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Im südwestlichen Theile Wülschtirols, und zwar speciell im oberen Sarca- und
Chiesethal ist Braunvieh von zum Theil tiefdunkler bis rußschwarzer oder auch schwarz
weiß gefleckter Haarfarbe heimisch, welches in stammverwandtschaftlichen Beziehungen zu
der in der lombardischen Val Camonica und weiter nach Westen und Norden verbreiteten
^.ypengruppe steht und sich hauptsächlich vom Rendenathal aus in neuerer Zeit allmälig
fast über das ganze Territorium der drei Judicarien ausgebreitet hat. Obzwar nur von
schwach mittlerer Größe und Schwere (120 bis 125 Centimeter Körperhöhe, 140 bis
145 Centimeter Rumpflünge und 300 bis 325 Kilogramm Lebendgewicht) ist das Braun
vieh ^udicariens oder die Rendena Race doch von großer Leistungsfähigkeit für die
verschiedenen Nutzungszwecke. In ganz hervorragender Weise eignet sich dieser Rinder
typus aber für die Milchproduction und concnrrirt in dieser Hinsicht mit den besten Milch
schlägen der Tiroler und Schweizer Alpen. Im Verhältniß zu der augedeuteten kleinen
Figur und geringen Schwere erwachsener weiblicher Thiere, sowie unter Berücksichtigung
der in ihrer Heimat üblichen knappen Ernährung und sorglosen Behandlung ist eine durch
schnittliche Jahresmelkung per Kuh von 1100 bis 1200 Liter gewiß nicht wenig. Auch ist
die Qualität der Milch eine recht gute und die Melkungsandauer eine ausfallend lange.
Auch in der Kleinviehzucht herrschen mannigfache Verschiedenheiten. In Deutsch
südtirol sind es zunächst Schafe, welche namentlich auf den Mittelgebirgen und in den
höheren Seitenthälern, wo viele trockene oder magere und häufig auch sehr steile Weiden
vorhanden sind, der Wolle und des Fleisches wegen in Menge gehalten werden. Sie sind
zumeist von derselben kleinen aber sehr abgehärteten und ein schmackhaftes Fleisch besitzenden
Gebirgsrace, welche überall in den deutschen Alpen unter dem Namen des Steinschafes
heimisch ist und deren weiße, braune oder auch schwarze Wolle den bekannten Loden liefert.
Im Ultenthal, in Ampezzo und Buchenstein kommen theilweise auch größere Schafe mit
stark geramsten Köpfen und herabhängenden Ohren vor, welche der Bergamasker Race
ähnlich stnd und jedenfalls eine Bluteinmischung des genannten lombardischen Voralpen-
schafe» erfahren haben. Im Passeier- und Sarnthal hinwieder sind Kreuzungen des
einheimischen Bergschafes mit der südosteuropäischen Zackelrace anzutreffen, von welcher zu
Zeiten große Heerden ins Land getrieben und auf den Alpen fett geweidet werden. Die
Schweinezucht hat sich im Gesammtgebiete quantitativ und qualitativ gehoben, besitzt jedoch
nirgends eine größere Wichtigkeit.
Schon vorhin wurde erwähnt, welche Bedeutung der Milchproduction, beziehungs
weise dem Molkereiwesen in Südtirol innewohnt, aber auch wiederholt bemerkt, auf welch
ungleicher Entwicklungsstufe dieselben in den einzelnen Unterbezirken des Gesammtgebietes
stehen. Unter den 206.438 Stück Hornvieh, welche im Jahre 1890 gezählt wurden, befanden
sich 105.223 Kühe, welche jährlich ein Quantum von mindestens 1,075.000 Hektoliter