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Volltext: Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild: Galizien

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Im Jahre 1764, nach dem Tode August III., rückten russische Heere zur Unter 
stützung der Czartoryski in Polen ein. Unter ihrem Drucke wurden ans den einzelnen 
Landtagen durchwegs Anhänger der Czartoryski in den Reichstag gewählt. Der sogenannte 
Convocations-Reichstag beschloß wirklich eine ziemlich weitgehende Reform des polni 
schen Staatswesens. Das liberum velo wurde, wenn auch nicht ausdrücklich, beseitigt, 
bei Beschlüssen über ökonomische Angelegenheiten Stimmenmehrheit gesetzlich eingeführt, 
das Gerichtswesen geordnet, eine Geschäftsordnung für den Reichstag beschlossen und zur 
Verwaltung des Finanz- und Heerwesens zwei ständige Commissionen eingesetzt. Diese 
wenigen Reformen bewirkten schon einen durchgreifenden Umschwung in der ganzen späteren 
Entwicklung Polens, welche seit dieser Zeit, wenn auch mit gewaltsamen Unterbrechungen, 
doch langsam vor sich ging. Zum Könige von Polen wurde der von der Kaiserin Katharina 
empfohlene Stanislaus Poniatowski, ein Neffe der Czartoryski, gewählt. 
Nach seiner Thronbesteigung zeigte cs sich aber nur zu bald, daß Rußland nicht 
gesonnen war, Polen erstarken zu lassen. Es stellte an den König und an die Czartoryski 
Forderungen, welche dieselben kaum zu erfüllen vermochten; es wandte also seine Gunst 
von ihnen ab und fand in dem Adel Elemente, die bereit waren, sich unter russischen 
Schutz zu stellen, um das Reformwerk der Czartoryski zu zerstören. Es bildete sich eine 
Conföderation zu Radom unter dem Vorsitze des Fürsten Karl Radziwilt. Der hoch 
gebildete, aber charakterlose König trat ihr bei, das Reformwerk der Czartoryski wurde auf 
dem Reichstage vom Jahre 1768 theilweise rückgängig gemacht und die beabsichtigten 
weiteren Reformen durch ein Staatsgrundgesetz, dessen Garantie Rußland übertragen 
wurde, ausgeschlossen. Der russische Gesandte in Warschau gewann solchen Einfluß, daß 
er alles dictirte und Stanislaus Poniatowski zu einem Schattenkönige herabsank. Dies 
erregte im Lande allgemeine Entrüstung und führte (1768) zur Conföderation von 
Bar (einem podolischen Städtchen), welche es sich zur Aufgabe stellte, die Unabhängigkeit 
von Rußland mit den Waffen zu erzwingen. Der Aufstand breitete sich über alle Provinzen 
des Reiches ans, mehrere Jahre hindurch wurde ein hartnäckiger Partisanenkrieg mit den 
russischen Truppen geführt, der von Seite Frankreichs durch Entsendung von Officieren 
thätige Unterstützung fand. Österreich verhielt sich dem Aufstande gegenüber so wohl 
wollend, daß die Leitung der Conföderation in einer schlesischen Stadt ihren Sitz hatte. 
Einen wirklichen Erfolg konnte aber der Aufstand nicht erzielen. Der König und die 
Regierung traten dem Aufstande nicht bei, und die irregulären Scharen der Aufständischen 
waren den russischen Truppen nicht gewachsen. Die Conföderation von Bar stürzte somit 
das Land nur in die größte Verwirrung und bot Rußland und Preußen den Anlaß zur 
ersten Theilnng Polens. Als sich beide Mächte über dieses Project geeinigt hatten, trat ihm 
auch Maria Theresia bei. So kam im Jahre 1772 die erste Theilung Polens zustande,
	        
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