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erreichen wir das breite, wiesenreiche Breitenfurther Thal, welches bei Kalksburg rn die
Ebene mündet. Die schönsten Plätze sind aus nützliche Weise durch die allbekannten Gast
häuser, den Rothen Stadl und den Grünen Baum geziert; weiter oben steht auch ein
neuerrichtetes Fraueukloster uud bald hinter demselben beginnt das langgestreckte Dorf
Breitenfurth mit seinen weißen, reinlichen, von Obstgärten umgebenen Bauernhäusern.
Über den Bergrücken, auf dem die Orte Breitenfurth und Hochrotherd liegen und
welcher seit altersher die Trennung der Gebiete ober und unter dem Wienerwalde bildet,
führte stets eine Hauptverbindungslinie aus dem Wienthal und dem westlichen Borlande
nach der Ebene des Wiener Beckens. Breitenfurth kann als die Grenze des Stadtlebens
im Wienerwalde bezeichnet werden; die bisher geschilderten Gebiete sind durch die vielen
Landhäuser, die schon mehr städtisch gehaltenen Gasthäuser und die vorzüglichen
Communicationen zu einem weit ausgedehnten Vorort Wiens geworden; an einem schönen
Nachmittage begegnet man weit mehr elegant gekleideten Wienern als Landleuten, und
diese wenigen haben auch schon den alten Typus, das ehrwürdige Costüm längst verloren.
In den Gebieten, welche wir jetzt durchstreifen wollen, herrschen noch die alten
Sitten und Trachten, der zähe, ausdauernde Sinn, die fast bigotte Frömmigkeit und der
oft staunenerregcnde Aberglaube der niederösterreichischen Waldbauern. Auch hier begegnet
man, insbesondere an Sonntagen, einzelnen Städtern, doch sind dieß Touristen, welche
den freien Tag benützen, längere Ausflüge zu unternehmen; ihre Zahl ist meist eine geringe,
da die schnellen Verbindungen der Südbahn es ermöglichen, in kürzerer Zeit das Hoch
gebirge bei Reichenau als auf schlechten Straßen das Innere des Wienerwaldes zu erreichen.
Von Breitenfurth gelangt man über Hochrotherd in die herrlichen Wälder des
sogenannten Wögler Forstes; Nadel- und Laubholzbestände, hochplateauxartige Rücken,
tiefe Schluchten und rauschende Bäche wechseln mit breiten Wiesen: in östlicher Richtung
führt ein hübscher Weg in das Kaltenleutgebener Thal, in südlicher hingegen nach dem
malerisch gelegenen Curort Sulz und von da über blumenreiche Wiesen an schönen
Aussichtspunkten vorbei zu den Dörfern Dornbach und Grub einerseits und Sittendorf
anderseits. Von dem letzteren Orte aus erreicht man in kurzer Zeit das alte Schloß
Wildegg. Urkundlich wird es zuerst 1188 erwähnt. Die adelige Familie, die sich davon
nannte und durch Verwandtschaft und Güterbesitz großen Einfluß gewann, bestand bis um
die Hälfte des XV. Jahrhunderts. 1683 wurde das Schloß von den Türken verwüstet.
Seit 1686 ist es Eigenthum des Stiftes Heiligenkreuz und wird nothdürftig vor dem
Verfall verwahrt.
Östlich von Sittendvrs liegt Sparbach; ein kleines Schloß und ein eingesänmter
Hochmildpark sind im Besitze des regierenden Fürsten Liechtenstein; von da ab gelangt
man auf recht guter Fahrstraße in das enge, felsige Brühlthal, wo die Lage der alten