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einer hochaufsteigenden Kuppel bietet. In die weiten Bogenöffnungen der Kapellen stellte
Pozzo, ein Motiv der römischen Thermen nachahmend, je zwei Säulen, deren Gebälk in
Kämpferhöhe die Öffnung durchsetzt. (Siehe Abbildung Seite 36.)
Die rasche Verbreitung der beschriebenen Kirchenform ist zum Theil dem Wirken
des Jesuitenordens zuzuschreiben,' mehr oder weniger folgt die Bauart der anderen Kirchen
Wiens den genannten Beispielen, doch reicht keine derselben an Kostbarkeit des Materials
und glücklicher Raumwirkung an die Universitätskirche heran. Zu den schöneren Bauten
gehört das Plastisch reich decorirte Gotteshaus der Dominicaner, Sta. Maria Rotunda,
dann die Kirche der Carmeliter in der Leopoldstadt, ferner die Kirche der barmherzigen
Brüder, 1622 von Ferdinand II. gestiftet. Sehr nüchtern, aber von guten Verhältnissen
ist die Pfarrkirche in der Alservorstadt, gestiftet von Kaiser Leopold I. Die meisten späteren
beweisen einen ungemein raschen Verfall des Geschmacks. Das Streben nach malerischer
Wirkung, welches trotz der starken Betonung des structiven Elementes durch Pilaster
ordnungen hervortritt, die Tendenz, durch glänzende Ausstattung die Sinne zu fesseln,
führte unter den Händen Minderbegabter zu einer wilden Decorationslnst. Aus dem freien
Schalten mit den Säulenordnungcn wird vollständiges Durchbrechen der wohlthätigen
Schranken, welche die Tradition geschaffen; die Bauglieder kommen in Bewegung, die
Gebälke nehmen geschwungene Formen an, während ganze Fanden durch Biegungen,
durch Vor- und Zurückspringen und gehäufte Risalite und Verkröpfungen in einzelne
Theile sich auflösen.
Zu Anfang des XVIII. Jahrhunderts tritt ein Umschwung ein zu Gunsten des
Kuppelbaues; es entsteht die Peterskirche 1702, die Karlskirche auf der Wieden, gestiftet
1715 von Kaiser Karl VI., Kirche und Kloster der Salesianerinnen, gestiftet 1717 von
der Kaiserin Amalia.
Die Karlskirche ist durch ihre Dimensionen, durch Lichtvertheilung und kostbares
Material im Innern, durch ihre Gruppirung nach außen mit Vor- und Flügelbauten, eine
römische Tempelfronte und zwei Triumphalsäulen von großer Wirkung. Sie bedeutet auch
stilistisch eine Umkehr zum Besseren und ist besonders den Kirchen aus der zweiten Hälfte
des XVII. Jahrhunderts gegenüber ein bedeutendes Werk. (Siehe Abbildung Seite 33.)
Der Architekt des Baues, Johann Bernhard Fischer von Erlach, welcher denselben
in Concurrenz gegen Galli Bibiena und Lukas von Hildebrandt gewann, spielt in der
Baugeschichte Wiens eine hervorragende Rolle. Sein bedeutendster Rivale ist Hildebrandt.
Beide Baumeister waren Hofarchitekten und seit dem 1700 erfolgten Abtreten des oben
genannten Ottavio Burnacini aus dem Hofdienste mit großen Aufgaben betraut. Sie
huldigten in der Stilisirung ihrer Bauten ganz verschiedenen Richtungen. Hildebrandt ist
der Vertreter eines zierlichen Decorationsstiles, Fischer aber zeigt sich in den meisten