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Unter den Spiritusfabriken ist die Gustav Berg'sche auf der Puszta Öntes die erste; kleinere
Brauereien gibt es noch in Ödenburg und Eisenstadt. Von chemischen Industrien sind zu
erwähnen: zwei Stärkefabriken in Ödenburg, eine Weinsteinfabrik in Neufeld, eine
Zündwaarenfabrik in Neudörfl (Lajta Sz. Miklös). Die Metallindustrie hat in Ödenbnrg
die altberühmte Glockengießerei und Löschrequisitenfabrik von Friedrich Seltenhofer und
Sohn aufzuweisen, die in Ungarn wie in Österreich ein starkes Geschäft macht. Außerdem
sind vier Fabriken von landwirthschaftlichen Geräthen vorhanden.
Das Kleingewerbe fühlt sich durch den Wettbewerb des Nachbarlandes Österreich
und besonders Wiens sehr gedrückt.
Die arg vernachlässigte Hausindustrie beginnt sich neu zu beleben. Die Frauen
suchen häufig den Spinnrocken wieder hervor, der vor Jahrzehnten in die Rumpelkammer
wandern mußte; die Mädchen besinnen sich neuerdings auf die alten Hauskünste ihrer
Großmütter, das Ausnähen und Sticken. Einen einträglichen Zweig der Hausindustrie
bildet das Matteuflechten, worin sich die Magyaren der Hansag-Gemeinden auszeichnen.
Marktkörbe und Binsenmatten jeder Größe werden massenhaft verfertigt, auch Rohr
geflechte für Plafonds, die namentlich nach Deutschland gehen. In der westlichen Gegend
wird noch Korbflechterei getrieben und auch der Bast zu allerlei Geflecht verwendet.
Reutern für die Landwirthschaft werden besonders in der Gegend von Nekenmarkt (Nyek)
häuslich gearbeitet. In der Rabnitzgegend besitzt fast jede Gemeinde ihren Kunstschnitzer,
der die Thorpfosten hübsch verziert; sie sind wahre Tausendkünstler, die sich auf alles
verstehen, ohne je ein Handwerk gelernt zu haben. Von großem Einfluß auf die Ausbreitung
der Hausindustrie ist die ganz nach schwedischem Muster eingerichtete Handfertigkeitsschule
zu Ödenburg. Die deutschen Bewohner der Gebirgsgegend versehen Österreich mit Unmassen
von Birkenbeseu.
Vom Weinhandel des Ödenburger Comitats ist zu sagen, daß in früheren Jahr
hunderten Polen der Hauptmarkt für die Weine des Neusiedler Sees war, jetzt aber die
Ausfuhr meist nach Österreich, Böhmen, Mähren, Deutschland, England und der Schweiz
geht. Ans dem Schweizer Markte tritt jedoch Frankreich bereits als starker Mitbewerber
auf. Noch empfindlicher ist diese Concurrenz im Handel mit Ausbrnchweinen auf dem
deutschen Markte geworden, wo der Ödenburger Wein von spanischen: und französischem
verdrängt wird.
Wie in naturgeschichtlicher, so theilt sich auch in ethnographischer Hinsicht das
Gebiet des Ödenburger Comitats in zwei Hälften. Die östliche gehört ausschließlich den
Magyaren an, die westliche ist meist von Deutschen und Kroaten bewohnt. In der
Greuzgegend zwischen diesen Nationalitäten, in der niederen Hügelgegend südlich des
Neusiedler Sees hat das magyarische Element die beiden anderen mit sich verschmolzen,