Regel solche Partien, wo kleine Seitengewässer der Donau,
wie der Währinger- und Aiserbach sowie der Wienfluß, infolge ihrer Erosionstätigkeit das
Mündungsgebiet eingeebnet beziehungsweise einen Mündungsschuttkegel gegen den Donau
kanal vorgeschoben haben. Dies ist der Fall an der Alsbachstraße, am Schottenring und seinen
parallelen Straßenzügen und in besonders großem Ausmaße am Park- und Stubenring bis auf
die Landstraße zur Rasumofskygasse. Mit diesen Lücken des Steilrandes korrespondiert jeweilig
ein Ausbug des Donaukanales, ein sicheres Zeichen, daß an solchen Stellen Seitenrinnsale ihre
Mündungsschuttkegel vorgebaut haben. Im III. Bezirke erscheint der Steilabfall bei der Rasu
mofskygasse und gliedert sich von der Erdbergstraße an in zwei Stufen.
Es ist selbstverständlich, daß diese Terraineigentümlichkeit für Wien nicht nur hinsichtlich
der Kommunikations-, sondern auch bezüglich anderer Verhältnisse, namentlich was den
Gesundheitszustand anbelangt, seit je von großer Bedeutung war; denn die Terrainkante
scheidet Gebiete mit verschiedenen Boden- und Grundwasserverhältnissen. Unterhalb der
selben befindet sich das Alluvialgebiet, oberhalb nimmt das von diluvialen Bildungen über
deckte Tertiärhügelland seinen Anfang. Letzteres ist in dem verbauten Teile an der Oberfläche
großen Änderungen ausgesetzt gewesen, indem die Anlage von Verteidigungswerken oder die
Gewinnung von Baumaterial (Lehm und Sand) schon in frühen Zeiten die Bodenkonfiguration
an vielen Lokalitäten beeinflußte, wie dies auch noch heute in den großen Sandgruben der
Türkenschanze beobachtet werden kann. Ältere Gassennamen, wie die Ziegelofengasse im
V. Bezirke oder die Laimgrubengasse im VI., haben die frühere örtliche Beschaffenheit^mancher
Gegend wenigstens in dem Namen erhalten. Abgesehen von diesen durch die fortschreitende
Stadtentwicklung bedingten Änderungen der Bodenoberfläche, die einzeln anzuführen hier nicht