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des Fürsten selbst für nothwendig. Nun steigt der Lärm der hochvergnügten Zuschauer
auf das höchste, denn nun kommt der Fürst selbst auf einem halbzerbrochenen Wagen,
welcher von den magersten Rindern, die im Dorfe aufzutreiben waren, gezogen wird, oder
auf einem Schlitten, sorgfältig eingehüllt, um von den Fliegen nicht belästigt zu werden.
Langsam besteigt er die Bühne und setzt sich auf den Thron. Nachdem er den Fall ver
nommen, ergreift er selbst das Wort und erklärt, es sei ihm zwar höchst unlieb, die schönste
Perle seines Staates verlieren zu müssen, er wolle sich aber den Gebräuchen civilisirter
Staaten fügen. Er befiehlt, die Gefangenen freizulassen, ihnen den Paß anszufertigen und
sie über die Grenze zu führen, worauf er sich unter ungeheurem Jubel des Volkes wieder
zurückzieht und abfährt, wie er gekommen ist. Sofort wird von der fürstlichen Hofkanzlei
der Paß mit allen möglichen Witzen und Possen ausgefertigt und die Comödie findet ihr
Nachspiel in den Wirthshäusern.
So unterhält sich das gutmüthige ladinische Völklein in Fassa in seiner Weise. Bei
seinen Nachbarn, den Buchensteinern, dauert eine Hochzeit wohl auch gar drei Tage und
drei Nächte fort und wird auf der Tenne des Stadels getanzt, wobei das Hausvieh,
welches den Lärm nicht vertragen könnte, in andere Ställe eingelegt wird. Die Ladiner
sind überhaupt große Freunde des Tanzes. Im Bezirk Enneberg gab es einst kaum ein
Dorf, welches nicht seinen Tanzstadel, den sogenannten Pajung (wohl die ladinische Form
des Wortes Pavillon) hatte. In demselben wurde nicht nur bei Hochzeiten, sondern auch
an Sonn- und Festtagen unter Aufsicht eines eigens bestellten Platzmeisters getanzt. Der
Pajung war nichts Anderes als eine viereckige Tenne mit einer hohen das Dach tragenden
Säule in der Mitte.
Verschmähte Liebe thut weh. Wenn ein Mädchen in Rendena einen anständigen
Bewerber abweist, sich übermüthig benimmt und spöttische Nachreden über ihn führt, so
lauert ihr der Gekränkte auf, bis er sie irgendwo allein trifft, in seiner Hand blitzt eine
neu geschliffene Schere und die schönen Haarflechten des Mädchens fallen zu Boden.
Diese Rache heißt 1a bnllacka, sie bleibt nicht ohne Folgen. Die Betroffene kann bereuen
und sich bessern, es kann aber auch der Fall sein, daß sie keinen Mann mehr bekommt.
Man geht nicht mit einer Anklage zu Gericht, aber es ist auch schon von Verwandten an
solchen Zopfabschneidern blutige Rache genommen worden. Etwas harmloser und ländlich
derb ist gleichfalls in Rendena eine andere Art, verschmähte Liebe zu rächen. In der
Nacht werden von der Schwelle des Hauses, in welchem die spröde Schöne wohnt, mit
ausgestreutem Sägmehl Wege zu allen auffindbaren Düngerhaufen des Ortes bezeichnet.
Wie überall wird auch Witwern, welche sich wieder verheiraten, durch eine oder
mehrere Nächte hindurch mit Pfannen, Deckeln, Schellen, Bockshörnern u. s. w. eine gräß
liche Musik gebracht, welche inneealrm oder smueenlu? (in Italien Io Zeainpnnate) heißt.