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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Ungarn, Band 1

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Jedes Mädchen nennt dabei den Namen dessen, dem ihr Herz gehört, und springt dann 
über das flackernde Feuer, in welches ihre Gefährtinnen neunerlei duftiges Kraut werfen 
und dazu folgendes Blumenlied singen: 
„Kornblume redet: thu mit mir nicht streiten, 
Denn von mir wahrhaftig lebt die ganze Welt nur; 
Rebenblüte redet: thu mit mir nicht streiten, 
Denn mit mir wahrhaftig wird allweg geopfert; 
Beilchenblüte redet: thu mit mir nicht streiten, 
Denn mit mirwahrhastig schmückensichdieDirnen." 
Wenn der Flammenstoß zu Glut niedergebrannt ist, folgt die Weihung des neugebornen 
Kindes über dem Feuer, nach heidnischem Gebrauch. Der „billo^oZ« faßt den weinenden 
Sprößling mit beiden Händen, hält ihn über das Feuer und spricht über ihn den Segen 
und den Schirmsprnch gegen die sieben Arten von Teufeln, und zuletzt ritzt der Opfernde 
das Kind mit der angeglühten Spitze seines Messers in Halbmvndfvrm am Kinn. An 
dieser Stelle wird ihm kein Bart wachsen, daran erkennen sich die Getreuen des Urväter- 
glanbens. Und jetzt schöpft der ^uln« mit dem Fenerlöffel für jede Frau von dem neuen 
Feuer. Durch die noch übrige Glut treiben zuletzt die Hirten ihre Herden hindurch, das 
wird sie vor Seuche schützen, und was an Glut noch immer glimmt, das tritt die Schar 
der Kinder barfuß aus. Nach Schluß der Ceremvnie zünden die Bursche Freudenfener an, 
singen das Lied von der „Jpsilangi-Rose" und lassen feurige Räder den Hügelabhang 
hinablanfen, während jeder bei seinem Feuer den Namen seiner Geliebten ruft." So hat 
sich dieses Feuerfest der Johannisnacht noch heute in vielen Gegenden als Vvlksbrauch 
erhalten. 
Aus alten Überlieferungen, aus Schilderungen der Chronisten und Volkssagen der 
Szekler haben wir folgende Bestattungsgebrüuche znsammengestellt, welche die Anhänger 
der Urreligion befolgten: „Beim Tode eines hervorragenden Ritters waschen die 
„Beweinerinnen" (Klagefrauen) den gefallenen Tupfern im heiligen Bache, bekleiden ihn 
mit seiner glänzendsten Rüstung, legen ihn ans das Ehrenbett und breiten ein ganzes Stück 
Seidenzeug über ihn. Zur Trauer legen die Frauen ein ungebleichtes Linnengewand an 
und binden sich statt der „Schmetterlingshanbe" (Flügelhaube) ein schwarzes Tuch um den 
Kopf. Dann treten die „Geiger" (Schellente) vor und singen bei Geigen- und Lantenklang 
von den Thaten des Helden und von seinem jenseitigen Leben, während der greise Vater 
des erlegten Kämpen zu Hänchen des Katafalkes auf dem nackten Boden sitzt. 
Mittlerweile wird an der Quelle des heiligen Baches eine ungeheure Grube gegraben 
und an der einen Seitcnwand derselben ein großer Eibenbanm aufgestellt, von dessen Spitze 
das zweizüngige Fähnlein des gefallenen Helden flattert mit der goldenen Sonne. Sodann 
werden an den anderen drei Seiten der Grube viernndzwanzig eichene Stangen aufgestellt, 
alle lanzenförmig gespitzt. Die westliche Wand der Grube bleibt abschüssig, denn man 
soll hinabsteigen können.
	        
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