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„Nein, ich schlaf' nicht, guter Krieger."
„Gibst du mir die Nacht ein Lager?"
„Nein, ich kann nicht, guter Krieger,
Denn mein Weib ist von mir gangen
Und mein Kind das weint vor Bangen."
„Jst's nur das, dann kannst's gewähren,
Bin gewohnt solch Schrei'n zu hören."
„Ist es so, tritt ein, mein Lieber,
Eine Nacht ist bald vorüber."
„Hörst du wohl, mein Wirth, du bied'rer,
Laben muß ich meine Glieder.
Ist im Dorf ein guter Tropfen,
Bring'.'nen Krug, den Hals zu stopfen."
„Ei, der gute Wein ist ferne,
Nicht verlaß mein Kind ich gerne."
„Bis sein Vater wiederkehret,
Bin ich's, der es hegt und nähret."
Ach, wie lang sein Gehn ihr währet.
Doch er geht, Wein zu erlangen;
Auf reißt sie des Dolmanys Spangen,
Reicht die Brust dem süßen Kinde,
Säugt es, küßt es auch geschwinde,
Legt's dann an den Herd zum Schlafe.
Wie sein Vater kommt, der brave,
Staunt er, daß das Kind nicht weinet;
Wohl, denkt er, es gibt jetzt Frieden,
Weil ein Gast dem Haus beschieden.
Als bei Tische nun sie saßen,
Sprach der Gast folgendermaßen:
„Hörst du wohl, mein Wirth, du bied'rer,
Auf die Frage mir erwid're:
Wie, wenn jetzt dein Weib erschiene,
Lebend, liebend, froher Miene,
Würdest du sie schlagen, schelten,
Stets mit Vorwurf ihr vergelten?"
„Nein, nicht schelten und nicht schlagen,
Lebenslang auf Händen tragen."
„Wohl, da bin ich, deine treue
Frau, mit der du nahmst die Weihe."
Auf den Bettrand sie sich setzte,
Sich am Büblein küssend letzte,
Ihren Mann mit Thränen netzte.
Unter den Betyaren-Balladen finden wir die meiste dramatische Kraft in der
Geschichte von Ladislaus Feher, für den sich seine jungfräuliche Schwester opfert, um
dann, verrathen, dem Manne zu fluchen, der ihren Bruder in den Tod geliefert:
„Mein Herr Leutnant, mein Herr Leutnant,
Sei verflucht, du mein Herr Leutnant,
Vor dir lodre Feuers Hölle,
Hinter dir die Flut aufquelle,
All dein Brod sich wandl' in Kiesel,
All dein Wasser in Blutgeriesel,
Stolpernd brech' das Pferd dir nieder
Und zerquetsche dir die Glieder,
Aufsteh' deines Messers Klinge
Und von selbst in's Herz dir dringe!"
Unter den naiven Romanzen ist die bekannteste: „Was dem Königssohn nur
einst ist eingefallen!" (Für diese ist auch eine sehr einfache Melodie zu finden.) Dann
kommt die folgende: „Mutter ward gefreit wohl von dem schmucken Schneiderlein". In
der ersteren stellt ein Königssohn in Kntscherlivree die Tochter des reichen Richters und
die des armen Korbflechters aus die Probe; das arme Mädchen gewinnt den Kranz, das