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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Böhmen, 1. Abtheilung

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die Götter, Wuotan als Schimmelreiter voran, durchzogen die Erde. Im Dunkel der Loos 
nächte wird darum nach der Volksanschauung alle geheime und übersinnliche Gewalt reg- 
und wegsam und tritt dem Menschen in verschiedenen Gestalten und Beziehungen näher 
als sonst. Fast Alles in der Natur in dieser Zeit wird der Volksphantasie zum Träger 
und Vermittler des Übernatürlichen, Geisterhaften. Haus und Hof, Luft, Erde, Feuer und 
Wasser erfüllen sich mit den ihres Bannes entbundenen geheimnißvollen Kräften, und wie 
der Grieche Homers das ganze Naturleben mit seinen Göttern belebte und vermenschlichte, 
so hat auch der germanische Volksgeist vor Allem in den zwei bedeutsamsten Nächten der 
Winter- und Sommer-Sonnenwende, den Merkzeiten des aufsteigenden und wieder 
absinkenden Jahres, das Natur- und Familienleben mit poetischer Gestaltungskraft reich 
ausgeschmückt. Die Hauptzeichen der altgermanischen Festfeier, die Licht- (Sonnen-) Ehrung 
und die Opferungen sammt den Festmahlzeiten haben sich bis heute im Lichtbaum und in 
dem Weihnachtsmahl erhalten. Allgemein üblich in ganz Deutschböhmen ist der lichter 
geschmückte Weihnachtsbamn und das reiche Weihnachts-Festmahl mit bestimmten Volks 
gerichten. Bis in die neue Zeit wurde an dem altdeutschen Brauche, für diese Festzeit einen 
Jung-Eber oder eine feiste Bachin zu opfern und „ins Haus zu schlachten", weithin fest 
gehalten; doch kam die in England noch bestehende Übung, den Eberkopf (einst das Opfer 
für den Frühlingsgott „Froo") als Hauptstück der Weihnachtstafel zu betrachten, schon 
längst außer Geltung. Als Hauptgericht gilt seit langem insbesondere in Nordwestböhmen 
der sogenannte „Schwarzfisch" (Karpfen mit schwarzer süß-säuerlicher Brühe) und Mehl 
klößen, der Weihnachtsstrietzel (Stolle) und der aus Weizenteig gebackene „Weihnachts 
kranz", ein letztes Sinnbild des einst von den Bergen rollenden flammenden Rades. Dazu 
kommen noch nach altem Landbrauch: Fischsuppe, „Semmelmilch" (Saazerland), „Mou- 
Melch" (Mohnmilch, Reichenberg), Dürrobst, Äpfel, Nüsse und an manchen Orten zuletzt 
Salzhäringe. In Nord- und Ostböhmen, z. B. in Dauba, im Riesengebirge und den 
nächsten Waldland-Gebieten, dürfen saure Schwämme nicht fehlen und sollen stets siebenerlei 
Gerichte auf den Weihnachtstisch kommen. 
Unter und nach dem Festabendmahl, dem gewöhnlich ein ganztägiges Fasten 
vorausgeht (zum Lohn sieht der Fastende dann in der Mitternacht das „goldene Meer 
schweinchen" in den Wolken laufen — die letzte verkümmerte Erinnerung an Froo's 
goldenen Eber!), werden die alten Volksbräuche allenthalben lebendig. Wer beim Christmahl 
keinen eigenen Schatten an der Wand hat, darf sich des Sterbens im neuen Jahre versehen; 
ebenso wer beim Äpfelschneiden keinen rechten „Stern" aufweisen kann (Egergebiet, Erz 
gebirge, Reichenberg, Ostböhmen). Die Hausmutter sammelt sorgsam alle Fischgräten, 
Mahlzeitabfälle und der Hausvater vergräbt diese in Garten und Feld (im Egerlande 
für den „Zemba") — Reste des alten Volksbrauches der Befriedigungsopfer an die
	        
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