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Volltext: Wien am Anfang des XX. Jahrhunderts : ein Führer in technischer und künstlerischer Richtung, Band 1: Charakteristik und Entwicklung der Stadt, Ingenieurbauten

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Topographie, Orographie. 
am Platze wäre, läßt sich aber doch in dem ganzen Gebiete der Tertiärhügellandschaft ein 
gemeinsamer Zug erkennen, das ist das allmähliche Ansteigen der Höhe des Geländes jenseits 
des mehrgenannten Steilabfalles. Bloß der I. Bezirk zeigt sehr mäßige Undulationen, die sich 
oberhalb des Steilrandes zwischen 170 und 180 m Seehöhe bewegen. Die beiden anderen 
alten Donaubezirke, nämlich die Landstraße und der Alsergrund, haben mit etwa je 188 m 
Maximalhöhe schon größere Niveauänderungen im oben angedeuteten Sinne, und jene alten 
Bezirke, die an den Steilrand nicht heranreichen, also der IV., V., VI., VII. und VIII. Bezirk, 
besitzen bei einer durchschnittlichen Maximalhöhe von rund 200 m noch größere Niveauunter 
schiede. Die äußeren Partien dieser Bezirke sind zugleich die höchstgelegenen und die gegen 
die Innere Stadt zu situierten die niedrigsten. Neben dem allmählichen Ansteigen des Bodens 
wird das Relief verschiedener Bezirksteile durch den Lauf der Seitengewässer des Donaukanales 
bestimmt. Wo die jetzt in das Kloakensystem einbezogenen und daher überwölbten Rinnsale 
ehedem ihren offenen Lauf nahmen, ist eine Terrainsenke konstatierbar. Eine solche gut aus 
geprägte Tiefenlinie verläuft z. B. längs des Alserbaches von der ehemaligen Hernalser Linie 
abwärts durch die Lazarett- und Spitalgasse, einen Teil der Nußdorfer- und durch die Alser- 
bachstraße. Senkrecht auf diesen Straßenzug steigen die Gassen beiderseitig an, ein sanftes Tal 
gehänge des kleinen Gewässers markierend. Ähnliches tritt im VII. Bezirke durch den Verlauf 
des Ohakringerbaches und ganz besonders längs des Wienflusses im V. und VI. Bezirke entgegen. 
In den einbezogenen neuen äußeren Bezirken (XI bis XIX) sind die Tertiärhügel kräftiger 
entfaltet, steiler abgeböscht und machen schon äußerlich den Eindruck wasserscheidender 
Rücken. Die zwischen denselben befindlichen Bachläufe haben kleine Tälchen gebildet, in 
denen die Ortschaften gelegen sind. Die Höhenrücken sind meist unverbaut, nur Währing, 
Hernals, Ottakring und Meidling hatten von ihnen bei der Einbeziehung schon Besitz ergriffen. 
In den südlichen Bezirken zeigt zunächst Favoriten eine sehr gleichmäßige Höhenlage, während 
Simmering und Meidling gegen den Wienerbergzug hin aufstreben. Letzterer ist gegen Nord 
osten und Südwesten flach abgeböscht und steigt in seiner kulminierenden Höhe bis zu 
245 m an. Seine westliche Fortsetzung über die Gloriette bei Schönbrunn reicht bis in die 
Nähe des Wienflusses und kulminiert in dem 257 m hohen Küniglberge bei Lainz. Vom 
Matzleinsdorfer Bahnhofe an ist dieser Zug einerseits mehr gegen Norden, anderseits gegen 
Süden abgedacht. Was an tertiärem Hügelland nördlich vom Wienflusse liegt, zeigt ein ziemlich 
gleichartiges Bild. Die kleineren Wasseradern, wie der . Halterbach bei Hütteldorf, der Ameis 
bach bei Penzing, der Ottakringer-, Alser- und Währingerbach, dann der Krotten-, Arbes- 
und Nesselbach, haben vorwiegend südöstliche Laufrichtung und die dazwischenliegenden 
Höhenrücken nehmen gleichfalls gegen Südosten an Höhe ab. An den Südwest- und Süd 
lehnen oder auf den Hügelrücken selbst hat die Rebe einen ihr zusagenden Standort gefunden 
und der Aisegger (Dornbach), Grinzinger und Nußberger genießen in Kennerkreisen einen 
guten Ruf. Die Bezirksteile Dornbach, Pötzleinsdorf, Sievering und Grinzing sind reichlich mit 
Villen besetzt und machen kaum mehr einen ländlichen Eindruck. Wandert man in einem 
dieser Täler aufwärts, dann findet man knapp am oberen Ende der Siedelung oder noch eher 
den Wald. Wir stehen nun vor einer waldigen Berglandschaft, in die im Westen und Norden 
das Wiener Gemeindegebiet hineinragt, wir stehen vor einem Teile des Wienerwaldes. Dieser 
streicht nach Nordosten und seine wienwärts gerichteten Hänge sind gegen Südosten ab 
gedacht. Die vorher angeführten Bäche und Täler haben ihre Laufrichtung durch den Aufbau 
des Wienerwaldes, eines Teiles der Alpen, vorgezeichnet und so sehen wir die Kleinskulptur 
unserer Scholle von den großen Zügen des mächtigsten Gebirges Europas beeinflußt. Wir 
werden auch gewahr, daß wirkliche Gebirgsformen vor uns liegen und nicht nur Hügel, 
denn die relativen Höhenunterschiede betragen gelegentlich an die 300 m und einzelne Gehänge 
zeigen bis über 30° Neigung. Die wichtigsten Kulminationen dieses Wienerwaldteiles sind: 
der" Leopoldsberg (der historische Kahlenberg) mit 432, der Kahlenberg (Ende der Nußdorfer 
Zahnradbahn) mit 483, der Vogelsangberg mit 504, der diesem vorgelagerte Latisberg mit 492 
und die höchste Kuppe dieses Gebirgszuges, der Hermannskogel, mit 543, ferner der Michaeler- 
berg nördlich von Neuwaldegg mit 386, in der Nähe der Schafberg mit 388, dann südlich 
von" Neuwaldegg der Heuberg mit 464 und noch südlicher der Galitzinberg mit 388 und 
in dessen Nähe der Satzberg mit 433 m Seehöhe. Die ganze Berggruppe ist, wie der Name 
sagt, mit Wald bedeckt, der zumeist Buchen und vereinzelt eingesprengte Föhrenbestände 
aufweist. Die gebirgige Region gehört zum XIII., XVI., XVII., XVIII. und XIX. Gemeindebezirk. 
Dr. A. Swarowsky. 
Mai 1904.
	        
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