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so hervor, daß er einen eigentümlichen Zug in der Physiognomie der ganzen Landschaft
bildet, und gewiß ist, daß viele, sehr viele dieser Arten auch fehlen könnten, ohne daß
dadurch das Landschaftsbild eine wesentliche Änderung erfahren und ohne daß die Mehrzahl
der Menschen das Ausfallen so zahlreicher Pflanzengestalten beachten würde. Dabei kommt
es weniger auf die Größe und Form, als vielmehr auf die Zahl und auf das gesellige
Wachsthum der betreffenden Gewächse an. Nicht wenige, durch ihre lebhaft gefärbten
Blüten, durch ihr Laub und ihre stattliche Gestalt sehr auffallende Pflanzenformen sind
für die Charakteristik der Vegetationsdecke eines Landstriches von untergeordnetem Interesse,
wenn sie vereinzelt oder als große Seltenheiten, etwa nur auf einen abgelegenen Berg
abhang oder auf ein einsames Thal beschränkt Vorkommen, während viele unansehnliche
niedrige Moose und Flechten, die als dünne Krusten dem Gesteine anhaften, ja selbst
winzige Algen, die vereinzelt dem unbewaffneten Auge gar nicht erkennbar wären, in der
Landschaft eine wichtige Rolle spielen, wenn sie zu Tausenden und Tausenden aneinander
gereiht den Boden überkleiden und die Gewässer erfüllen.
Solche durch ihr Massenvorkommen zur Bedeutung gelangende Gewächse sind nicht
nur für den Vordergrund einer Landschaft von größter Wichtigkeit, sondern sie beeinflussen
auch die Linien und vor Allem die Farbentöne des Hintergrundes, und es wird durch sie
die Verschiedenheit in dem Ausdrucke einer Gegend gewiß nicht weniger bedingt wie durch
das Colorit des Gesteins, die Contouren der Berge und die nach den Himmelsstrichen
wechselnden Beleuchtungen. Ein erhöhtes wissenschaftliches Interesse gewinnen diese
geselligen Vereine oder Genossenschaften der Pflanzen auch dadurch, daß sich in ihnen die
klimatischen Verhältnisse der betreffenden Gegend getreulich wiederspiegelu. Jede Pflanze
ist nicht nur durch tausend Fäden an die Scholle gebunden, sondern auch in allen ihren
Functionen so sehr von Licht, Wärme und Feuchtigkeit abhängig, daß die geringsten
Veränderungen dieser Lebensbedingungen in der Pflanzengestalt zum Ausdrucke kommen.
Wer diese gegenseitigen Beziehungen richtig zu deuten versteht, vermag darum aus den
Eigenthümlichkeiten der Pflanzengestalten, zumal jener, welche in ungezählten Mengen
weite Strecken überziehen, auf die Eigenthümlichkeiten des localen Klimas und Bodens
zurückzuschließen. Anderseits bietet die Verbreitung dieser Pflanzengenossenschaften einen
wichtigen, ja vielleicht den einzigen brauchbaren Anhaltspunkt, um ein in orographischer,
geognostischer und klimatischer Hinsicht so ungemein mannigfaltig gegliedertes Gebiet, wie
es Österreich-Ungarn ist, auch vom botanischenStaudpunkte in natürlich abgegrenzte Bezirke
zu theilen. Jedes Gebiet, welches eine Reihe nur ihm augehöreuder Pflanzengenosseuschaften
beherbergt, wird als ein Florenreich bezeichnet und jede Stelle, an der die charakteristischen
Pflanzengenossenschaften eines Florenreiches, in ihren Existenzbedingungen bedroht, eine
natürliche klimatische Grenze finden, wo andere, den geänderten äußeren Verhältnissen besser